Mit einer einzigartigen Dichte an Rechenzentren, Netzwerken und Internetknoten schlägt in Frankfurt das Herz des globalen Datenverkehrs. Was bedeutet das für Unternehmen, Politik und die Gesellschaft? Welche Rolle spielt DE-CIX als zentraler Akteur? Und wie kann Deutschland seine Spitzenposition in der digitalen Welt behaupten? Darüber spricht Ivo Ivanov im Interview.

Herr Ivanov, was ist das, ein Internet-Knoten?

DE-CIX steht für den führenden Internet-Exchange-Knotenpunkt der Welt. Geboren am 26. Juni 1995 in Frankfurt. Damals geboren mit dem kommerziellen Internet, gegründet von drei Internet-Service-Providern, einem Anbieter aus Hamburg, einem aus Dortmund und einem aus Karlsruhe.

Jetzt mag man sich fragen, warum denn in Frankfurt?

Erstens befindet sich Frankfurt mitten in Deutschland, mitten in Europa. Frankfurt stellte immer eine Art Kreuzung für Post- und Telekommunikationswege dar, und das neben der Rolle als Business-Hub, als Logistik-Hub. So hat es perfekten Sinn ergeben, damals den Knotenpunkt in Frankfurt zu gründen. Die wahre Motivation bestand damals darin, dass die Netzbetreiber, diese drei plus ein paar andere, die sich auch sehr schnell mit angeschlossen haben, festgestellt haben, dass es widersinnig ist, Internetverkehr zwischen diesen Anbietern über die USA auszutauschen, was ja bis dahin der Fall war – und so hat man vernünftigerweise beschlossen, das in Frankfurt tun.

Nun, 30 Jahre später, wie hat sich das Unternehmen entwickelt?

Wir sind extrem gewachsen, darauf sind wir stolz, sozusagen „made in Germany“, nun international präsent in 60 Märkten auf fünf Kontinenten der ganzen Welt. In Frankfurt sind mehr als 1200 angeschlossen, weltweit sind es mehr als 4200 Netze, was in der Tat das größte Zusammenschaltungs-Ökosystem der Welt ist.

Und was macht nun so ein Internet-Knotenpunkt genau?

DE-CIX ist in der gesamten Stadt verteilt, mit den eigenen Routern präsent in 50 Rechenzentren. Das Spannende dabei ist, dass alle Netze, die einen DE-CIX-Anschlusspunkt haben, in diesen Rechenzentren mit allen anderen 1200 Netzen Datenverkehr austauschen können.

DE-CIX-Chef Ivo IvanovDE-CIX-Chef Ivo IvanovDE-CIX

Das, was wir aus dem Internet kennen. Das sind solche Netze wie Netflix, Apple, Meta mit Facebook, mit Instagram, Amazon und so weiter und so fort. Das sind Cloud-Anbieter. Das sind aber auch Netze, die Zugang zum Internet selbst ermöglichen in Büros, in den Haushalten – und Mobilfunknetze selbstverständlich. Der Vorteil dieses Knotenpunkts liegt darin, dass all diese Netze Direktverkehre austauschen. Das heißt, die Netze, die Content anbieten und entsprechend die Nutzer erreichen wollen, können direkt Datenpakete miteinander austauschen. Das macht den Austausch sehr sicher, aber vor allem hochperformant aufgrund dieser Direktheit.

Das ist das Stichwort Zero-Latency. Darüber müssen wir gleich noch sprechen.

Genau. Latency steht für Latenz, das ist die Bezeichnung gemessen in Millisekunden, wie schnell Datenpakete ausgetauscht werden. Ich möchte hervorheben, dass dieser direkte Austausch dazu führt, dass die Anbieter nicht nur die Vorteile einer sehr hohen Performance und Sicherheit haben, sondern auch effizient Verkehre austauschen können. Sie können sich an so einem Aggregationspunkt nämlich, ohne 1200 bilaterale Verbindungen zu verwalten, mit Hunderten oder mit Tausenden von Netzen im Direktverkehr austauschen.

Sie haben hier eine Erfolgsgeschichte geschrieben, das ist ja offensichtlich so und für Deutschland nicht typisch mit Blick aufs Internet. Es wäre gut, es gäbe davon ein paar mehr. Was wären die Rahmenbedingungen, die uns allen hülfen, erfolgreich sein zu können. Welche Wünsche hätten Sie da oder welche Gefahren sehen Sie, die wir vermeiden sollten?

Letztendlich gibt es drei knackige Begriffe, die hier die Sache auf den Punkt bringen: Investieren, Digitalisieren und Entbürokratisieren. Das sind die Wünsche Richtung Politik und Verwaltung, denn da sind die Rahmenbedingungen. Eine Investition in digitale Infrastruktur, und das Beschaffen von Kapital dafür. Das ist die Grundlage für Prosperität und Wirtschaftswachstum. Insbesondere vor dem Hintergrund der KI-Lawine, die auf uns zurollt. Es reicht nicht, dass die KI von irgendwo importiert wird, das ist nicht möglich.

Das ist erst recht nicht möglich in dem Bereich der eigentlichen Anwendung von Künstlicher Intelligenz, also der sogenannten KI-Agenten. Das Training der Sprachmodelle kann in Regionen stattfinden, wo Strom deutlich günstiger ist. Aber die eigentliche Anwendung, der Einsatz von KI im Sinne von Agenten, die Roboter, autonomes Fahren, Produktionsprozesse unterstützen, in Haushalten, im Gesundheitswesen, im Finanzwesen einen Beitrag leisten, dafür ist es erforderlich, dass die Infrastruktur vor Ort ist. Denn da spielt die Latenz eine extreme Rolle.

Ich beschreibe das anhand eines Beispiels. In der Zukunft werden mehr und mehr Roboter eingesetzt, auch humanoide Roboter, sei es in Haushalten, im Gesundheitswesen, im Pflegeheim, aber auch in der Industrie. Damit diese Roboter sehr menschenähnlich agieren können, müssen sie auch die Sensorik, die wir Menschen beherrschen, genau so nachbilden können. Damit es sich menschenähnlich gut anfühlt oder wie unser Gehirn gut funktionieren kann, ist es erforderlich, für diese haptische Information eine Latenz zu erreichen, die besser ist als 18 Millisekunden. Übrigens, damit wir das ins Verhältnis setzen, wissen Sie, wie viel ein Wimpernschlag braucht an Millisekunden?

Ich kenne die Zahlen nicht, aber meine Vermutung wäre jetzt, der braucht länger.

Absolut richtig und zwar erstaunlich viel. 100 Millisekunden an einem guten Tag, wo wir nicht müde sind. Also das heißt, 18 Millisekunden für die haptische Information, das ist verdammt schnell. Wenn wir über visuelle Informationen reden, sprechen wir über besser als 12 Millisekunden. Und jetzt kommt der eigentliche Hammer, für Audio ist es erforderlich, das besser als in einer Millisekunde hinzukriegen. Daraus ergeben sich die Anforderungen für diese flächendeckende digitale Infrastruktur. Wir müssen jetzt die Latenz in Entfernung übersetzen.

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Eine Millisekunde entspricht einer Entfernung von 80 bis 100 Kilometern. Das heißt, damit der Roboter gut gesteuert werden kann, dürfen die KI-Agenten nicht weiter als 100 Kilometer entfernt sein. Das heißt, alle Applikationen, die durch Cloud-basierte Computerberechnungen gesteuert werden, sei es im Finanzwesen für Echtheitsbetrugserkennung, bei Daten, bei Geldtransfers, seien es Roboter, seien es autonom fahrende Fahrzeuge, die steuernden Elemente, seien es KI-Agenten, seien es Cloud-Anwendungen, sie alle dürfen nicht weiter als 80 bis 100 Kilometer entfernt sein von den Geräten. Und das veranschaulicht hoffentlich die Notwendigkeit für eine flächendeckende Infrastruktur in diesem Bereich.

„Kritische Infrastruktur muss sicher und souverän sein.“

Und was bedeutet das für Sie?

Das führt zu Mini-Rechenzentren in der Nähe von Produktionsanlagen, von Autobahnkreuzen, von Business-Parks, flächendeckend. Und wir haben schon einen Prototyp für eine Deep-Edge-Internet-Exchange-Minibox in der Größe eines Pizzakartons entwickelt, der wunderbar in ein Mini-Rechenzentrum in der Größe einer Telefonzelle oder etwas größer eines Schiffs-Containers passen würde. Und genau das wird die Anforderung sein, die man in den nächsten Jahren erfüllen muss.

Insofern, wenn wir davon ausgehen, dass dies die nächste Grundlage für wirtschaftliche Prosperität, insgesamt Wachstum und Wohlstand sein wird in der Zukunft, dann muss jetzt gehandelt werden. Diese flächendeckende Infrastruktur, bestehend aus Rechenzentren, bestehend aus Stromversorgung, bestehend auch aus Zusammenschaltungsknotenpunkten wie unseren, Technologien wie 5G, 5G Advanced, 6G in dem Mobilfunkbereich, Satellitentechnologie, das muss jetzt schon eingeleitet werden.

Und was hat das jetzt alles mit KI zu tun?

Wir haben die sogenannte KI-Exchange als Technologie vorgestellt. Das führen wir ein, um die Millionen oder Milliarden an Agenten im KI-Inferenzbereich miteinander verschalten zu können. Letztendlich ist es das, was wir mit unterschiedlichen Netzen schon heute tun, aber dann speziell für den KI-Bereich, sodass unterschiedliche Anbieter entsprechend auch aggregieren können, mit den gewohnten Vorteilen in Sachen Performance und Sicherheit.

Sie haben jetzt zwei Produkte erwähnt, die Sie neu entwickelt haben, das ist diese Deep-Edge-Internet-Exchange, und diese besonderen KI-Anwendungen. Arbeiten Sie sich dadurch, wenn man so will, auch auf der Wertschöpfungskette nach oben? Und müssen Sie in so etwas auch mehr investieren als früher?

Ja, absolut. Wir sind auch sehr stolz darauf, dass wir als Internet-Exchange eine solche Abteilung haben. Wir haben tatsächlich eine Forschungsabteilung, und das zahlt sich aus. Wir investieren sehr, auch in eigene Software, die die Netzsteuerung noch besser optimieren und automatisieren kann. Wir investieren in optimiertes Routing, das ist eine sehr effiziente Verteilung von Datenpaketen. Wir investieren auch in Sicherheit, natürlich. Denn das ist alles kritische Infrastruktur und die muss auch sehr sicher und souverän sein.

Zur Person

Ivo Ivanov ist seit 2022 Vorstandsvorsitzender der DE-CIX Group AG und CEO bei DE-CIX. Seit mehr als 20 Jahren ist er in der Internetwirtschaft tätig und gilt als einer der einflussreichsten Fachleute der globalen Telekommunikationsbranche. Unter seiner Führung hat sich DE-CIX zu einem Unternehmen mit fast 60 Standorten auf fünf Kontinenten entwickelt.

DE-CIX ist kein börsennotiertes Unternehmen und hat daher keinen Aktienkurs, sondern eine Unternehmensgruppe, deren alleiniger Gesellschafter der „eco – Verband der Internetwirtschaft e.V.“ ist. Sie betreibt Internetknoten auf der ganzen Welt. Der erste Standort in Frankfurt befand sich direkt gegenüber der ehemaligen Zentrale der F.A.Z.