In den USA, einem der reichsten Länder der Welt, haben viele Menschen kein Leitungswasser. Das Problem hat sich von den ländlichen Regionen in die großen Städte verlagert. Auch Los Angeles, San Francisco und New York sind betroffen.
Victoria Silva lebt wie 17 Millionen andere Menschen in den USA in einem Mobile Home, einem Wohnmobil. In ihrem Wohnmobilpark im US-Bundesstaat Colorado ist in den vergangenen drei Jahren schätzungsweise 20- bis 30-mal das Wasser ausgefallen, hat sie der Nachrichtenagentur AP erzählt. „Das Hauptproblem sind die häufigen Wasserabschaltungen und die Unklarheit darüber, ob das Wasser sicher ist oder nicht.“
Ein häufiges Problem in solchen Wohnmobilsiedlungen: Fast 70 Prozent von ihnen mit einem eigenen Wassersystem haben in den vergangenen fünf Jahren gegen die Vorschriften für sicheres Trinkwasser verstoßen, hat eine AP-Recherche ergeben. Viele dieser Siedlungen sind alt, stammen aus den 1970er und 1980er Jahren.
In den USA haben viele Menschen kein Leitungswasser. Nicht nur die, die in Wohnmobilen leben. Mittlerweile sind auch immer mehr Bewohner in großen Städten betroffen. Wie Portland im US-Bundesstaat Oregon, Houston in Texas und Phoenix in Arizona, schreibt ein Forscherteam vom King’s College London und der Universität von Arizona in einer Studie in der Fachzeitschrift Nature Cities.
Finanzkrise lässt Mieten explodieren
Der Mangel an fließendem Leitungswasser war demnach jahrzehntelang hauptsächlich in den ländlichen Gebieten ein Problem. Seit den 1990er Jahren ist er auch in den Städten zu beobachten.
Dort gibt es immer weniger bezahlbaren Wohnraum; Hauspreise und Mieten sind teurer geworden. Die Finanzkrise von 2008 hat die Situation noch verschlimmert, sagt Studienautorin Katie Meehan 2020 im Podcast „World: we got this“.
„Nach 2008 kam es in den USA zu einer radikalen Umstrukturierung des Mietmarktes. Viele Vermieter verloren ihre Häuser und große Unternehmen kauften Tausende und Millionen von Immobilien in den Vereinigten Staaten auf, vor allem in Kalifornien und Texas. Die Mieten sind gestiegen, während die Einkommen stagnieren“, erläutert die Professorin für Umweltgerechtigkeit am King’s College London.
Städte an Westküste und Ostküste betroffen
Die Umweltgeografin untersucht das Problem der sogenannten Sanitärarmut schon lange. In ihrer Studie zeigt sie die Veränderungen seit den 1970er Jahren. Damals hatten 3,5 Millionen Haushalte kein fließendes Wasser und auch keine Toilette mit Wasserspülung.
Insgesamt sind es zwar weniger geworden. Aber das Problem hat sich in die Städte verlagert: In den Ballungsräumen haben heute über 70 Prozent der US-Haushalte kein fließendes Wasser, etwa sieben von zehn. Sie liegen vorwiegend an der Westküste, der Ostküste und im Sunbelt – den südlichen Bundesstaaten.
Besonders betroffen sind People of Color (PoC), „insbesondere Haushalte mit geringem Einkommen“, sagt Meehan. Ganz vorn mit dabei sind Los Angeles, Miami, Houston und San Francisco. In der kalifornischen Metropole leben über 70 Prozent der Nichtweißen in Wohnungen ohne fließendes Wasser. „In einer Stadt wie San Francisco sind die Wohnkosten exorbitant und für viele Familien unerschwinglich. Dadurch geraten Menschen in eine prekäre Wohnsituation, in der sie dann mit größerer Wahrscheinlichkeit keinen regelmäßigen Wasseranschluss haben“.
Am schlimmsten ist die Lage in Portland, ganz im Nordwesten der USA. Zwischen 2000 und 2021 hat sich die Zahl der betroffenen Haushalte um fast 60 Prozent erhöht – der stärkste Anstieg unter den großen US-Metropolen. Auch hier sind vorwiegend People of Color betroffen. In dieser Zeit sind die Preise für Häuser und Mieten in Portland extrem angestiegen. In anderen Städten mit Wohnungskrisen sieht es ähnlich aus: etwa in Austin, Birmingham oder Houston.
In New York sind die meisten Haushalte Stand 2021 von Wasserarmut betroffen, gefolgt von Los Angeles und San Francisco. In diesen drei Städten leben schätzungsweise 127.000 Menschen ohne fließendes Wasser, heißt es in der Studie. Die Lage hat sich zumindest in New York etwas verbessert.
Amerikaner haben kein Recht auf Wasser
Dazu kommt: Seit 2010 sind die Wasserpreise in den USA immer weiter angestiegen. Viele US-Amerikaner können ihre Wasserrechnungen nicht bezahlen. Die Folge: Ihnen wird das Wasser abgestellt: Sie können sich nicht mehr waschen, nicht mehr kochen, nicht mehr auf die Toilette gehen. 14 Millionen Haushalte in den USA können sich Wasser nicht mehr leisten, hat die Michigan State University herausgefunden.
Es gibt kein Gesetz, das den US-Amerikanern eine Wasserversorgung garantiert. Vor 15 Jahren haben die Vereinten Nationen Wasser zum Menschenrecht erklärt. Die USA enthielten sich. Es gebe aber eine Gegenbewegung, erklärt Meehan: „Einige Bundesstaaten wie Kalifornien haben das Menschenrecht auf Wasser in ihre Politik aufgenommen. 2012 unterzeichnete Gouverneur Brown in Kalifornien ein Gesetz, das das Menschenrecht auf Wasser anerkennt. In den letzten Jahren hat Gouverneur Newsom ein größeres Finanzpaket geschnürt, um die kommunalen Wassersysteme in den ländlichen Gebieten Kaliforniens bei der Umsetzung zu unterstützen.“
Zusätzlich gibt es in den USA noch ein Problem mit der Qualität des Trinkwassers: Wenn es aus dem Hahn sprudelt, heißt es nicht, dass es sauber ist. Einige Bundesstaaten verstoßen gegen das Gesetz über sicheres Trinkwasser, hat eine aktuelle Untersuchung ergeben. Das schlechteste Trinkwasser gibt es demnach in Pennsylvania im Nordosten der USA, gefolgt von Texas im Süden und West Virginia im Osten.
„Wieder was gelernt“-Podcast
„Wieder was gelernt“ ist ein Podcast für Neugierige: Welche Region schickt nur Verlierer in den Bundestag? Wann werden die deutschen Strompreise sinken? Welche Ansprüche haben Donald Trump und die USA auf Grönland? Welche europäische Landwirtschafts-Bastion trocknet aus? Hören Sie rein und werden Sie dreimal die Woche ein wenig schlauer.
Alle Folgen finden Sie in der ntv App, bei RTL+, Amazon Music, Apple Podcasts und Spotify. Für alle anderen Podcast-Apps können Sie den RSS-Feed verwenden.
Sie haben eine Frage? Schreiben Sie uns gerne eine E-Mail an podcasts@ntv.de