Wienhausen. Sie sind die personifizierte Kongenialität am Klavier: die Brüder Hans-Peter und Volker Stenzl. Am Freitagabend eröffneten die beiden Professoren aus Rostock die Celler Sommerkonzerte im „Vorwerk Gut Oppershausen“ mit einem eindrucksvollen vierhändigen Klavierkonzert. Am großen Flügel ließen sie das Publikum durch exzellentes Spiel eine breite Palette von Emotionen miterleben – von stiller Besinnlichkeit bis hin zu vitaler Leichtigkeit.
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Stille und Dynamik in Brahms‘ Requiem
Im ersten Teil des Abends, der im vollbesetzten Saal stattfand, präsentierten die beiden Auszüge aus dem Deutschen Requiem op. 85 von Johannes Brahms – in der Fassung für Klavier zu vier Händen, die der Komponist selbst angefertigt hatte. Die Brüder hatten sich für den zweiten, vierten und sechsten Satz entschieden. Dieses sakrale Werk begann in getragenem Tempo, steigerte sich jedoch im Verlauf bis hin zum lebhaften Allegro und schnellen Vivace. Mit großer dynamischer Bandbreite entfalteten die Pianisten die emotionalen Facetten des Requiems: Akzentuierte Tonfolgen von piano bis forte, klangliche Kontraste und eine dichte Atmosphäre, die das Publikum spürbar berührte. Es herrschte andächtige Stille im Saal.
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Die Cellerin Annegret Thaden, Mitglied der Stadtkantorei und regelmäßige Besucherin der Sommerkonzerte, fasste ihren Eindruck in der Pause so zusammen: „Das Werk wirkt ein bisschen schwer.“ An der außergewöhnlichen Leistung der Pianisten ließ sie indes keinen Zweifel aufkommen. Die von ihr empfundene emotionale Schwere wich nach der Pause jedoch spürbar heitereren Klängen.
Musikalische Reise durch Walzer und Polka
Denn nun standen „Walzer und Polka“ von Dmitri Schostakowitsch (1906–1975) sowie „Aus aller Herren Länder op. 23″ von Moritz Moszkowski (1874–1925) auf dem Programm. Letzteres Werk bringt mit seinen unterschiedlichen Akkorden und Tempi die musikalische Vitalität und Vielfalt aus Russland, Deutschland, Spanien, Polen, Italien und Ungarn zum Ausdruck. Das Duo Stenzl interpretierte es mit großer Virtuosität sowie fein nuancierter Dynamik und Rhythmik. Die Klangbilder reihten sich wie Perlen an einer Schnur aneinander, die Körpersprache und Mimik der Brüder zeugten von ihrer tiefen Versunkenheit in das Spiel.
Das Publikum war begeistert – minutenlanger Applaus, teils im Stehen, war der verdiente Lohn. Doch das Konzert überzeugte nicht nur musikalisch. Volker und Hans-Peter Stenzl führten selbst durch das Programm. Ihre Moderationen verbanden musikalische Einblicke mit Hintergrundwissen zu Leben und Werk der Komponisten – und spannten zugleich den Bogen zum diesjährigen Thema der Sommerreihe: Freiheit.
Auch Humor fehlte nicht. So erzählte Volker Stenzl eine Anekdote über Moszkowski, die dessen Schlagfertigkeit unter Beweis stellte: „Auf einem Empfang erschien eine aufgeregte Dame und rief, sie habe eine Perle aus ihrer Kette verloren. Moszkowskis trockene Antwort: ‚Passen Sie auf, dass Sie nicht auch die Fassung verlieren.‘“ Dass zwei international renommierte Pianisten nach einer solchen Glanzleistung nicht ohne Zugabe von der Bühne gehen konnten, versteht sich von selbst.
CZ