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Biometrie per WLAN: Signalstörungen erlauben Personenerkennung und Überwachung
Wissenschaftler der Universität La Sapienza in Rom haben eine Technologie entwickelt, die Menschen heimlich allein durch die Analyse von WLAN-Signalen identifizieren kann – ganz ohne Kameras oder aktive Beteiligung von Betroffenen. Dieses Verfahren, das große Gefahren für die Privatsphäre mit sich bringt, macht sich die Tatsache zunutze, dass jeder menschliche Körper WLAN-Signale auf eine einzigartige Weise stört. Die Forscher haben die anfangs nach dystopischer Science Fiction klingende Technik WhoFi getauft, in Anlehnung an die internationale WLAN-Bezeichnung WiFi.
Hintergrund ist: Jeder Mensch hinterlässt eine Art unsichtbaren WLAN-Fingerabdruck. Die Forscher haben ein spezielles Modell mit Künstlicher Intelligenz entwickelt, das diese minimalen Signalveränderungen in Form von Kanalzustandsinformationen auswertet.
Biometrische Merkmale wie Körperform, Größe und Bewegung werden dazu „aus Channel State Information (CSI) extrahiert und durch ein modulares Deep Neural Network (DNN)“ mit einem speziellen Encoder verarbeitet, schreibt das Team in einem noch nicht von unabhängigen Experten geprüften Aufsatz. Das neuronale Netzwerk werde mithilfe einer Funktion des kontrastiven Lernens trainiert, um robuste und generalisierbare biometrische Signaturen auszumachen. Diese Herangehensweise helfe dem Modell zu lernen, welche Datenpunkte ähnlich („positiv“) und welche unähnlich („negativ“) sind.
CSI bezieht sich im Zusammenhang mit WLAN-Geräten unter auderem auf Informationen über die Amplitude und Phase elektromagnetischer Übertragungen. Diese Messungen interagieren laut der Studie mit dem menschlichen Körper auf eine Weise, die zu personenspezifischen Verzerrungen führt.
Erkennungsgenauigkeit über 95 Prozent
Das Netzwerk, das im Grunde wie ein kleines Computergehirn funktioniert, fütterten die Wissenschaftler mit Informationen aus dem NTU-Fi-Datensatz. Dieser wird standardmäßig verwendet, um die Anwesenheit von Menschen über WLAN-Signale zu erkennen. Die eigenen Experimente damit zeigen der Untersuchung zufolge, dass der Ansatz „im Vergleich zu modernsten Methoden konkurrenzfähige Ergebnisse erzielt und seine Wirksamkeit bei der Identifizierung von Personen über WLAN-Signale bestätigt“.Das System kann demnach mit einer Genauigkeit von bis zu 95,5 Prozent erkennen, ob sich jemand in einem Raum befindet und um welche Person es sich handelt.
Die Technologie kommt ohne sichtbare Überwachung und ohne das Wissen der Betroffenen aus. Überall, wo WLAN verfügbar ist – ob in Wohnungen, Büros oder öffentlichen Gebäuden – könnte dieses System theoretisch zur Personenidentifikation zum Einsatz kommen.
Gesichtserkennung: unzuverlässig
Die Methode beschreiben die Forscher als Alternative zur herkömmlichen biometrischen Erkennung, die bisher hauptsächlich auf Kamerabildern basiert. Auch diese läuft prinzipiell so ab, dass sie einzigartige biologische oder verhaltensbezogene Merkmale einer Person misst und diese mit gespeicherten Daten abgleicht. Automatisierte biometrische Überwachungssysteme wie die Gesichts- und Gangerkennung nutzen Kameras und spezielle Software, um Personen in Echtzeit in einem größeren Umfeld zu identifizieren, ohne dass diese mit dem System interagieren müssen.
Visuelle Gesichts- oder Gangerkennungssysteme sind jedoch anfällig für äußere Einflüsse. Schlechte Lichtverhältnisse, verdeckte Gesichter, wechselnde Blickwinkel oder niedrige Bildqualität können die Genauigkeit stark beeinträchtigen. Traditionelle biometrische Verfahren seien daher „unzuverlässig“, meint das Team. Die neue drahtlose Biometrie sei robuster, da sie die einzigartigen Signalverzerrungen verwende. Diese entstünden nicht nur durch äußere Merkmale, sondern auch durch innere Strukturen wie Knochen und Organe. Es komme zu Störungen, die als individuelle Signatur dienen könnten. Diese biometrischen Merkmale würden im nächsten Schritt mit bekannten Referenzdaten abgeglichen, um Personen möglichst genau zu identifizieren.
Rohdaten sollen anonym sein
Während die Forschung auf diesem Gebiet noch am Anfang steht, wirft die Entwicklung doch bereits ernsthafte Fragen zum Datenschutz auf: Wo liegt die Grenze zwischen technologischem Fortschritt und dem Recht auf Privatsphäre, wenn selbst die unsichtbaren Signale in und um Menschen herum zur Überwachung genutzt werden können? Aktivisten warnen schon bei automatisierter Gesichtserkennung vor einem massenhaften Ausspähen von Bürgern, das künftig noch ganz andere Dimensionen annehmen könnte.
Die Wissenschaftler selbst betonen aber auch, dass die rohen WLAN-Daten, die zur Personenerkennung gesammelt werden, von Natur aus anonym seien. Das bedeute: Falls sie in falsche Hände gerieten, seien sie für Angreifer nutzlos. Ohne das speziell entwickelte KI-Modell und das dazugehörige System ließen sich keine Personen identifizieren.
Im Laufe der Jahre haben Wissenschaftler bereits herausgefunden, dass WLAN-Signale für eine Vielzahl von Sensoranwendungen genutzt werden können. Sie sind demnach etwa fähig, um durch Wände zu sehen, Stürze zu erkennen, die Anwesenheit von Menschen wahrzunehmen und Gesten auszumachen, einschließlich Gebärdensprache.
(nen)
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