Wenn das Sonnenbaden Luxus wird
Italien verzweifelt an Mondpreisen an den Stränden
10.08.2025, 10:43 Uhr
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Ein Schirm und zwei Liegen am Mittelmeer – das kann in Italien teuer werden. Viele Strandbäder befinden sich in privater Hand. Kosten von 100 Euro sind für eine vierköpfige Familie keine Seltenheit mehr. Viele Italiener haben von diesen Mondpreisen die Nase voll. Jetzt bleiben die Liegen leer.
Billig ist es schon lange nicht mehr, sich in einem von Italiens vielen Strandbädern einen Platz an der Sonne zu mieten. Aber so teuer wie in diesem Sommer war es noch nie. Im „Twiga“, einem luxuriösen Club an der Küste der Toskana, der einst dem Formel-1-Manager Flavio Briatore gehörte, kostet ein einziger Tag im „Herrscherzelt“ – vier Strandliegen, vier Kinderstrandliegen, vier Liegestühle, drei Stühle, ein Tisch – jetzt im August 1500 Euro. Essen und Trinken nicht inklusive.
Aktuell ist das an Italiens Küsten der teuerste Ort. Das wäre verkraftbar, weil das Angebot ohnehin nur für eine superreiche Klientel gedacht ist. Das Problem ist, dass von den mehr als 7000 Bädern in Privatbesitz auch viele weitere die Tarife erneut angehoben haben. Für einen Platz an der Sonne werden teils Mondpreise verlangt. Bislang haben die meisten Italiener den alljährlichen Preissprung mitgemacht. Jetzt allerdings bleiben viele Liegen leer.
Nur an Sonntagen sind die Liegen voll
Der Tourismusverband Assobalneari Italia spricht für die bisherige Saison von einem Rückgang der Gästezahlen um 25 bis 30 Prozent. Nur an Sonntagen sei es noch voll. Doch die Branche hofft, dass jetzt, da sich das Land auf den alljährlichen Höhepunkt seines Sommers zubewegt, den Feiertag Ferragosto am 15. August, alles wieder wird wie früher. Das Wetter spielt mit, es werden 35 Grad und mehr erwartet. Allerdings gibt es berechtigte Zweifel, ob das reichen wird.
Wer bequem liegen will, muss zahlen.
(Foto: picture alliance / CHROMORANGE)
Die Italiener verbindet eine Hassliebe mit ihren „stabilimenti balneari“, wie die privaten Strandbäder in der Landessprache heißen. Eigentlich gehören die mehr als 7500 Kilometer Küste dem Staat und damit den Bürgerinnen und Bürgern. Jedoch ist mehr als die Hälfte der Strände an Privatleute verpachtet: oft seit Jahrzehnten, oft unter der Hand und oft zu Spottpreisen. Viele Pächterfamilien sind schwerreich geworden. Manche nennen das Vetternwirtschaft, andere mafiöse Strukturen.
Im Sand liegen? Pah.
Andererseits hat man sich längst daran gewöhnt, dass man hier für den Strand im Unterschied zu den meisten anderen europäischen Ländern bezahlen muss. Die Strandliege („lettino“) und der Sonnenschirm („ombrellone“) gehören zu den nationalen Kulturgütern. Auf Urlauber aus dem Ausland, die sich mit einem Handtuch direkt in den steinigen Sand legen, blickt man gern von oben herab – und wenn es nur aus 20 Zentimetern Höhe ist.
Im landesweiten Durchschnitt lag die Tagesmiete für zwei Liegen und Sonnenschirm vergangenes Jahr nach Angaben der nationalen Beobachtungsstelle für das Badewesen bei etwas mehr als 30 Euro. In diesem Jahr dürfte es kräftig in die Höhe gehen. Im Strandbad „La perla del Tirreno“ von Santa Marinella – einem keineswegs luxuriösen Badeort in der Nähe von Rom – verlangen sie jetzt 60 Euro. Die Tasse Cappuccino kostet 5, der Thunfisch-Cheeseburger 14 Euro. Unter 100 Euro kommt eine Familie kaum noch weg, auch wenn sich viele mittlerweile ein Lunch-Paket mitbringen.
Hundert Euro keine Seltenheit
Die Geschäftsführerin des Strandbads in Santa Marinella, Leila Fares, rechtfertigt sich in der Zeitung „La Repubblica“ damit, dass die Schirme bei ihr weiter auseinander stehen als üblich, alles jeden Tag gereinigt wird und 20 Leute an Personal bezahlt werden müssen. Dario D’Alatri, einem Familienvater aus der Hauptstadt, ist damit nicht geholfen: „Das können wir uns ein oder zwei Tage die Woche leisten – mehr nicht.“
Solche Diskussionen gibt es jeden Sommer. Doch in diesem Jahr ist die Welle der Empörung spürbar größer. Einer von Italiens beliebtesten Schauspielern, Alessandro Gassmann, brachte den Unmut mit einem Appell an die Strandbad-Besitzer auf den Punkt: „Liebe Freunde, ich habe gelesen, dass die Saison nicht gut läuft. Vielleicht habt ihr mit den Preisen übertrieben. Senkt sie, und vielleicht wird es dann besser.“
Mit Ausnahme einzelner Rabatt-Aktionen wie drei Schirme zum Preis von zweien oder Sondertarife nach 14 Uhr zeigt der Appell bisher jedoch wenig Wirkung. Assobalneari-Präsident Fabrizio Licordari entgegnet: „Es gibt Strandbäder für jedes Budget.“ Er macht die allgemeine Inflation als Ursache für den Rückgang aus: „Die gestiegenen Lebenshaltungskosten haben die Kaufkraft stark verringert. Selbst mit zwei Einkommen reicht das Budget in vielen Fällen nicht mehr aus.“
Meloni wird nicht helfen
Von der rechten Regierung in Rom unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni haben die Italiener keine schnelle Hilfe zu erwarten. Tourismusministerin Daniela Santanché will von einer Krise nichts wissen. Solche Berichte seien „alarmistisch“ und „irreführend“, sagt sie.
Die Strandbad-Besitzer hingegen können sich auf Rom bislang verlassen: Verschiedene Regierungen halfen mit, dass sich die Pächterfamilien seit 2006 um die Umsetzung einer EU-Richtlinie für neue Ausschreibungen herummogeln können.
Einstweilen kann man empfehlen, den Urlaub tief in den Süden zu verlegen: Auf Sizilien, in Porto Empedocle, kosten Schirm und zwei Liegen nach einem landesweiten Vergleich nur 20 Euro pro Tag. Oder einfach: Handtuch und Sonnenschirm mitbringen und dann auf einem der „freien“ Strände hinunter in den Sand. Oder auf dem Abschnitt zwischen Wasserlinie und Liegestühlen. Auch das ist gratis.