Publiziert6. August 2025, 16:18
Erster Mister Gay: «Kein Kind soll sich je so allein fühlen wie ich»
Aufgewachsen mit Scham und Ausgrenzung, kämpft Michael (31) aus Zermatt heute für queere Kinder – und gewinnt damit als Erster aus der Schweiz den Titel Mister Gay Europe 2025.
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Michael Esteves Pereira (31) aus Zermatt wurde zum Mister Gay Europe 2025 gewählt.
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Als Kind fühlte er sich oft allein und wurde gemobbt.
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Mit seinem Projekt «Safe to Grow» will er für LGBTQIA+ Kinder und Jugendliche für Schutz vor Ausgrenzung sorgen.
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Er plant Workshops im Gesundheitswesen und will ein Unterstützungsnetzwerk aufbauen.
Michael Esteves Pereira (31) wurde vergangenes Wochenende in Amsterdam zum Mister Gay Europe 2025 gewählt und holt damit erstmals den Titel in die Schweiz. Dieser wird seit Jahren an schwule Männer vergeben, die sich als queere Botschafter für mehr Sichtbarkeit, Aufklärung und Inklusion einsetzen. Dass Michael auf seine Identität stolz ist, war nicht immer so.
«Ich wollte meinen Mobbern nicht recht geben»
Michael wächst in Zermatt auf: «Ein kleines Dorf, wo jeder jeden kennt. Ich merkte früh, dass ich irgendwie anders bin – zum Beispiel, wenn ich am Kiosk das Bravo-Heftli durchblätterte und mich eher die nackten Männer bei der Rubrik Dr. Sommer interessierten.» Das spürte auch sein Umfeld. «Ich wurde lange gemobbt, ausgegrenzt. Ich hatte niemanden, mit dem ich reden konnte. Keine engen Freundschaften. Ich fühlte mich ständig allein», erzählt der gebürtige Portugiese offen.
Früher gemobbt und ausgegrenzt, setzt sich Michael heute für queere Kinder und Jugendliche ein – und will ihnen mit seinem Projekt «Safe to Grow» geben, was ihm selbst gefehlt hat.
Privat
Zum Gefühl der Isolation kam die Scham. «Ich hab mich selbst verurteilt. Ich hatte Angst, dass man mich nicht mehr liebt, wenn ich so bin, wie ich bin.» Gleichzeitig wollte er seinen Mobbern nicht recht geben. «Ich dachte: Wenn ich zugebe, dass ich schwul bin, haben sie gewonnen.»
Erst mit dem Wechsel von der Oberstufe in die Kanti änderte sich etwas. «Ich hab zuerst versucht, der Casanova zu sein – nicht der Aussenseiter. Aber dann merkte ich: Diese Klasse ist anders – reifer, offener.» Auf einer Schulfeier brach es schliesslich aus ihm heraus. «In einem Moment spürte ich so viel Liebe und hab es einfach gesagt. Plötzlich war alles leichter.»
«Kein klassischer Schönheitswettbewerb»
Der Schmerz seiner Kindheit wurde über die Jahre zum Antrieb – anderen das zu geben, was ihm selbst gefehlt hat: ein Vorbild. Und so wurde auch sein Interesse an Mister Gay Europe geweckt. «Letztes Jahr bin ich auf Social Media darüber gestolpert. Zuerst dachte ich, das sei ein Schönheitswettbewerb – und war eher abgeneigt.» Doch je mehr er sich damit beschäftigte, desto klarer wurde ihm: «Es geht nicht nur um Äusserlichkeiten, sondern darum, echten Impact in der Community zu leisten.»
Weil es in der Schweiz keine nationale Vorausscheidung gibt, bewarb sich Michael direkt bei der europäischen Jury – und wurde als einer von zwölf Finalisten nach Amsterdam eingeladen. «Dort stellten wir uns vier Tage lang verschiedenen Challenges. Klar, es gab auch Fotoshootings – im Anzug und in Unterwäsche. Aber im Zentrum stand unsere Haltung: Wie würde ich als queerer Botschafter wirken?»
Mit seiner Offenheit und seinem Herzensprojekt «Safe to Grow» überzeugte Michael die Jury – und holte als erster Schweizer überhaupt den Titel Mister Gay Europe.
«Kein Kind soll sich je so allein fühlen wie ich»
«Es geht bei ‹Safe to Grow› darum, LGBTQIA+ Kinder und Jugendliche vor Ausgrenzung zu schützen und dafür zu sorgen, dass sie ohne Scham und mit Stolz aufwachsen können», erklärt Michael. Denn als Assistenzarzt am Kinderspital Zürich erlebe er täglich, wie wichtig sensibilisierte Fachpersonen sind. «Viele sind überfordert, wenn jemand zum Beispiel männliche Merkmale hat, sich aber mit weiblichen Pronomen vorstellt.»
Sein Ziel: Workshops im Gesundheitswesen und ein breites Netzwerk an Unterstützenden aufbauen. Doch er merke auch, dass sein Vorhaben nicht einfach ist.«Ich habe in der Schweiz an viele Türen geklopft. Viele fanden die Idee eigentlich gut – aber sagten auch: ‹Du bist zu klein› oder ‹Es betrifft nur eine Minderheit›. Das hatte mich schon verunsichert und es kam wieder der kleine, verletzte Michael von früher zum Vorschein.» Ein Aufgeben komme trotzdem nicht infrage: «Ich erinnerte mich, wie ich damals durch meine innere Willensstärke zu mir selbst gefunden habe. Also kämpfte ich weiter.» Denn er wolle der Mensch sein, den er selbst früher gebraucht hätte: «Jemand, der mir sagt, du bist nicht allein. Such nach den Leuten, die dich so akzeptieren und lieben, wie du bist.»
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