Im Fokus steht die Entscheidung von Kanzler Merz, Waffenlieferungen an Israel zu stoppen. Zunächst aber zum erwarteten Gipfeltreffen der Präsidenten Trump und Putin. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG ist skeptisch, was das Treffen und die Absichten des US-Präsidenten angeht: „Trump ist ein Blender. Vielleicht will er nur einen Potemkinschen Frieden – einen, der nicht länger halten muss als bis zu den nächsten Zwischenwahlen in Amerika. So ein Scheinfriede würde zwar das Töten unterbrechen und ein paar Geschäfte möglich machen, aber er wäre zerbrechlich, denn er würde keine dauerhafte Unterstützung der Ukraine und keine Garantien für den Fall eines neuen russischen Angriffs vorsehen. Deutschland und Europa kämen dadurch in Gefahr. Putins Waffenschmieden laufen auf Hochtouren. Wenn ihre Produkte nicht gleich nach Lieferung in der Ukraine verbrennen, wenn nicht mehr jeden Tag tausend russische Soldaten sterben oder verwundet werden, kann er in wenigen Jahren eine Streitmacht sammeln, der keiner etwas entgegensetzen kann, der nicht vorgesorgt hat“, fürchtet die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG.
Die norwegische Zeitung VERDENS GANG meint: „Trump hätte wenigstens verlangen müssen, dass der russische und der ukrainische Präsident in Alaska aufeinander treffen. Weiter redet der US-Präsident davon, dass es einen gewissen Gebietsaustausch geben soll. Es fällt schwer zu erkennen, wie das für die Ukraine etwas Positives mit sich bringen soll. Auf jeden Fall würde es wohl bedeuten, dass Kiew auf Gebiete verzichten muss, die zur Ukraine gehörten, bis Russland 2014 zum Krieg überging. Für Putin ist es ein Propagandasieg, dass er Trump ohne Selenskyj treffen darf und ohne irgendwelche Zugeständnisse gemacht zu haben. Der Kreml-Herrscher hat bekommen, was er will. Wieder einmal. Aber was er verlangt, ist in der Praxis eine vollständige Kapitulation. Insofern ist es fast sinnlos, überhaupt von Friedensgesprächen zu reden“, urteilt VERDENS GANG aus Oslo.
Die britische Zeitung THE INDEPENDENT formuliert höflich: „Wir können nicht in das Herz von Herrn Trump sehen, daher können wir nicht sagen, ob seine Beschwichtigungspolitik gegenüber Herrn Putin ein diplomatischer Schachzug ist, um dem russischen Präsidenten einen gesichtswahrenden Deal zu ermöglichen. Oder ob jene Beschwichtigungspolitik aus echter Bewunderung für einen starken Führer resultiert. Aber Herrn Trumps Motive spielen keine Rolle – außer dass er, wenn er wirklich so sehr auf den Friedensnobelpreis fixiert ist, wie man sagt, diesen Preis wohl kaum gewinnen wird, indem er den Frieden durch die Kapitulation der Ukraine sichert“, unterstreicht der INDEPENDENT, der in London erscheint.
Das österreichische Blatt DIE PRESSE AM SONNTAG sieht die Dinge so: „Es ist dem US-Präsidenten hoch anzurechnen, dass er sich für den Frieden einsetzt. Wie nachhaltig sein Engagement ist, muss sich erst weisen. Doch mit seiner unorthodoxen Herangehensweise erzielte er zuletzt eine Reihe erstaunlicher Erfolge. Trump wird nicht müde, darauf hinzuweisen. Er will den Friedensnobelpreis. Warum auch nicht? Das ist ein nobles Ziel. Am Freitag brachte der US-Präsident die Staatschefs der Erzfeinde Armenien und Aserbaidschan an einen Tisch im Weißen Haus. Im Juni unterzeichneten ebendort die Außenminister Ruandas und Kongos einen Friedensvertrag. Zuletzt entschärften die Amerikaner mit Zollanreizen den Grenzkonflikt zwischen Thailand und Kambodscha. Und im Mai halfen sie mit, eine Eskalation zwischen Pakistan und Indien zu verhindern. Putin aber ist, ebenso wie Israels Premier, Benjamin Netanjahu, ein anderes Kaliber. Der russische Präsident spielt offenkundig auf Zeit. Er will mit Trump reden und zugleich weiter Krieg führen. Denn militärisch ist Russland in der Ukraine am Drücker. Den Schlitten, in dem Putin mit Trump durch Alaska fahren will, haben seine diplomatischen Ingenieure schon aufgestellt“, ist in der PRESSE AM SONNTAG aus Wien zu lesen.
Die NZZ AM SONNTAG aus der Schweiz geht bei der Beurteilung der Machtposition des US-Präsidenten auf dessen Zollpolitik ein: „Die US-Firmen haben sich lange Zeit zurückgehalten, ihre Preise zu erhöhen. Sie hatten noch zollfrei eingekaufte Waren auf Lager. Doch in den kommenden Wochen dürften sie ihre Preise anheben. Die Wähler werden not amused sein. Viele hatten Trump just deshalb ihre Stimme gegeben, weil ihre Kaufkraft in den vergangenen Jahren unter Druck geraten war. Das sind keine guten Aussichten für die Republikaner. In den Zwischenwahlen nächstes Jahr könnten sie ihre Mehrheit im Kongress verlieren. Damit wäre es auch zu Ende mit der fast uneingeschränkten Macht Trumps“, prognostiziert die Sonntagsausgabe der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG.
Nun zu der Entscheidung von Bundeskanzler Merz, Waffenlieferungen an Israel zu stoppen. Die WELT AM SONNTAG reiht sich in die Schar der Kritiker ein. Der Schritt des CDU-Chefs werde – Zitat „als Bruch mit der deutschen Staatsräson in die Geschichtsbücher eingehen. Trotz des von Merz beschworenen Rechts Israels, sich selbst zu verteidigen, enthält er dem Verbündeten nun die Mittel vor, um genau das zu tun. Die Bundesregierung macht sich der unterlassenen Hilfeleistung schuldig und stärkt damit indirekt die Hamas. Begründet wird die Entscheidung mit der Ankündigung von Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu, den Militäreinsatz im Gazastreifen auszuweiten. Die Armee soll die Kontrollle über die Stadt Gaza übernehmen“, notiert die WELT AM SONNTAG und mutmaßt: „Es drängt sich der Verdacht auf, dass der Kanzler Netanjahus Plan nur zum Anlass nimmt, um sich innenpolitisch Luft zu verschaffen. Schon lange drängt der Koalitionspartner SPD auf eine härtere Gangart gegenüber Israel.“
Die ebenfalls im Axel-Springer-Verlag erscheinende BILD AM SONNTAG titelt: „Merzinfarkt!“ Das Blatt geht in seinem Kommentar auf die Zweifel an der Glaubwürdigkeit des CDU-Vorsitzenden ein: „Dass ein Kanzler in einem Alleingang den Identitätskern einer gesamten Partei abräumt und sich wortlos in den Urlaub verabschiedet, zeigt einfach nur, wie wenig Respekt er vor den Abgeordneten hat, die ihn ins Amt gewählt haben. Als Merz sein erstes Wahlversprechen brach und für Rekordschuldsen votierte, erklärte er anschließend, er haben einen ‚Kredit‘ auf ‚meine persönliche Glaubwürdigkeit‘ aufgenommen. Bleibt man bei Merz‘ Bild und sieht die CDU als Bank, dann dürfte sie ihn bald als Kreditausfall verbuchen“, so die BILD AM SONNTAG.
DER SPIEGEL hingegen vertritt in seiner Online-Ausgabe eine andere Position und nimmt sich die Argumente der Merz-Kritiker vor: „Das Leid der palästinensischen Zivilisten haben jene Politiker täglich kleingeredet, sie haben Kritik am israelischen Vorgehen pauschal zu ‚Hamas-Propaganda‘ erklärt und entmenschlichende Sprache zum politischen Mainstream werden lassen. Besonders deutlich wird das an der Aussage des Chefs der Jungen Union, Johannes Winkel, der Merz’ Entscheidung mit den Worten kommentierte: ‚Israel macht ab heute die Drecksarbeit für uns, nur ohne deutsche Waffen.‘ Die zu Recht kritisierte Aussage des Kanzlers, Israel mache ‚für uns die Drecksarbeit‘, bezog sich auf dessen Angriffe auf das iranische Atomprogramm – doch Winkel nutzte sie nun, um die völlig entgrenzte Kriegsführung Israels in Gaza zu glorifizieren. In den vergangenen anderthalb Jahren war diese Praxis in Deutschland politischer Alltag. Viele deutsche Politiker, gerade auch in der Union, haben die bedingungslose Unterstützung Israels so ideologisch überhöht und zum Teil der eigenen Identität gemacht, dass die grausame Realität in Gaza keine Rolle spielen durfte. Anders als viele seiner Parteikollegen hat Merz nun offenbar eingesehen, dass ein Kurswechsel im Verhältnis zu dieser israelischen Regierung bitter nötig ist.“ Mit dieser Ansicht des SPIEGEL endet die Presseschau.