Der Bonner Fotojournalist Josef „Jupp“ Heinrich Darchinger wäre diese Woche 100 Jahre alt geworden. Fast 50 Jahre lang prägte er durch seine Fotografien das Bild der bundesdeutschen Politik der „Bonner Republik“.
Nach der Volksschule und einer Landwirtschaftslehre wurde der am 6.8.1925 in Bonn geborene Darchinger in den Reichsarbeitsdienst eingezogen, später erfolgte die Einberufung zur Wehrmacht. Nach seiner Flucht aus der Kriegsgefangenschaft kehrte er 1947 in seine Bonner Heimat zurück, wo er eine Ausbildung zum Fotolaboranten begann und sich autodidaktisch mit Fotografie beschäftigte. 1948 heiratete er seine Arbeitskollegin Ruth, die zeitlebens für den reibungslosen Ablauf im Hintergrund des fotografischen Betriebs sorgte. Seine erste Leica mit Wechselobjektiven erwarb er von einem früheren Wehrmachtsfotografen. 1952 begann er als freier Fotojournalist zu arbeiten und bekam Aufträge für SPD- und Gewerkschaftspublikationen. Bald trat er der SPD bei. Nicht zuletzt durch sein Engagement als Bonner Fotokorrespondent für den „Spiegel“ und „Die Zeit“ Mitte der Sechzigerjahre wurde er in den folgenden Jahrzehnten zum Chronisten des politischen Hauptstadtbetriebs, dem „Bundesdorf“. Auch die F.A.Z. belieferte Darchinger schon früh mit seinen Abzügen, und im Laufe der Zeit veröffentlichte die Zeitung über 1000 Fotos mit dem Bildnachweis „Darchinger“.
Unzählige Male begleitete er Bundespräsidenten, Bundeskanzler sowie Kabinettsmitglieder auch auf Auslandsreisen. Er war stilprägend für das hintergründige, erzählende politische Foto in kontrastreichem, streng grafisch gegliedertem Schwarz-Weiß. Die nüchterne Nachrichtenfotografie war nicht seine Sache. Er fotografierte stets nur mit natürlichem Licht; seine Handabzüge wurden in der Dunkelkammer mit hoher Präzision und Könnerschaft hergestellt.
Dank seiner einnehmenden Persönlichkeit – er nannte es selbst seine „Menschenfängermethode“ – schaffte er es, bei Fototerminen auch zu Staatsoberhäuptern und Wirtschaftsbossen Kontakt auf Augenhöhe herzustellen, um aussagekräftige, aber auch einfühlsame Porträts von ihnen aufzunehmen. Dabei entstanden nicht nur von Adenauer und Brandt ikonografische Bilder.
Neben der politischen Fotografie fertigte er auch sogenannte „Themenbilder“ an, in denen er gesellschaftliche Themen und Debatten wie innere Sicherheit, Emanzipation, Energiekrisen und Umweltfragen sowie die frühe Migrationsdebatte dokumentierte.
Eine stilistische Ausnahme war sein farbenfrohes, rührendes Porträt der noch jungen Bundesrepublik Deutschland in den Wirtschaftswunderjahren.
Später stiegen die Söhne Frank und Marc Darchinger ebenfalls als Fotografen in den familiären Betrieb ein. Der Vater zog sich in den Neunzigerjahren mit dem Umzug der Hauptstadt nach Berlin beruflich allmählich zurück. Seine Söhne arbeiteten von nun an in Berlin. 2007 übergab Jupp Darchinger sein Bildarchiv an das Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung. Sein fotografischer Nachlass umfasst rund 1,6 Millionen Negative, 60.000 Positive und 30.000 Dias. 2013 starb Jupp Darchinger in seiner Heimatstadt Bonn.
Die Ausstellung „Jupp Darchinger – Das Auge der Republik“ des Bonner LVR-Landesmuseums in Kooperation mit der Friedrich-Ebert-Stiftung zeigt (bis 14.9.2025) nicht nur Fotografien, sondern auch zahlreiche Originalveröffentlichungen, Kameras und Arbeitsutensilien des großen Fotografen. Außerdem findet am Mittwoch, den 27.8., eine Podiumsdiskussion mit dem Titel „Zwischen Nähe und Distanz: Politischer Bildjournalismus im Wandel“ statt.
Selbstporträt im Spiegel, 1949J.H. Darchinger/Friedrich-Ebert-Stiftung, 6/FJHD017373
Jungen an einem Bonbonautomaten, Bonn, 1955J.H. Darchinger/Friedrich-Ebert-Stiftung, 6/FJHD000057
„Reisebüro Spanien“, Bonn, 1955J.H. Darchinger/Friedrich-Ebert-Stiftung, 6/FJHD000669
Kabinettssitzung im Park des Palais Schaumburg, 6. Juli 1967J.H. Darchinger/Friedrich-Ebert-Stiftung, 6/FOTA076076
Raumpflegerin im Plenarsaal des Deutschen Bundestages, 17. Juni 1971J.H. Darchinger/Friedrich-Ebert-Stiftung, 6/FJHD021221
Ministerin Käte Strobel wirbt für „reines Bier“, ca. 1971J.H. Darchinger/Friedrich-Ebert-Stiftung, 6/FJHD010122
Glasaugen zur Auswahl für die Wachsfigur Helmut Schmidts, 6. Mai 1975J.H. Darchinger/Friedrich-Ebert-Stiftung, 6/FJHD021192
Arbeiterin in der Autoindustrie, ca. 1970-1980J.H. Darchinger/Friedrich-Ebert-Stiftung, 6/FJHD021190
Aktenordner mit dem Haushaltsentwurf der Bundesregierung, 5. Juni 1981J.H. Darchinger/Friedrich-Ebert-Stiftung, 6/FJHD008868
Bayer – Leverkusen, Schichtwechsel; ca. 1980J.H. Darchinger/Friedrich-Ebert-Stiftung, JHD008849
Erich Honecker reicht Helmut Schmidt ein Hustenbonbon, Bahnhof Güstrow, 13. Dezember 1981.J.H. Darchinger/Friedrich-Ebert-Stiftung, 6/FJHD000280
Richard von Weizsäcker mit Familie Barut im Berliner Tiergarten, 21. August 1983J.H. Darchinger/Friedrich-Ebert-Stiftung, 6/FJHD021198
Willy Brandt, SPD-Wahlparteitag in Offenburg, 25.Oktober 1986J.H. Darchinger/Friedrich-Ebert-Stiftung, 6/FJHD019617
Der Copyrightstempel wurde auf die Rückseite Tausender Abzüge gedrückt.dpa
Eine Kamera und ein Akkreditierunsanhänger Darchingers.dpa
Beschriftete Fotokartons in der Bonner Ausstellung.dpa
Ein Presseausweis des Fotografen Jupp Darchinger.dpa