Team Holcim-PRBs Skipperin Rosalin Kuiper berichtet in ihrem Race Blog für YACHT online regelmäßig vom Ocean Race Europe. Der Start zum Europa-Rennen steht unmittelbar bevor. Der Startschuss fällt heute am Sonntag um 15.50 Uhr in der Strander Bucht. Im Race Blog schwärmt die Niederländerin von der Stimmung im Kieler Starthafen und blickt auf Herausforderung von Etappe eins.
Von Rosalin Kuiper
Ich habe die Zeit in Kiel mit den Leuten hier wirklich genossen. Es war superschön! Es fühlt sich jetzt wirklich ein bisschen so an, als würden wir von zu Hause aus starten, da wir so nah an den Niederlanden dran sind. Der Vibe hier in Kiel ist großartig. Die Fans sind hingebungsvoll und enthusiastisch. Das mag ich wirklich sehr.
Die Kieler Förde und der Hafen hier atmen einfach maritim.” Rosalin Kuiper
Gleichzeitig haben wir uns auch auf die erste Etappe fokussiert. Wenn ich sie mir so ansehe, dann denke ich, dass diese erste Etappe den Ton setzen wird. Sie wird sehr fordernd sein, insbesondere in den ersten 24 Stunden in der Ostsee und rund Skagen. Die werden intensiv. Viel Schlaf werden wir nicht bekommen. Es geht im Reaching vom Start weg. Das erste Wertungstor kommt extrem schnell. Es wird also von Beginn an “Push, push, push” heißen. Dann geht es am Wind weiter. Und es kommen auch sehr interessante Übergangsphasen in der Nordsee.
Mir gefällt die Intensität dieses Rennens. Ich habe starke Nerven. Ich bin ruhig, fühle mich gut. Das Boot ist bereit. Ich bin bereit. Meine Familie ist auch bereit. Sie gibt mir viel Vertrauen und Sicherheit. Das Team hat alles im Griff. Auch das gibt mir viel Zuversicht für das, was vorausliegt. Weil alles sortiert und organisiert ist, kann ich ruhig sein. Das ist eine gute Sache.
Der Start in Kiel: Cammas steuert
Ich habe realisiert, dass es wirklich ein Marathon ist. Da möchte ich keine Energie an Nervosität verschwenden. Es sind noch sechs Wochen Vollgas. Also bewahre ich meine Energie lieber. Das Rennen wird natürlich schon am Anfang Vorentscheidungen erleben. Aber auch in der Nordsee. Diese Übergangsabschnitte werden zeigen, welche Kurse die Boote wählen werden. Das ist ziemlich interessant! Bei uns wird Franck Cammas steuern. Nico Lunven übernimmt die Navigation. Alan und ich werden im Boot sein.
Wir haben ein Wachsystem, innerhalb dessen Franck und Nico rotieren. Ebenso Alan und ich. Dabei werden wir aber flexibel sein. Wir werden voraussichtlich rotieren, wenn wir Manöver haben. Es ist also kein genau festgelegter Zeitplan. Wir versuchen auch immer, die Wechsel nicht gleichzeitig zu machen. Lieber bleibt einer auf Wache, der schon gesegelt hat, als dass zwei neue Leute gleichzeitig übernehmen. Wir nehmen also die Wechsel immer nur in einem Duo vor.
Die Ernährung ist superwichtig! Ich beispielsweise bin gluten- und laktoseintolerant. Wir haben Dairy Sac. Das ist eine Malzeit, der du Wasser hinzufügst. Dann dauert es eineinhalb Stunden und ergibt ein vernünftiges Essen. Das kommt aus Frankreich. Ich habe es noch nie probiert. Dann haben wir noch Gerfriergetrocknetes. Ich habe Provianttaschen mit bis zu 4000 Kalorien pro Tag. Ich esse Gele, Riegel, Huel Powder mit Proteinen und Mineralien. Und wir haben etwas frisches Obst und Schokonüsse.
Viel essen für maximale Power im Ocean Race Europe
Um während des gesamten Rennens gesund und fit zu bleiben, besteht meine größte Herausforderung darin, mit gut zu ernähren. Ich muss essen, essen, essen. Das ist für mich das Wichtigste. Ich habe momentan schon ein Glukose-Messgerät an meinem Arm, das den Glukose-Level misst. Das gibt mir ein Signal, wenn der Pegel zu niedrig wird und ich essen muss. Das dient vor allem dazu, unser Leistungsvermögen während des Rennens zu optimieren.
Mit Alan Roberts haben wir einen Briten an Bord. Das ist auch mit Blick auf die erste Etappe nach Portsmouth sehr schön. Er kennt vor allem das Revier um die Isle of Wight sehr gut, den Englischen Kanal. Er hat dazu im Skipper’s Briefing bereits ein paar Fragen gestellt. Das ist sehr gut. Er kennt die lokalen Effekte…
Meine eigene Rolle als Skipperin genieße ich. Es ist sehr viel mehr involviert als das Boot, das Racing, das Segeln. Ich habe ein Auge aufs Gesamtbild, das ganze Team und auch auf den Return on Investment für unsere Sponsoren. Und das mache ich wirklich sehr, sehr gerne. Du hast also das große Bild vor Augen, kannst nicht in allen Bereichen total in die Details gehen. Ich bin froh, dass wir im gesamten Team Experten haben, die diese Details erarbeiten und uns mit diesen Informationen versorgen.
Die Skipperin ist die Generalistin im Ocean Race Europe
Mir gefällt das so sehr gut. Wir haben eine flache Struktur im Team. Es bin nicht die, die den Leuten sagt, was zu tun ist. Wir haben sehr gute Segler im Team. Alle haben ihre eigenen Verantwortungsbereiche. Ich würde sagen:
Je weniger Entscheidungen ich zu treffen habe, je besser ist es.” Rosalin Kuiper
Das bedeutet, dass das Team selbststeuernd ist und die Leute Verantwortung für ihre Bereiche tragen. Am Ende aber, wenn etwas wirklich schief geht, sollte da natürlich eine Person sein, die gesamtverantwortlich ist. Das bin ich, wenn es um die Sicherheit der Leute oder die Sicherheit des Bootes geht.
Ich freue mich auf den Start! Es werden mehr als 2000 Boote und mehr als 100.000 Zuschauer auf dem Wasser und an Land erwartet. Heute ist es soweit! Ich glaube, es wird wild. Ich erinnere mich daran, als wir vor zwei Jahren hier waren. Das war supercool. Ich erwarte heute eine tolle Stimmung. Ich bin im Geiste schon auf dem Wasser. Ich will das genießen, bin aber gleichzeitig darauf fokussiert, die Förde sicher zu verlassen.
Portsmouth kommt, ein Geschenk an Kiel bleibt
Und wir wollen um die Bonuspunkte beim ersten Wertungstor kämpfen (Red.: Schon wenige Minuten nach dem Rennstart erhalten am frühen Wertungstor beim Leuchtturm Kiel das erste Boot zwei, das zweite Boot einen Punkt). Wir werden das alles natürlich genießen, bleiben aber als Team auch professionell. Unsere Gedanken sind schon längst auf See.
Es ist unglaublich, in dieser Position hier zu sein, hier und heute loszusegeln. Nach der großartigen Woche in Kiel lassen wir auch etwas zurück: Es ist ein künstliche Riff, dass Holcim im Juni im Kieler Hafen platziert hat. Es ist 20 mal einen Meter groß, das aus bioaktivem Beton. Es ist im Prinzip ein Fischhotel, wo Fische aufwachsen und leben können. Ich finde es ziemlich cool von Holcim, dass sie das nach dem Vendée-Globe-Finale von Nico gespendet haben.