Zahlreiche Expert*innen aus Industrie, Forschung und Politik trafen sich am 26. Juni beim »Textil Innovativ«-Kongress im Innovationspark Augsburg. Dieses Jahr stand die Kreislaufwirtschaft im Fokus des von Bayern Innovativ organisierten Branchen-Events.
Ruhmreiche Textilhistorie weiterspinnen
Über 200 Jahre lang genoss die Augsburger Textilindustrie weltweites Renommee – daraus entstehen heute nachhaltige Anknüpfungspunkte. In Kooperation mit der Technischen Hochschule Augsburg (THA), dem Institut für Textiltechnik Augsburg (ITA) sowie dem Verband der Bayerischen Textil- und Bekleidungsindustrie (VTB) gelang es erneut, den Faden weiterzuspinnen.
Gelegenheit zum lockeren Netzwerken gab es bereits am Vorabend in der früheren Kammgarnspinnerei, die unter anderem das Staatliche Textil- und Industriemuseum Augsburg (tim) samt Gastronomie beherbergt. Mehr als reichlich Stoff aus erster Hand bot dann der Veranstaltungstag mit seinem breiten Spektrum neuester Recycling-Technologien, Datenverarbeitungs- und Produktionsprozesse sowie Nachhaltigkeitsstrategien – bis hin zur gesellschaftlichen Bedeutung sogenannter Faser-zu-Faser-Verfahren.
Textile Nachhaltigkeit made in Augsburg
Welches enorme Potenzial im Textilrecycling steckt, weiß längst nicht nur Dr.-Ing. Stefan Schlichter, Professor an der Fakultät für Maschinenbau und Verfahrenstechnik der THA sowie Sprecher der Innovationscommunity Circular Textiles (CirTex).
Das staatlich geförderte Projekt zielt auf eine ganzheitliche Entwicklung eines textilen Materialkreislaufs ab, der auf vier Säulen der Nachhaltigkeit basiert und somit Politik, Wirtschaft, Wissenschaft sowie Gesellschaft einschließt. Die weltweite Recyclingquote bei Altkleidern liegt derzeit bei gerade einmal einem Prozent – doch laut Prof. Schlichter könnte Augsburg zur Modellregion für modernste textile Nachhaltigkeit avancieren. Das Tagungsformat »Textil Innovativ« schätzt er insbesondere als hochwertige Innovations- und Vernetzungsplattform. Der Strukturwandel präge die Zusammenarbeit mit Stakeholdern aus der Textilindustrie und biete Handlungsperspektiven – besonders in den Bereichen Nachhaltigkeit, zirkuläre Wirtschaft sowie Künstliche Intelligenz. Hier seien Fachkongresse weiterhin gefragt – die Teilnehmenden erwarteten allerdings zunehmend interaktive und innovative Kommunikationsformate.
Innovationsforum mit großer Themenvielfalt
Prof. Dr.-Ing. Mesut Cetin leitet das ITA – ein 2014 gegründetes, international anerkanntes Forschungs- und Transferzentrum im Bereich Hochleistungswerkstoffe, Digitalisierung und Textilrecycling. In enger Zusammenarbeit mit der THA entstand hier auch das »Recycling Atelier«, eine weltweit erste Modell- und Lernfabrik für mechanisches Textilrecycling. Diese verzahnt Forschung mit industrieller Praxis entlang der gesamten Kreislaufkette – von Sortierung über Zerfasern bis zur Neuproduktion. Der einzigartige Ort bietet eine umfassende Plattform für Innovation, Wissens- und Technologietransfer im Bereich der zirkulären Textilwirtschaft.
Die Konzentration auf den Standort Bayern hält Cetin für besonders wichtig, um in öffentlich geförderten Projekten technische Herausforderungen zu lösen. – »Wir merken, dass die Unternehmen die notwendige Transformation in die zirkuläre Kreislaufwirtschaft beschäftigt«, erläutert der engagierte »Textil Innovativ«-Forschungspartner. Gesetzesnovellen im Zuge des »Green Deal« beträfen praktisch die gesamte Branche. Dem steigenden Druck begegne der Kongress als echtes Innovationsforum mit großer Themenvielfalt – von neuartigen Ansätzen kleiner Unternehmen bis hin zu den Strategien großer Konzerne. Gezielt greife »Textil Innovativ« aktuelle Themen und Herausforderungen der Branche auf und biete den Expert*innen Austauschmöglichkeiten in organisierter, zugleich familiärer Atmosphäre: »Hier entstehen wertvolle Impulse, Kooperationen und Lösungen, die den Unternehmen helfen, den steigenden Anforderungen des Marktes erfolgreich zu begegnen.«
Motivierend und zukunftsweisend
Drastische Veränderungen spürt die Textilindustrie längst: – »Wir beobachten mit Sorge, wie immer mehr Unternehmen – auch im näheren Umfeld – aufgeben oder insolvent gehen«, berichten Leni Rohleder und Melanie Peter. Als Vortragende bei »Textil Innovativ« repräsentierten sie den Heimtextilhersteller Rohleder GmbH mit dessen Forschungsprojekt »RecyTube«. Rohleder produziert seit fast 80 Jahren ausschließlich am Stammsitz im oberfränkischen Konradsreuth. Dank der Kombination aus hochwertigem Design, langlebiger Qualität und außergewöhnlicher Fertigungstiefe hält die Spezialfirma hier ihre Stellung. Dabei legt das Team auch großen Wert auf sein Netzwerk innerhalb der Branche. Hier spüre man mittlerweile mehr Bereitschaft zur Kooperation, stellt Designerin Melanie Peter fest. Sie nahm dieses Jahr erstmals an »Textil Innovativ« teil und empfand das Format als sehr bereichernd: »Gerade weil nur noch wenige Unternehmen in der Branche aktiv sind, gewinnt der Austausch an Relevanz. Das Verständnis wächst: Nur gemeinsam können wir den Standort Deutschland erhalten.«
Peter und Rohleder schätzten das motivierende, zukunftsweisende Klima der Augsburger Fachtagung. Sie sehen hier großes Potenzial: »Veranstaltungen wie ›Textil Innovativ‹ können eine wichtige Rolle dabei spielen, die Branche als Einheit sichtbarer zu machen – nicht zuletzt auch gegenüber der Politik. Noch entscheidender ist jedoch, dass unsere Bedürfnisse auch wirklich gehört werden. Das Format kann uns helfen, gemeinsame Positionen zu entwickeln und gezielter zu kommunizieren.«
Begleitend zum Vortrags- und Diskussionsprogramm fand eine Fachausstellung statt, organisiert von Kongress am Park Augsburg sowie dem Institut für Materialwissenschaften der Hochschule Hof (ifm). Veranstalter Bayern Innovativ lobte den diesjährigen »Textil Innovativ«-Kongress als vollen Erfolg. Dessen roter Faden dürfte langfristig mit dem Standort Augsburg verknüpft bleiben.
www.bayern-innovativ.de/detail/textil-innovativ-2025/
www.kongress-augsburg.de/textilkampagne
www.circulartextiles.de
www.ita-augsburg.com