In Chemnitz startet am Sonntag eine große Ausstellung, die unter dem Titel „Angst“ fast 100 Werke von Edvard Munch mit zeitgenössischer Kunst vereint. Die Schau gilt als Highlight im Programm der Europäischen Kulturhauptstadt 2025. Beleuchtet wird darin, wie der norwegische Maler existenziellen Gefühlen wie Angst und Einsamkeit in seiner von Krieg und Krisen geprägten Zeit begegnete – und was seine Kunst gegenwärtig macht.
- In Chemnitz startet am Sonntag eine große Ausstellung, die Werke von Edvard Munch mit zeitgenössischer Kunst vereint.
- Zu sehen sind fast 100 Werke des norwegischen Malers, der 1905 in Sachsen weilte und auch .
- In Dialog treten die Gemälde und Grafiken mit zeitgenössischen Werken, um Angst und Einsamkeit als Tabuthemen auch unsrer Zeit zu beleuchten.
Bei der Fülle an Munch-Werken, den Gemälden und zahlreichen grafischen Arbeiten, fällt es der Besucherinnen und Besuchern vermutlich schwer, einen Favoriten zu benennen. Ganz anders ergeht es da Diana Kopka als Kuratorin der Ausstellung mit 90 Werken des norwegischen Malers und Grafikers Edvard Munch (1863-1944), die am Sonntag als einer der Höhepunkte im europäischen Kulturhauptstadtjahr in den Kunstsammlungen öffnet.
Munch in Chemnitz: Sich selbst und der Angst begegnen
Sein Selbstbildnis von 1895 aus dem Bestand der Kunstsammlungen Chemnitz ist für Kuratorin Diana Kopka der Ursprung: „Sein Gesicht leuchtet aus diesem dunklem Hintergrund. Drunter liegt ein Knochen, oben steht wie eine Grabschrift: ‚Edvard Munch, 1895‘.
Das Selbstporträt von Edvard Munch steht am Anfang der Schau in Chemnitz im Zentrum.
Diana Kopka interpretiert diese Lithografie als modernes Vera Icon, als ein aus der christlichen Tradition stammendes Schweißtuch, das nicht von Menschenhand geschaffen wurde. Nur das hier nicht Jesus Christus abgebildet ist, sondern der Künstler im Alter von gerade 32 Jahren, der sich sowohl seiner Zeitlichkeit, aber auch seiner Überzeitlichkeit bewusst ist.
Zeitgenössische Kunst im Dialog mit Munch
Dieser modernen Ikone sind weitere Selbstbildnisse, auch anderer Künstlerinnen und Künstler, zur Seite gestellt, zum Beispiel Marina Abramovićs Porträt mit Goldener Maske, eine Videoarbeit aus dem Jahr 2010.
Die Video-Arbeit „Golden Mask“ von Marina Abramović entstand 2009.
So beginne die Ausstellung mit dem Titel „Angst“ mit Selbstreflexionen, wie Kopka weiter erklärt. Dies sei der einzige Weg, um über die Angst zu sprechen: „Die Angst können wir nicht als Wir formulieren, sondern nur als Ich-Botschaft: ‚Ich habe Angst, ich zittere, ich bin diffus.'“ Munch sei ein Künstler, „der diese Angst in seinem Leben immer wieder am Selbstbildnis befragt.“ Deswegen beginne die Schau damit.
Lithografie statt Gemälde: „Das Geschrei“ in Mensch und Natur
Gleichzeitig wird der Blick an dieser Stelle aber auch schon in den nächsten Saal gelenkt, in dem die Angst selbst das Thema ist. Es braucht in dem Fall nicht zwingend Munchs weltberühmtes Gemälde „Der Schrei“, denn seine hier gezeigte Schwarz-Weiß-Litografie „Das Geschrei“ von 1895 visualisiert dieses Gefühl ebenso eindrücklich: das diffuse Zittern, sowie die Einsamkeit in der Angst spiegeln sich sowohl in der Figur als auch in der Landschaft wider.
„Das Geschrei“ ist vermutlich das berühmtestes Bild von Munch und existiert in mehreren Versionen.
Warhol und Kunst aus Chemnitz vereint mit Munch
Magisch angezogen wird man zudem von Andy Warhols Reminiszenz an Munch und sein Werk – koloriert hat er es in seinem charakteristischen Pop-Art-Stil. Es sind Dialoge mit zeitgenössischen Werken, wie man sie immer wieder findet in der Ausstellung.
Kopka verweist auf die eigene Sammlung und „wichtige Chemnitzer Positionen“, die im Kontext der Schau zum Kulturhauptstadtjahr bis 2. November 2025 zu entdecken sind. Dazu gehören Werke von Maja Wunsch, Irene Bösch und Georg Dick oder „zwei ganz zarte Arbeiten von Franziska Satorius und Jenny Lee“.
Die Liste lässt sich fortführen: Matthias Morgner, Steffen Vollmer, Osmar, auch sie sind vertreten. Und nicht zu vergessen: die Künstler der „Brücke“, allen voran Karl Schmidt-Rottluff. Edvard Munch weilte 1905 für knapp drei Wochen in Chemnitz als Gast des Textilunternehmers Herbert Eugen Esche, dessen Familie er porträtieren sollte.
Munch und die „Brücke“ in Chemnitz
Ein Jahr später gab es eine erste Ausstellung mit Munchs Werken, die die „Brücke“-Mitglieder sicher gesehen haben. Denn damals strebten die jungen Expressionisten nach internationaler Anerkennung und schrieben auch an Munch, wie Kuratorin Diana Kopka erzählt.
Dass Munch nicht selbst Teil der „Brücke“ geworden sei, führt sie auf seinen körperlichen und seelischen Zusammenbruch zurück. Man habe voneinander gelernt, deutlich werde das beispielsweise beim „Holzschnitt, der im späteren Schaffen Munch eine ganz große Freiheit gibt“. Da ließen sich Verbindungen beide Richtungen erkennen.
Kälte, Melancholie, Einsamkeit
In der Ausstellung „Edvard Munch. Angst“ sind insgesamt rund 140 Werke zu sehen, 90 von Edvard Munch, wobei davon wiederum der größere Teil aus den hauseigenen Sammlungen stammt. Insofern wird noch einmal verdeutlicht, welchen Schatz die Kunstsammlungen Chemnitz bewahren. Gleichzeitig unterstreicht die Schau aber auch die Relevanz Edvard Munchs und seiner Werke für unsere gegenwärtige Zeit, wie Generaldirektorin Florence Thurmes betont.
Edvard Munch (1863–1944) Stjernenatt (Sternennacht), 1901 Öl auf Leinwand MUSEUM FOLKWANG, ESSEN
Auch wenn Munch natürlich sehr stark von seiner eigenen Biografie ausgehe, könne sich jeder in seine Werke „hineinfühlen oder selbst da hinein interpretieren“, auch angesichts eines Krieges mitten in Europa. „Edvard Munch hat ja den Ersten Weltkrieg erlebt, er ist 1944, gegen Ende des Zweiten Weltkrieges gestorben, insofern findet man sehr viele Parallelen, die uns heute immer noch sehr stark beschäftigen.“
Einer der Höhepunkte der Schau ist Munchs Gemälde „Zwei Menschen. Die Einsamen“. 1928 war es für die Städtische Kunstsammlung angekauft worden, musste in der Zeit des Nationalsozialismus aber wieder verkauft werden. Nun ist es, fast 90 Jahre später – als Leihgabe aus den USA – nach Chemnitz zurückgekehrt.
Erwin Olaf (1959–2023) Hope, The Kitchen, 2005 Chromogendruck Studio Erwin Olaf
Einsamkeit ist neben der Angst ein zentrales Thema der Ausstellung, die nicht nur hochkarätige Kunst präsentiert, sondern auch den Wunsch formuliert, Tabuthemen unserer Zeit zur Sprache zu bringen.
Weitere Informationen zur Ausstellung
„Edvard Munch. Angst“
10. August bis 2. November 2025
Kunstsammlungen Chemnitz
Theaterplatz 1
09111 Chemnitz
Öffnungszeiten:
Dienstag und Donnerstag bis Sonntag: 11 bis 18 Uhr
Mittwoch: 11 bis 19:30 Uhr
Eintritt:
14 Euro, ermäßigt 9,50 Euro
Katalog zur Ausstellung:
„Edvard Munch – Angst“
herausgegeben von Kerstin Drechsel, Diana Kopka, Florence Thurmes und Sina Tonn
Hirmer Verlag
336 Seiten, 170 Abbildungen in Farbe
Klappenbroschur
ISBN: 978-3-7774-4648-6
Weitere Informationen auf der Homepage der Kunstsammlungen Chemnitz