(oli) Welche Investitionen in die Infrastruktur vor Ort in Viersen sind dringend erforderlich? Wo gibt es in der Viersener Innenstadt Handlungsbedarf? Wie steht es um das Viersener Gewerbeflächenangebot? Was erwarten die Unternehmen von ihrer Kommune? „Wir mischen uns ein“, sagt der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein, Jürgen Steinmetz. Denn um diese genannten Fragen geht es bei den Kommunalpolitischen Positionen, die die IHK anlässlich der Kommunalwahl im September unter anderem für die Stadt Viersen veröffentlicht hat.
„Angesichts der strukturellen Herausforderungen für den Wirtschaftsstandort Deutschland brauchen wir Kommunen, die wirtschaftsfreundlich denken und handeln. Sie sollten Unternehmen vor Ort bestmögliche Rahmenbedingungen für Wachstum, Innovation und Beschäftigung bieten“, betont Jürgen Steinmetz. Gemeinsam mit ihren Mitgliedsunternehmen hat die IHK ein wirtschaftspolitisches Handlungsprogramm erarbeitet, das konkrete Empfehlungen für jede Kommune im IHK-Bezirk nennt – darunter eben auch Viersen.
„Die Wirtschaftsdaten für Viersen sind ambivalent“, erklärt Steinmetz mit Blick auf das regionalökonomische Kurzprofil, das Teil des Positionspapiers ist. Die Arbeitslosigkeit sei in Viersen im Kreisvergleich hoch, habe sich aber deutlich besser entwickelt als in NRW. Die einzelhandelsrelevante Kaufkraft pro Kopf ist niedriger als der Referenzwert für Deutschland und NRW.
Die Zentralitätskennziffer zeigt allerdings, dass es dem Standort gelingt, Kaufkraft von außen anzuziehen – trotz der Konkurrenz sogenannter Oberzentren, wie im Falle von Viersen Mönchengladbach oder Krefeld. Eine hohe Zentralitätskennziffer bedeutet, dass der Standort sehr gut erreichbar ist und somit potenziell mehr wirtschaftliche Vorteile bietet, wie etwa eine bessere Erreichbarkeit für den Handel oder eine größere Attraktivität für Unternehmen und Arbeitskräfte.
Die Beschäftigung ist in den vergangenen zehn Jahren geringfügig über NRW-Schnitt gestiegen, liegt aber jetzt unter dem Wert von 2022. Die Gewerbesteueraufbringungskraft lag in den vergangenen Jahren meist über dem Kreisdurchschnitt – derzeit allerdings nicht. Die Gewerbesteueraufbringkraft beschreibt, wie viel Gewerbesteuer die Gemeinde aus den ansässigen Unternehmen und Betrieben einnimmt, was wiederum die finanzielle Leistungsfähigkeit der Gemeinde beeinflusst.
„Angesichts der Rahmendaten sollte das Thema Wirtschaftspolitik in der kommenden Wahlperiode eine größere Rolle spielen“, fordert Steinmetz. Zum einen sollte die Stadt weniger Steuern erheben. Das betrifft den Gewerbesteuerhebesatz ebenso wie den Grundsteuerhebesatz. Viersen hat das Modell eines differenzierten Hebesatzes gewählt. Nicht-Wohngebäude werden höher besteuert als Wohngebäude. Damit muss die Wirtschaft – gemessen am Grundstückswert – höhere Grundsteuern zahlen. „Dies sollte rückgängig gemacht werden. Viersen sollte einen einheitlichen Grundsteuerhebesatz erheben“, empfiehlt Steinmetz.
Auch die Gewerbeflächenpolitik sollte die Stadt nach Ansicht der IHK forcieren. Für Gewerbe und Industrie stehen in Viersen Flächen nur noch in begrenztem Umfang zur Verfügung. Auch im neuen Regionalplan Düsseldorf sind mit Ausnahme des interkommunalen Gewerbegebiets Mönchengladbach/Viersen „Mackenstein“ keine verfügbaren Potenzialflächen enthalten. Die Städte Mönchengladbach und Viersen haben signalisiert, dass eine Entwicklung nicht weiterverfolgt wird. „Wenn die Fläche aufgegeben werden soll, dann muss eine gleichwertige neue Fläche gefunden werden, die perspektivisch entwickelt werden kann“, fordert Steinmetz.
Auch das Thema Mobilität spielt im Positionspapier eine Rolle. Selbst Gewerbeareale, in denen es viele Mitarbeitende gibt, wie zum Beispiel in Viersen-Mackenstein, haben eine schlechte ÖPNV-Anbindung. „Grundsätzlich müssen für Gewerbegebiete vor allem auch im ländlichen Raum adäquate, zukunftssichere Mobilitätsalternativen zum Auto gefunden werden, zum Beispiel On-Demand-Systeme“, sagt Steinmetz. Zudem wünschten sich die Viersener Unternehmen eine Verbesserung der ÖPNV-Taktung. Für den regionalen Pendelverkehr hofft die IHK auf eine Westverlängerung der S28-Trasse über Willich-Neersen und Willich-Schiefbahn bis nach Viersen.
Ein Schwerpunkt des Positionspapiers ist die Zukunft der Innenstadt. In Viersen gibt es parkgebührenfreie Zeiten – etwa samstags und zur Mittagszeit. „Dieses Thema sollte viel besser vermarktet werden, weil es ein großer Standortvorteil ist“, sagt Steinmetz. Auch mit dem Thema Sauberkeit sollte sich die Stadt noch intensiver als bisher befassen. Die Unternehmen kritisieren insbesondere Taubenkot in der Innenstadt, verschmutzte Grünanlagen rund um den Remigiusbrunnen und eine generell schlechte Pflege von Pflanzen.
Die Grundlage für das Positionspapier waren Workshops mit Unternehmerinnen und Unternehmern und ein offenes Online-Beteiligungsverfahren. „Das Ergebnis ist ein praxisnahes Programm, das kommunalpolitischen Entscheidungsträgern konkrete Anhaltspunkte liefert, wie sie den Standort Viersen zukunftssicher aufstellen können“, fasst Steinmetz zusammen.