Ob „Foodsharing“-Cafés, „Fairteiler“ oder Too Good to Go – die Optionen zur Lebensmittelrettung sind vielfältig. (Archiv- und Symbolbilder) Foto: IMAGO/Arnulf Hettrich, Lars Heidrich/doc7kfampy1euomuwk3lgl, IMAGO/Rüdiger Wölk
Wer etwas gegen das Problem der Lebensmittelverschwendung tun will, hat in Stuttgart mehrere Ansatzpunkte. Eine Übersicht.
10,8 Millionen Tonnen – so hoch lag dem Umweltbundesamt zufolge 2024 die Menge der Lebensmittelabfälle in Deutschland. Und das, obwohl laut Studien ein Großteil des weggeworfenen Essens eigentlich noch genießbar wäre. Die Auswirkungen dieser Verschwendung im großen Stil sind fatal, sowohl ökologisch als auch sozial.
Verschiedene Vereine, Initiativen und Unternehmen, die sich der Lebensmittelrettung verschrieben haben, wollen an diesem Zustand etwas ändern. Auch in Stuttgart gibt es einige Möglichkeiten, dazu beizutragen, dass weniger Lebensmittel auf dem Müll landen.
Digital per App oder analog am „Fairteiler“
Too Good To Go Das dänische Start-Up Too Good To Go hat aus der Lebensmittelrettung ein Geschäftsmodell entwickelt. Auf der Online-Plattform bieten Betriebe Essen und Getränke, die nicht mehr für den Verkauf vorgesehen sind, zu einem reduzierten Preis an. Über eine App sehen die potenziellen Kundinnen und Kunden die Angebote in ihrer Nähe.
In Stuttgart reicht die Auswahl von Gemüse-Überraschungstüten aus dem Supermarkt über Backwaren bis hin zu Gerichten aus Restaurants und Feinkost aus der Markthalle. Zwar werfen kritische Stimmen Too Good To Go vor, eher kommerzielle denn nachhaltige Ziele zu verfolgen. Dafür berichten Händler aus Stuttgart von einer positiven Zusammenarbeit. „Die hohe Nachfrage zeigt uns, dass das Thema Lebensmittelverschwendung auch unseren Kundinnen und Kunden sehr am Herzen liegt“, teilt beispielsweise Yahya Kizilaslan vom Süd Markt mit.
Fairteiler Gänzlich ohne Bezahlung funktioniert das Modell der „Fairteiler“. Hier holen Freiwillige die nicht mehr für den Verkauf eingeplanten Esswaren bei Händlern und Produzenten ab, um sie dann an festen Orten zu lagern. Auch Privatpersonen können in den offenen Regalen und Kühlschränken Lebensmittel abgeben – solange sie noch gesundheitlich unbedenklich sind. Aus den Fairteilern darf sich anschließend jeder, der vorbeikommt, etwas herausnehmen.
Hinter dem Konzept steht in den meisten Fällen der Verein Foodsharing, der verschiedene Richtlinien für die Nutzung aufgestellt hat. Im Stuttgarter Stadtgebiet listet er auf seiner Übersichtskarte elf „Fairteiler“, darunter an den folgenden Orten:
- Café Raupe Immersatt, Johannesstraße 97, West
- Café im Kulturzentrum Labyrinth, Urbanstraße 64, Mitte
- Im Laden Wandel.Handel, Wagenburgstraße 123, Ost
- „Commons Bude“ an der Liebfrauenkirche, Wildunger Straße 55, Bad Cannstatt
- „HobbyHimmel“, Siemensstraße 140, Feuerbach
- Fairteiler Degerloch, Große Falterstraße 4Gemeinschaftsgedanke beim „Foodsharing“ im Vordergrund
Café Raupe Immersatt Mit der „Raupe Immerstatt“ im Stuttgarter Westen ist rund um den dortigen „Fairteiler“ ein „Foodsharing“-Café entstanden, in dem die geretteten Lebensmittel direkt verspeist werden können. Darüber hinaus dient die Lokalität als Veranstaltungsstätte, etwa für Konzerte oder Vorträge. Und bei Bildungsworkshops spricht das Team des zugehörigen Vereins Raupe Immersatt mit Jugendlichen über die Problematik der Lebensmittelverschwendung.
Laut Katrin Scherer aus dem Vereinsvorstand hat sich das 2019 gegründete Café zu einer „Anlaufstelle im Stadtteil“ entwickelt. „Manche Gäste schauen mehrmals täglich vorbei oder kommen morgens zum Kaffeetrinken und Zeitunglesen“, erzählt sie.
„Anlaufstelle im Stadtteil“: das Café Raupe Immersatt im Stuttgarter Westen. Foto: IMAGO/Arnulf Hettrich
Commons Kitchen Auch bei der „Commons Kitchen“ in Bad Cannstatt spielt der Gemeinschaftsgedanke eine zentrale Rolle. Immer dienstags ab 17.30 Uhr werden im Kulturzentrum Prisma gerettete und mitgebrachte Lebensmittel gemeinsam gekocht und gegessen. Das Projekt basiert auf der Idee der Gemeingüter (englisch: commons), einem Gegenentwurf zum privaten Eigentum. Bedeutet in Bad Cannstatt: Alles wird geteilt, sowohl das Essen als auch die Arbeit beim Kochen und Spülen.
Die soziale Funktion der Lebensmittelrettung
Harrys Bude 2020 ins Leben gerufen, hat sich Harrys Bude inzwischen zu einer Stuttgarter Institution entwickelt. Namensgeber Harry Pfau und zahlreiche Ehrenamtliche sammeln systematisch gerettete beziehungsweise gespendete Lebensmittel, um sie dann Bedürftigen zukommen zu lassen. Ausgabeort ist ein Container bei der Kirche St. Maria in der Innenstadt. Insgesamt hat das Team von Harrys Bude dort bislang mehr als 800 Tonnen Lebensmittel an Menschen in Not verteilt. Die Essensgüter werden außerdem bei Speisungen über die Initiative Suppoptimal der Stuttgarter Bürgerstiftung verwendet.
Die Tafeln Wenn es um Lebensmittelrettung geht, sind die Tafelläden aus den deutschen Städten längst nicht mehr wegzudenken. Seit gut 30 Jahren nehmen die gemeinnützigen Einrichtungen gespendetes Essen entgegen und geben es an Bedürftige aus. Im Stuttgarter Stadtgebiet betreibt die Schwäbische Tafel folgende drei Läden, die jeweils montags bis freitags von 10 bis 15 Uhr geöffnet sind:
- Tafel Stuttgart, Hauptstätter Straße 75
- Tafel Bad Cannstatt, Steinhaldenstraße 167
- Tafel Möhringen, Plieninger Straße 2