In Teilen der Union rumort es heftig wegen des Kurswechsels von Bundeskanzler Friedrich Merz in der Israel-Politik. CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann meldete internen Gesprächsbedarf in der Koalition an. „Die CSU war an dieser Entscheidung nicht beteiligt und wir halten sie für bedenklich. Das wäre eine Abkehr von Jahrzehnten außenpolitischer Kontinuität gegenüber Israel und als solche zumindest erklärungsbedürftig. Wir werden dazu interne Gespräche in der Koalition führen“, sagte er der „Bild“-Zeitung.

Merz hatte am Freitag erklärt, die schwarz-rote Bundesregierung werde keine Rüstungsgüter mehr exportieren, die im Gazastreifen eingesetzt werden könnten. Hintergrund ist, dass Israel seinen Militäreinsatz in dem abgeriegelten Küstengebiet ausweiten und die Stadt Gaza einnehmen will. Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) unterstützt ein Aussetzen der Rüstungsexporte.

Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU) hat am Samstag Vorwürfe zurückgewiesen, die Bundesregierung vollziehe mit dem Stopp bestimmter Rüstungsexporte einen riskanten Kurswechsel in ihrer Israel-Politik. „Es darf überhaupt kein Zweifel daran bestehen, dass die Grundlinien der deutschen Israel-Politik unverändert bleiben“, sagte Frei der Deutschen Presse-Agentur. „Deutschland unterstützt Israel weiter bei allem, was notwendig ist, seine Existenz und seine Sicherheit zu verteidigen.“

Spontane Sitzung mitten in der Sommerpause

Offenkundig ist der Gesprächsbedarf in der Unionsfraktion nun groß. Noch am Sonntag kommen die Außenpolitiker der CDU/CSU-Fraktion zu einer Videositzung zusammen – mitten in der Sommerpause. Die AG Außen werde die aktuelle außenpolitische Entwicklung besprechen, hieß es aus Fraktionskreisen. Zuvor hatte die „Bild“-Zeitung über die Sitzung berichtet. Demnach soll auch der außenpolitische Berater des Kanzlers, Günter Sautter, zugeschaltet werden. 

Unionsfraktion uneins: Von „richtig“ bis zu „Fehlentscheidung“

Generell scheint die Unionsfraktion gespalten. Außenpolitiker Norbert Röttgen sagte der „Rheinischen Post“: „Diese Reaktion ist richtig und durch die jüngsten Entscheidungen der israelischen Regierung leider unausweichlich geworden“. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Carsten Müller dagegen schrieb auf X, er verurteile die Entscheidung der Bundesregierung „aufs Schärfste“. Sie übersehe auch, „wie wichtig die sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit Israel für Deutschland ist, um die Bundeswehr und die Nato zu stärken“. 

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesforschungsministerium, Matthias Hauer (CDU), schrieb ebenfalls auf X: „Ich halte es für einen schweren Fehler und ein verheerendes Signal, dass Deutschland seine Waffenlieferungen an Israel einschränkt.“ Auch die Junge Union hatte die Entscheidung der Regierung kritisiert. Ebenso wie der CSU-Ehrenvorsitzende und langjährige bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer – er sagte der „Bild“: „Das war eine Fehlentscheidung. Dieser außenpolitische Fehler wird lange fortwirken.“

Auch der Fraktionsvorsitzende der CSU im Bayerischen Landtag, Klaus Holetschek, hält die Entscheidung für falsch. „Gerade in herausfordernden Zeiten müssen wir zu unseren Freunden stehen“, teilte Holetschek mit. „Israels Sicherheit ist und bleibt für uns Staatsräson. Die weiß-blaue Freundschaft zwischen Bayern und Israel ist stark und voller Zukunft.“

Deutsch-Israelische Gesellschaft: „Fehlendes politisches Konzept“

Scharfe Kritik kam auch von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. Präsident Volker Beck sagte dem Bayerischen Rundfunk, einerseits formuliere man das Ziel, die Terrororganisation Hamas zu entwaffnen. Auf der anderen Seite entziehe man aber der israelischen Armee, die täglich gegen die Hamas kämpfe, die Waffen. Beck spricht von einem fehlenden politischen Konzept in Berlin.

Israelischer Historiker begrüßt Entscheidung

Der israelische Historiker Moshe Zimmermann begrüßte den Rüstungsexportstopp dagegen. „Die Entscheidung des Bundeskanzlers war schon lange überfällig“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Zwar werde sie kaum eine Wirkung haben, da das israelische Militär vor allem von der eigenen Produktion und der Produktion der Amerikaner abhängig sei. „Trotzdem muss man hier ein Zeichen setzen. Die deutsche Regierung signalisiert etwas. Und das ist schon ein Wert an sich“, sagte der emeritierte Professor für Neuere Geschichte an der Hebräischen Universität Jerusalem.

Israel will Militäreinsatz im Gazastreifen ausdehnen

Israel hatte am Freitag angekündigt, seinen Militäreinsatz im Gazastreifen auszuweiten: Nach stundenlangen Beratungen beschloss das israelische Sicherheitskabinett die Einnahme der Stadt Gaza. Dies stieß im eigenen Land, darunter auch bei Angehörigen der in der Gewalt der Terrororganisation Hamas befindlichen Geiseln, zum Teil auf heftige Ablehnung.

Die Bundesregierung reagierte mit Maßnahmen gegen den Partner und vollzog damit einen Kurswechsel. Bundeskanzler Merz kündigte an, dass vorerst keine Ausfuhren von Rüstungsgütern genehmigt würden, die in diesem Krieg verwendet werden könnten.

Mit Informationen von dpa und Reuters