Wie soll man das Unsagbare in Worte fassen? Wie können Trauer über den Tod eines Menschen und Freude über unerwartet große Anteilnahme nebeneinander stehen? Der Korntal-Münchinger Bürgermeister Alexander Noak rang am Mittwochabend sichtlich um die richtigen Worte, als er Angelo Di Pasqua einen Scheck über genau 50 262 Euro überreichte.

Dessen Vater, Francesco Di Pasqua, war bei einem Feuerwehreinsatz wegen Unwetters im Jahr 2009 in Münchingen ums Leben gekommen. Mit Kameraden hatte er in Münchingen den mit Wasser vollgelaufenen Keller eines Wohnhauses leerpumpen wollen, als er einen tödlichen Stromschlag erlitt. Der 33-Jährige Francesco Di Pasqua hinterließ seine hochschwangere Frau und seinen vierjährigen Sohn Angelo. Der Grund für den Stromschlag: Der Hausbesitzer hatte Leitungen fehlerhaft verlegt. Er wurde später zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Zwischen Tragik und Anteilnahme

Schwierig einzuordnen sei dieser Moment, sagte der Bürgermeister Alexander Noak nun über das jetzige Zusammenkommen von Angelo Di Pasqua und dessen Angehörigen sowie Kameraden der Feuerwehr Korntal-Münchingen am Münchinger Feuerwehrhaus. „Der Anlass ist ein ganz tragischer Unfall. Gleichzeitig ist erfreulich, dass die Anteilnahme der Bevölkerung und der Kameraden sehr, sehr groß war und ist.“

Große Anteilnahme 2009 bei der Trauerfeier auf dem Friedhof in Münchingen Foto: factum/Weise

Zur Unterstützung der jungen Familie – Angelo Di Pasquas Bruder wurde etwa einen Monat nach dem Tod des Vaters geboren – wurde damals ein Spendenkonto eingerichtet. Das blieb bis Ende 2010 bestehen. Zu diesem Zeitpunkt waren mehr als 400 Spenden eingegangen, insgesamt 102 344 Euro. Mehr als 12 000 Euro seien damals direkt an die Witwe ausbezahlt worden, berichtete Noak. Der Hauptanteil, zweimal 45 000 Euro, wurde in Bundesschatzbriefen angelegt. Das Geld, dann mit den erzielten Zinsen, solle mit Erreichen des 20. Lebensjahres an die Söhne ausbezahlt werden. So habe es die Mutter verfügt, erzählten in Münchingen lebende Familienangehörige, die in Begleitung Angelo Di Pasquas zur Scheckübergabe gekommen waren. Am Tag zuvor war er 20 Jahre alt geworden.

Im Juli 2009 war ein massiver Gewitterregen über Korntal-Münchingen niedergegangen. Häuser, Tiefgaragen, Autos wurden geflutet. Die Höhe der Sachschäden beliefen sich auf rund 30 Millionen Euro. Es war landesweit das erste Mal, dass sich eine Gewitterzelle lokal über einem Ort entladen hatte – die Nachbarkommunen waren weitgehend davon verschont geblieben. Die Korntal-Münchinger Feuerwehr selbst hatte mehrere hundert Einsätze binnen weniger Tage.

Notfallseelsorger im Einsatz

Einer von ihnen war damals Thomas Schmidt. Das Erlebte gab bei ihm letztlich den Ausschlag, sich zum Notfallseelsorger ausbilden zu lassen. Heute leitet er die Notfallseelsorge im Landkreis Ludwigsburg. Am Unglückstag 2009 sind diejenigen, die unmittelbar mit Franceso Di Pasqua am Einsatzort waren, zunächst ebenfalls von Notfallseelsorgern betreut worden. Doch die Kameraden blieben im Einsatz. „Am nächsten Tag ging es weiter“, sagt Schmidt. Bis zur Trauerfeier hätten sie einfach „nur funktioniert“.

Die Trauerfeier rund eine Woche später blieb nicht nur ihm im Gedächtnis. Abordnungen der verschiedenen Organisationen – von der Feuerwehr über Technisches Hilfswerk THW bis zum Roten Kreuz – waren gekommen, um Francesco Di Pasqua die Ehre zu erweisen. Die Anwesenheit des Ludwigsburger Landrats, des Präsidenten des Deutschen Feuerwehrverbandes und des stellvertretenden Landesbranddirektors machte schon zu diesem Zeitpunkt deutlich, dass das Geschehen weiter wirken könnte.

So kam es dann auch: Zur Ausstattung der Fahrzeuge gehört seitdem ein Fehlerstrom-Schutzschalter, der dann eingesetzt wird, wenn die Feuerwehr einmal nicht auf die eigene Stromquelle zurückgreifen kann. Auch die Politik reagierte – nachdem im Folgejahr abermals ein Starkregen über dem Gebiet niederging. Die Glemsanrainer, unter ihnen Korntal-Münchingen, entwickelten Starkregengefahrenkarten. Die damals landesweit einzigartigen Karten simulieren, wie sich Regenwasser seinen Weg im Gelände bahnt. In der Folge wurden unter anderem Kanäle vergrößert und die Landschaft neu modulliert, um tieferliegende Gebäude zu schützen.

Die Witwe ist bald nach dem Tod ihres Mannes in ihre italiensiche Heimat nahe Turin zurückgegangen. Dort wurde Francesco Di Pasqua beigesetzt, die Kinder wuchsen bei den Großeltern auf. Der Kontakt der Münchinger Wehr zur Familie blieb bestehen, Freundschaften entstanden. Der Kommandant Fabian Kunberger hob daher nun das Gemeinschaftsgefühl ebenso hervor wie das Mitgefühl über die Landesgrenzen hinaus: „Ich möchte betonen, wie sehr mich berührt hat, wie groß die Spendenbereitschaft im Nachgang war.“

Ein Wunsch ist geblieben

Angelo Di Pasqua, der inzwischen 20-Jährige, ist Techniker, er arbeitet in einem Prüflabor – und wollte selbst zunächst auch Feuerwehrmann werden. Doch seine Mutter habe es ihm nicht erlaubt, erzählt er. Der Wunsch blieb, auch nach dem plötzlichen Tod der Mutter vor drei Jahren. Ein neuerlicher Anlauf, die Ausbildung zu machen, scheiterte: Er hat keinen Platz mehr in einem Ausbildungskurs bekommen.