Foto: Photo Courtesy Warner Bros. Pictures
„Weapons“ erzählt vom Verschwinden einer Schulklasse und wurde schon vor Kinostart euphorisch gefeiert. Aber was ist wirklich dran am Hype?
Man kann hier eine ärgerliche Entwicklung im Genrekino beobachten. Und das betrifft zunächst vor allem das Rezeptionsverhalten und das Marketing. Jedes charmante, kleine Gruselfilmchen soll mittlerweile zum großen Epos und Event-Kino hochstilisiert werden. Geschickte Werbekampagnen versuchen das schon Wochen und Monate vor Kinostart und Teile der Presse helfen fleißig dabei mit. Überall scheint es eine Sehnsucht zu geben, gemeinsam Teil eines großen Phänomens sein zu können. Gute Filme sollen immer auch das nächste epochale Meisterwerk sein. Manchmal zu Recht, oft aber auch zu Unrecht. Das Geschäft mit Begeisterung und Glücksgefühlen kennt kein Halten.
Hinzu kommt aber auch eine gewisse künstlerische Selbstüberschätzung, die eigentlich recht herkömmliche Genre-Spielereien in ein überbordendes Erzähl- und Prestigekino verwandeln will. „Weapons – Die Stunde des Verschwindens“ wird genau das nach einer starken ersten Filmhälfte leider zum Verhängnis. In Wirklichkeit erweist man damit dem Genre nämlich einen Bärendienst. Das Horrorkino biedert sich mit solchen übertrieben großen Gesten vor allem schnöden Hollywood-Sehgewohnheiten an.
Darum geht es in „Weapons“
Derlei Kino will, wie zuletzt auch in Together, möglichst viele Diskurse anbieten, ohne selbigen gewachsen zu sein. Dazu soll möglichst jede Stimmungslage befriedigt werden, weshalb sich diese Filme auch bestens vermarkten lassen. Man schielt nach dem Massengeschmack, aber ein alternatives, ausbrechendes Kino lässt sich bei derart gestrickten Horror-Phänomenen nur selten finden. Ebenso wenig eine aufregende Ästhetik. „Weapons“ besticht zwar mit weiten, schicken Bildern und ausgeklügelten langen Einstellungen, zeigt aber die meiste Zeit auf Hochglanz polierte visuelle Stangenware.
Dieser Film dauert über zwei Stunden, ist in mehrere Kapitel unterteilt, regelrecht romanhaft erzählt, vereint ein üppiges Figurenensemble. Ausgangspunkt ist dabei das Verschwinden einer Schulklasse. Mitten in der Nacht wachen die Kinder in einer Kleinstadt auf, während die Eltern noch schlafen. Sie laufen weg, hinein in die Dunkelheit und niemand weiß, wohin sie gegangen sind. Nur ein Schüler bleibt zurück. Auf die junge Lehrerin (Julia Garner) der Klasse entbrennt fortan eine Hexenjagd. Die Erwachsenen versuchen verzweifelt, den Fall zu lösen, aber die unheimlichen Ereignisse häufen sich.
Foto: 2025 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved.
Wohin verschwanden die Kinder?
Jedes Kapitel begleitet nun einen anderen Charakter, während sich die Handlungsstränge fortlaufend kreuzen. Das ist gekonnt aufgebaut und verwoben. Nach und nach setzen sich die einzelnen Episoden zu einem Puzzle und Gesamtbild zusammen. Spätestens zum Zeitpunkt der Auflösung, die leider zu früh kommt, offenbart sich jedoch eine ernüchternde Banalität auf der Handlungsebene, deren größte Provokation darin besteht, dass sie abseits weniger kultureller Seitenhiebe keinen weiteren doppelten Boden aufweist, sondern ihr Programm über den ganzen letzten Akt hinweg gemächlich durchzieht.
„Weapons“ spielt nicht nur mit dem Trivialen, um sich damit gegen den vermeintlich guten Geschmack zu positionieren. Dies ist ein trivialer Film, der komplex beginnt und nachher immer gewöhnlicher wird. Er bläst eine dünn konstruierte Geschichte so übergroß und verlogen auf, verschachtelt und zerdehnt sie, um dem Publikum ein cleveres Mystery-Rätsel vorzugaukeln, bis man es beinahe zu glauben beginnt.
Der letzte Film des Regisseurs lief bei Disney+
Zach Cregger hat diesen Film inszeniert. Sein gefeierte Vorgängerfilm Barbarian, der direkt bei Disney+ erschien, entwickelte sich zum großen Hit. Hollywood riss sich danach angeblich um sein neues Werk, das dieses Mal breit in die Kinos gebracht wird. Eine rätselhafte Trailer-Kampagne und überschwängliche erste Reaktionen trieben die Erwartungshaltung weiter in die Höhe. Cregger ist sich dabei zumindest treu geblieben, das Unvorhersehbare zu suchen. Schon „Barbarian“ setzte in seiner Handlungsstruktur mit mehreren Twists und Turns wiederholt neu an. Geblieben ist in „Weapons“ aber ebenso die Marotte, dass die plötzlichen Überraschungen unhaltbare Versprechen und wenig mehr als eine kurzfristige Attraktion generieren.
„Weapons“ wird damit zum Einwegkino, weil der Film das Uneindeutige, Offene und dessen Verunsicherung scheut. Sein Reiz verpufft, sobald man des Rätsels Lösung einmal kennt. Da liegen alle Karten auf dem Tisch. Die Story ist interessant und spannend, solange man tatsächlich im Dunkeln tappt und rätseln darf. Wenn der Horror unvorhersehbar zwischen Albträumen, Zombie-Motiven und rein zwischenmenschlichem Nachbarschaftshorror changiert. Und einige Gruselszenen sind tatsächlich sehr effektiv inszeniert, wie sie ihre Schocks herauszögern oder mit dem Bizarren arbeiten.
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„Weapons“ zeigt den Horror unter dem amerikanischen Kleinstadt-Idyll
Creggers zweiter abendfüllender Horrorfilm versucht sich an so etwas wie einer Great American (Horror) Novel für das Kino. Man versucht, die Gesellschaft aufzufächern. Eine Bestandsaufnahme der USA der Gegenwart soll damit angestellt werden, irgendwo zwischen tiefen Klassengräben, Mobbing, Egoismus, Armut, Drogensucht, Polizeigewalt und gesuchten Sündenböcken.
Das Totalitäre und Faschistoide spielt dort ebenfalls eine Rolle. Wie ein Parasit hat es sich in der Bevölkerung eingenistet, verpackt in übersinnliche Metaphorik. Schlussendlich bleibt davon aber nur eine bemühte Beobachtung, keine überzeugende Diagnose oder gar tiefere Analyse. Und schon gar kein erhellender Gegenentwurf! Von der Sehnsucht nach einer gesellschaftlichen Befreiung von all dem Übel bleibt eine (zugegeben) spaßige Pointe und Polemik, aber auch eine erzählerische Plattitüde, mit der der Horror ergründet werden soll. Creggers Film ist keineswegs misslungen oder schlecht, aber er ist weit von dem Meisterwerk entfernt, das aktuell so viele in ihm sehen wollen.
Erklärtes Grauen
Schaurig ist „Weapons“, wenn er sein Gesellschaftsporträt zunächst anhand kleiner Bilder und Situationen aufzieht. Dann, wenn etwa Leute von jetzt auf gleich austicken und eine Tankstelle stürmen. Oder wenn plötzlich ein Elternpaar erstarrt im Wohnzimmer vor der dunklen Glotze sitzt, als habe man dort zwei Schaufensterpuppen drapiert. Aber für jedes dieser Bilder folgt eine schale Erklärung und das bedeutet bekanntlich oft den Tod des wirkungsvollen Horrors.
Unter all den pervertierten amerikanischen Mythen und politischen Implikationen schlummert hier zuvorderst das: der abstruse Hokuspokus. Ein Versuch, systemischen, soziokulturell tief verwurzelten Horror unter der ach so idyllischen Kleinstadtfassade mit einem schlichten Feindbild des Monströsen und Verhexten zu erklären. „Weapons“ bedient damit in einer unübersichtlichen Zeit die Sehnsucht nach der einfachen Antwort. Dem produktiven künstlerischen Entsetzen und der eigenen Albtraumlogik raubt genau das jede Nachhaltigkeit.
„Weapons“ läuft ab dem 7. August 2025 in den deutschen Kinos.
„WEAPONS – DIE STUNDE DES VERSCHWINDENS – Trailer #2 Deutsch German (2025)“ von YouTube anzeigen
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