Das mittlerweile neunte Studioalbum der Post-Grunger von PUDDLE OF MUDD präsentiert den klassischen Sound der frühen Zweitausender. Alt, aber nicht verstaubt.

Man bleibt sich treu

Die Zeit ist ein verächtliches Ding. Vor zwanzig Jahren sang jeder Teenager auf dem Hof noch laut mit, während aus den Kopfhörern „She Hates Me“ lief. Heute herrscht allgemeine Verwunderung darüber, dass PUDDLE OF MUDD überhaupt noch existieren. Wie ewig Junggebliebene halten sie das Banner der Gitarrenmusik empor, ohne sich Trends und modernen Vermarktungskonzepten anzubiedern – damit erreichen sie zumindest fünfeinhalb Millionen Hörer auf den großen Streamingseiten. Mit neun Songs präsentiert „Kiss The Machine“ kompromisslosen Post-Grunge und dreht dabei die Zeit zurück, zumindest akustisch.

„Kiss The Machine“ – wenn ein Albumtitel zur Lebenseinstellung wird

Das Album rockt und die Jungs (oder inzwischen Männer) haben es noch immer drauf. Schon beim ersten Song „Beautimous“ kommt kein Grunge-Fan um ein feistes Grinsen herum. Rockige Riffs, treibende Drums und ein noch immer jung klingender Wes Scantlin verschaffen der Platte einen fulminanten Start. Das allein ist angesichts vergangener Eskapaden der Band beeindruckend. „Kiss The Machine“ strotzt vor Energie und lädt zum Mitsingen ein. Jeder, der den Refrain von „In Love With A Dancer“ nicht mitsingt, sollte Misstrauen wecken. Das Album bietet bissige Texte mit verzweifeltem Unterton, eingehüllt in ein Gewand aus Partymusik. Wer es groovig will, darf sich mit „Back Against The Wall“ auf den abgehackten Aufbau der Strophen stürzen. Schwermütig? Ja, aber gewiss nicht antriebslos. PUDDLE OF MUDD küssen die Maschine, die sie kritisieren, und das ist eine interessante Herangehensweise.

Sind PUDDLE OF MUDD doch erwachsen geworden?

Jein. Musikalisch sollten Hörer:innen keine großen Kompositionen erwarten. Kein Song ist länger als nötig und auch Soli, Chöre sowie andere Stilmittel erwachsener Rockmusik fehlen. Die Band macht das, was sie schon Ende der Neunziger angeschoben hat: Grunge mit Garagenfeeling und naiv wirkender Professionalität. Das erscheint merkwürdig und repetitiv, aber auch glaubhaft. Und das ist es, was der amerikanischen Musikindustrie heutzutage fehlt. PUDDLE OF MUDD liefern, was man von ihnen erwartet – und das mit erhobenem Mittelfinger.