Viele haben ein bestimmtes Bild von Deutschrap: Klunker, schnelle Autos, Beleidigungen, tanzende Frauen und hypermaskuline Männer. Gangster, Gewalt, Gefahr, Geld – nur darum geht es. Doch nun hat der Rapper Apache 207, mit bürgerlichem Namen Volkan Yaman, ein Musikvideo veröffentlicht, das dieses Bild auf den Kopf stellt. Der 27 Jahre alte Rapper, der in Ludwigshafen aufgewachsen ist, nimmt sich mit seinem Song „Mann muss“ das toxische Männlichkeitsbild vor. Er macht das subtil und präzise; dabei hilft seine kraftvolle, leicht kratzige Stimme und der frenetische Sound, eine Mischung aus Pop und Rock der Neunzigerjahre.
Dazu erscheint im Video eine Bilderbuchfamilie: Mutter, Vater, Sohn, Tochter. Sie betreten eine Halle namens „Mann-Heim“ – ein Bootcamp, paramilitärisch angehaucht, wo harte Männer ausgebildet werden. Sie tragen Uniform, werden gedrillt. Es wird geboxt, geschwommen, geschwitzt und gemeinsam im Stehen uriniert. Archaische Maskulinität, bloß keine Schwäche zeigen! Der Kulturwissenschaftler Klaus Theweleit nennt das „Körperpanzer“ – undurchdringlich, eine internalisierte Abwehrhaltung gegenüber Angst und Gefühlen.
Waren wir nicht schon weiter?
Apache bindet die Klischees dazu im Erzählen: „Ich rannte mal in ein brennendes Haus wie ein Feuerwehrmann. Doch alle Beweise dafür, die sind leider verbrannt.“ Sprachbilder: Männer, die mit Haien schwimmen, mit Bären kämpfen, und natürlich der geplatzte Traum vom Profifußballer. „Echte Männer“ benutzen kein Navigationssystem, denn sie kennen jeden Weg. Und nur, wenn sie Zwiebeln schneiden, kämpfen sie mit den Tränen. So wird’s über Generationen weitergegeben: „Ich erzähle meinen Enkeln später, dass es niemand Stärkeren als mich gab. Genauso hat es mir mein Opa damals auch schon von sich gesagt.“ Männer gehen nicht zur Therapie. „Es ist wie ein Fluch. Schon seit Tausenden Jahren, dafür stehen wir mit unserem Namen“ – keine Polemik, keine (Selbst-)Geißelung, die Szenen und die Musik sprechen für sich.
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Am Ende des Videos wird nüchtern festgehalten: „Über 85 Prozent aller Morde in Deutschland werden von Männern begangen. 73 Prozent der Suizide ebenfalls.“ Die Kommentare unter dem Video sind affirmativ, es hat einen Nerv getroffen. Zugleich lautet ein berechtigter Einwand: Waren wir nicht schon weiter?
Vor vier Jahrzehnten hat Herbert Grönemeyer in seinem Lied „Männer“ das dominierende Männlichkeitsbild bereits zerlegt. Apache knüpft daran an, in einem Genre, das Schwäche eigentlich nicht zulässt. Aber Genres können sich entwickeln, wie Menschen. Damit erreicht Apache eine neue Generation von Männern auf der Suche nach Vorbildern. So wie bisher kann’s nicht weitergehen: ein Kernsatz vieler Jugendbewegungen und -kulturen wird da ernst genommen, immerhin.