Nach massiver Kritik aus den eigenen Reihen hat Bundeskanzler Friedrich Merz am Sonntag seine Entscheidung verteidigt, keine Waffenlieferungen mehr für Israel zu genehmigen, die in Gaza eingesetzt werden könnten. In einem ARD-Interview widersprach der Kanzler der Lesart, es handele sich dabei um einen Kurswechsel.
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„Die Grundsätze der deutschen Israelpolitik sind unverändert“, sagte der CDU-Vorsitzende und fügte an: „Wir werden diesem Land auch weiter helfen, sich zu verteidigen.“ Deutschland will weiter Rüstungsgüter für die Luft- und Seeverteidigung exportieren. Allerdings könne die Bundesregierung nicht Waffen in einen Konflikt liefern, der „Hunderttausende zivile Opfer“ fordern könnte.
Merz sprach von einem „Dissens mit der israelischen Regierung“. Eine Freundschaft müsse kritische Töne aushalten. „Solidarität mit Israel bedeutet nicht, dass wir jede Entscheidung, die eine Regierung trifft, für gut halten und ihr dabei auch noch Unterstützung zukommen lassen bis hin zu militärischer Unterstützung durch Waffen.“
Ich habe diese Entscheidung nicht allein getroffen, aber es ist dann am Ende des Tages eine Entscheidung, die ich allein verantworten muss.
Friedrich Merz, Bundeskanzler
In der CSU löste der Entschluss des Kanzlers am Wochenende nicht nur aufgrund des Inhalts heftige Kritik aus. Landesgruppen-Chef Alexander Hoffmann monierte öffentlich, man sei nicht in die Entscheidung eingebunden worden. Laut „Bild“-Zeitung soll auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder übergangen worden sein.
CSU fühlt sich übergangen
Der Bundeskanzler widersprach der Darstellung, kurzfristig und ohne Abstimmung gehandelt zu haben. „Ich habe diese Entscheidung nicht allein getroffen, aber es ist dann am Ende des Tages eine Entscheidung, die ich allein verantworten muss“, sagte Merz: „Und ich verantworte sie auch allein.“ Er könne sie nicht zur demokratischen Abstimmung stellen. Vom steigenden öffentlichen Druck habe er sich bei seiner Entscheidungsfindung weniger beeindrucken lassen als von seinem eigenen Urteil sowie dem seiner Berater.
In einer digitalen Sondersitzung am Sonntagnachmittag hat der sicherheitspolitische Berater von Bundeskanzler Friedrich Merz Außenpolitiker der CDU/CSU-Bundestagsfraktion über die aktuellen Entwicklungen der Israelpolitik informiert. CSU-Landesgruppenchef Hoffmann hatte am Samstag Gesprächsbedarf angemeldet. Aus Regierungskreisen hieß es, das Angebot für ein Treffen habe man bereits am Freitag ausgesprochen.
Erklärungspapier aus dem Kanzleramt
Ebenfalls am Sonntag hat das Kanzleramt ein dreiseitiges Papier veröffentlicht, in dem es die Hintergründe der Merz-Entscheidung erläutert. Es war zunächst an den Bundesvorstand der CDU verschickt worden.
Darin heißt es, die Operation Netanjahus riskiere die Sicherheit der Geiseln; Zivilisten in Gaza drohe eine Verschlechterung der humanitären Lage. Zudem sei unklar, ob durch die Einnahme von Gaza-Stadt die Chancen auf einen Waffenstillstands-Deal mit der Hamas steigen. Der israelische Premier Benjamin Netanjahu bekräftige derweil am Sonntag, an diesem Kurs festhalten zu wollen.
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Im Kanzleramt begründet man den neuen israelpolitischen Kurs auch mit den Anti-Israel-Demos in Deutschland. „Diese Eskalation trägt auch zur Verschärfung gesellschaftlicher Konflikte in Deutschland und Europa bei, die wir auch im Sinne unserer Verpflichtung gegenüber dem Staat Israel vermeiden müssen“, heißt es in dem Papier. Mehrere CDU-Politiker halten das für Täter-Opfer-Umkehr.