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Zum Nachdenken anregen wollen (v.l.) Julian Wittmann, Wolfgang „Gangerl“ Clemens und Thomas Wittmann mit ihrem Film „Ausgsting“, der am 28. August ins Kino kommt. Das Erdinger Publikum der Vorpremiere war begeistert. © Markus Ostermaier
Drei Monate lang haben die Wittmann-Brüder und ihr Filmteam Aussteiger Gangerl auf seinem Boot in Südostasien begleitet. Jetzt kommt die Doku in die Kinos. In Erding war Vorpremiere.
Freiheit – was ist das überhaupt? Wie entflieht man dem hektischen Alltag? Und lebt man dann wirklich sorgenfrei? Diese Fragen stellten sich Julian und Thomas Wittmann. In Indonesien suchten die beiden Filmemacher aus Lengdorf Antworten beim ihrer Einschätzung nach „freiesten Menschen der Welt“: Wolfgang „Gangerl“ Clemens. Was sie bei den dreimonatigen Dreharbeiten mit dem bayerischen Seebären erlebten, sah am Donnerstagabend das Erdinger Publikum der Vorpremiere. Am 28. August kommt „Ausgsting“ in alle Kinos.
Mit dem Schiff durch Südostasien
Den Fans der Wittmann-Brüder dürfte der Filmtitel bekannt vorkommen. „Ausgrissn“ lautete der Name ihres Kinodebüts, der Zündapp-Fahrt nach Las Vegas. Nun folgt „Ausgsting“. Im Fokus stehen nicht die Brüder Julian (32) und Thomas (29). Vielmehr geht es um Gangerl. Der 83-Jährige beschreibt sich selbst als Paradiesjäger, Weltumsegler, Abenteurer und Extremaussteiger. Nach dem Film merkt man – irgendwie trifft das alles zu.
Erstmals auf Gangerl aufmerksam wurden die Wittmanns vor fünf Jahren. Nach einem positiven Kennenlernen wuchs das Interesse an einer Zusammenarbeit. Auch Gangerl war nicht abgeneigt. „Ich habe gemerkt: Das sind Macher“, erzählte er in Erding.
Ursprünglich kommt der gebräunte Mann mit dem ergrauten Vollbart aus Roding in der Oberpfalz. Der Kunstschmied baute sich dort ein Schiff, denn er wollte auswandern. 1988 verkaufte Gangerl seine Besitztümer, um mit seiner damaligen Partnerin ins Abenteuer auf hoher See zu starten. Das System in Deutschland habe ihm schon vor 35 Jahren nicht mehr gefallen, erzählt er im Film. Neid und Hass seien jetzt noch schlimmer geworden. Er ist sich sicher: „In Deutschland würde ich bald sterben, wenn ich hier wieder leben müsste.“
All das hat die Wittmanns fasziniert. Sie begleiteten Gangerl drei Monate lang in Südostasien mit einem zehnköpfigen Filmteam. Thomas agierte als Produzent, Julian übernahm Regie und Drehbuch. Schon beim Drehstart auf Bali merkten sie aber, dass ihr Hauptdarsteller das Segeln alleine gewohnt ist.
Paradebeispiel eines bayerischen Grantlers
Obwohl der weltgewandte Gangerl schon 131 Länder bereist hat, ist er das Paradebeispiel eines bayerischen Grantlers. An Bord schimpft und flucht er oft. Und verheimlicht nicht, dass er manchmal genervt ist vom Filmteam und ihrer Ausstattung. Das Erdinger Publikum brachte er mit seinen kantigen Aussagen oft zum Lachen. Auf Nachfrage aus dem Publikum sagte Gangerl: „Das Schlimmste war die Filmcrew. Das war nicht so einfach, mit so jungen Weicheiern.“
Entstanden ist eine sehr sehenswerte, kurzweilige Dokumentation. Der Film führt bis nach Westpapua mit malerischer Natur und unberührten Inseln. Bereichernd sind Gangerls Archivaufnahmen, die immer wieder eingeblendet werden. Berührend sind die Ausschnitte, die zeigen, was den 83-Jährigen geprägt hat. Wie er zum einsam reisenden Aussteiger wurde.
Herausforderungen gab es für das Filmteam genug – etwa schwere Stürme, die ebenfalls zu sehen sind. Die Reise hat Julian Wittmann, der an Bord anfangs mit Übelkeit zu kämpfen hatte, in Sachen Freiheit die Augen geöffnet. „Hier ist‘s für mich viel schöner als in Indonesien auf dem Boot.“ Er hatte bei den Unwettern ein mulmiges Gefühl, sich aber durch Gangerl stets sicher gefühlt. Dieser meinte, schon viel schlimmere Stürme überlebt zu haben.
Zur Einsamkeit auf dem Schiff gefragt, sagte der Seebär: „Das ist doch wie ein Lottogewinn.“ Das Aussteigen sei jedoch nicht einfach, das wolle er „den Möchtegern-Seglern“ mit dem Film zeigen. An den Ruhestand an Land denkt der 83-Jährige noch nicht. Sein Fitness-Rezept: „Ich starte jeden Tag mit Sport und bin auf dem Schiff andauernd auf Achse und am Reparieren.“ Sein Schiff wartet in Papua-Neuguinea.