Teile des seit Anfang August in Bayern geltenden dritten Modernisierungsgesetzes verletzen laut einem aktuellen Gutachten „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ EU-Recht. Die Begrenzungen der Pflicht für Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) durch das Gesetz in Bayern verstoße „zumindest teilweise gegen die EU-rechtlichen Vorgaben der UVP-Richtlinie“, heißt es in dem zehnseitigen Papier des Staatsrechtlers Kurt Faßbender, der an der Universität Leipzig lehrt. Das Gutachten liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.
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Konkret bezweifelt das Gutachten, das der SPD-Landtagsabgeordnete Florian von Brunn in Auftrag gegeben hat, die durch das Gesetz gelockerten Vorgaben für Umweltverträglichkeitsprüfungen bei Schneekanonen, Skipisten und Seilbahnen in den Alpen. Bei allen drei Sachverhalten sei, anders als im Gesetzgebungsverfahren behauptet, „tatsächlich mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt und auch auf das Klima zu rechnen“.
Dabei sei es nicht relevant, wie groß ein Skigebiet sei, wo der Kunstschnee zum Einsatz komme oder wie lang eine Seilbahn sei. Außerdem hält es das Gutachten für möglich, dass die Begrenzungen der UVP-Pflicht auch gegen die von Deutschland unterzeichnete Alpenkonvention verstoßen. Es sei „fraglich“, ob deren Vorgaben „durchgehend eingehalten werden“.
Das am 23. Juli von CSU und Freien Wählern im Landtag verabschiedete Gesetz sieht unter anderem eine deutliche Anhebung der Schwellenwerte für die UVP-Pflicht vor. So wird diese bei Beschneiungsanlagen erst ab einer Fläche von mehr als 20 Hektar (zuvor 15 Hektar) und in Schutzgebieten ab zehn Hektar (zuvor 7,5 Hektar) vorgeschrieben. Bei Skipisten wurde die Grenze von zehn auf 20 Hektar und in Schutzgebieten von fünf auf zehn Hektar erhöht.
Für Seilbahnen und Skilifte müssen erst eine bestimmte Beförderungskapazität und eine bestimmte Luftlinienlänge zwischen Tal- und Bergstation erreicht werden, um eine UVP-Pflicht auszulösen. Bisher genügte eine Bedingung. Zudem ist die Luftlinienlänge pauschal auf 3000 Meter verlängert worden (zuvor 1000 Meter für Schlepplifte, 2500 Meter für übrige Seilbahnen).
Im Gesetzgebungsverfahren hatten bereits SPD und Grüne massive Kritik an den Plänen der Staatsregierung geäußert. Zudem hatte sich das Bündnis „Rettet die Berge“ gebildet, dem neben Politikern auch Umweltschützer und Verbände wie der Deutsche Alpenverein angehören. Die Staatsregierung hatte ihrerseits die Änderungen mit einem Abbau von Bürokratie begründet, nach ihrer Darstellung gibt es keine Abstriche beim Schutz der Alpen.
Aus Sicht des SPD-Abgeordneten Brunn ist „das Gutachten ist ein weiterer klarer Beleg, dass die Söder-Regierung europäisches Umweltrecht und den Alpenschutz massiv verletzt“. Brunn spricht von einem „Freifahrtschein für den ungezügelten Ausbau von Skigebieten“. Welche Folgen sich aus dem Gutachten ergeben, bleibt abzuwarten. „Ich habe mich deswegen auch an Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD) gewendet und um Hilfe gegen das europarechtswidrige Handeln von Markus Söder gebeten“, sagte Brunn.
Das Gutachten zeigt noch andere Optionen auf: „Zum einen hat jede und jeder die Möglichkeit, die EU-Kommission im Wege einer Beschwerde auf den in Rede stehenden Verstoß gegen die UVP-Richtlinie aufmerksam zu machen.“ Die EU-Kommission könne dann ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einleiten. Auch der Klageweg vor einem Verwaltungsgericht sei denkbar. In der Folge könnte dann der Europäische Gerichtshof „einen etwaigen Verstoß gegen die UVP-Richtlinie verbindlich feststellen“.