Ernüchterndes 0:0 gegen den KSC
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Als hätte es die Saisonvorbereitung nicht gegeben
So 10.08.25 | 17:32 Uhr | Von Marc Schwitzky
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Audio: rbb24 Inforadio | 10.08.2025 | Lars Becker | Bild: IMAGO / Matthias Koch
Hertha BSC wollte eine Antwort auf den miesen Auftritt beim FC Schalke 04 geben, lieferte gegen den Karlsruher SC jedoch nur eine weitere Enttäuschung ab. Der Saisonstart hat bislang rein gar nichts mit dem formulierten Aufstiegsziel zu tun. Von Marc Schwitzky
Es gab nach der 1:2-Niederlage beim FC Schalke 04 sehr viel aufzuarbeiten. Hertha BSC hatte sich zum Saisonauftakt kampf- wie ideenlos präsentiert, wurde von den „Königsblauen“ regelrecht herumgeschubst. Davon, dass die Berliner ihre Achse halten konnten, frühzeitig vielversprechende Transfers getätigt und somit vorzügliche Bedingungen für den Saisonvorbereitung hatten, war nichts zu erkennen. Davon, dass der Hauptstadtklub sehr offensiv nichts anderes als den Aufstieg als Ziel formuliert hatte, sowieso nicht.
War der Herthaner Auftritt in Gelsenkirchen so etwas wie ein Schock, folgte gegen den Karlsruher SC wohl die tiefe Ernüchterung. Der so gleichgültige Auftritt beim 0:0-Unentschieden am Sonntagnachmittag stellte schon beinahe mehr Fragen auf als er die aus dem Schalke-Spiel nachträglich beantworten konnte. Er machte aber klar, dass der erste Spieltag nicht einfach nur ein Betriebsunfall war. Abermals enttäuschten die Blau-Weißen. Abermals stellt sich die Frage, wie das überhaupt sein kann.
Allen Beteiligten war klar: Es musste sich bei Hertha einiges nach dem Auftritt auf Schalke ändern, um gegen den KSC ein anderes Gesicht zu zeigen. „Wir müssen die Energie auf den Platz bekommen – das war uns gegen Schalke in der ersten Halbzeit nicht gelungen“, stellte Toni Leistner kurz vor Anpfiff am „Sky“-Mikrofon klar.
Doch gerade der Spielbeginn wusste wie schon am ersten Spieltag nicht überzeugen. Im Gegenteil. Erneut wirkte Hertha nicht vollends konzentriert und heiß, erneut holten die Berliner ihren Gegner durch leichte Fehler ins Spiel. Sowohl Leistner als auch Marton Dardai verbuchten in den ersten Minuten schwerwiegende individuelle Patzer, die jeweils beinahe zur Karlsruher Führung geführt hätten. Fehler, die so gestandenen Spielern eigentlich nicht passieren dürfen und die das Kopfproblem der Berliner einmal mehr in den Vordergrund rückten.
Die größte Steigerung zum Schalke-Spiel
Mit der Zeit konnte sich Hertha zumindest gegen den Ball stabilisieren. Die größten Verbesserungen im Vergleich zum Schalke-Spiel waren Gegenpressing und Rückwärtsbewegung. Die Hausherren waren griffig im Zweikampf, stellten sofort Passoptionen zu und ließen den KSC so nur selten in seine gewünschten Umschaltmomente kommen. Aus dem Spiel heraus konnten die Gäste außer in den Anfangsminuten kaum Gefahr entwickeln.
Defensiv war eine Steigerung zu erkennen, allerdings nicht bei gegnerischen Standards. Der KSC hatte kurz vor Spielende zweimal die Chance, nach einem Eckball in Führung zu gehen – hier hatte Hertha schlicht Glück, dass der Ball nicht im Tor landete.
Das Spiel mit Ball bereitet Sorgen
Dass das Spielgerät auch auf der anderen Spielhälfte nicht über die Linie rollte, lag am erneut dramatisch schwachen Offensivspiel Herthas. Das Spiel mit Ball bereitet bislang große Sorgen. „Es ist Fakt, dass wir in unserem Übergangsspiel und im letzten Drittel besser werden müssen. Wir müssen unsere Stürmer besser in Position bringen“, hielt Herthas Trainer Stefan Leitl nach dem Spiel fest.
Es fehlt teilweise an den Mindestanforderungen für einen produktiven Ballbesitz. Herthas Spieler bewegen sich abseits des Ballführenden zu wenig, bieten wenige Passoptionen auf engem Raum und bilden kaum Dreiecke. An gute Lösungen durch die Spielmitte ist nach zwei Partien noch überhaupt nicht zu denken, Herthas Spiel ist trotz herausragender Spielmacher wie Michael Cuisance oder Maurice Krattenmacher ungesund flügellastig – und so sehr leicht ausrechenbar.
Herthas Stürmer hängen in der Luft
Herthas Mittelstürmer Dawid Kownacki und Fabian Reese hängen somit noch völlig in der Luft, nehmen kaum an Spiel teil. Herthas Ballbesitz erschafft kaum Schnittstellen, in die beide Angreifer stürmen können, um den gegnerischen Abwehrblock aufzureißen. Zudem rücken Herthas Spieler oftmals nicht konsequent nach, um Druck aufzubauen und sich im letzten Drittel festzusetzen.
Das Ergebnis waren kaum Strafraumaktionen, zig hilflose Halbfeldflanken und eine Menge uninspirierte Distanzschüsse. Neun Schüsse, davon lediglich fünf aufs Tor, keine Großchance und ein xG-Wert von 1,05 sind dramatische Zahlen für ein Heimteam mit Aufstiegsambitionen. In dieser Form werden die Hauptstädter, die schon gegen Schalke irritierend harmlos auftraten, für keinen Gegner eine große Herausforderung.
Bislang kein Faktor für Hertha: Neuzugang Dawid Kownacki
Trainer Leitl gibt sich trotz des 0:0 und nur einem Punkt in zwei Spielen noch ruhig. Er hob hervor, dass Herthas beste Phase in den ersten 15 Minuten der zweiten Halbzeit ja das seien, wie er es sich vorgestellt hätte. Doch wenn eine Phase, in der Hertha zwar recht druckvoll spielte, aber keine echte Torgefahr entstand, schon als eine gute hervorgehoben wird, dann stellt sich die Frage, wo Hertha spielerisch eigentlich hin will. Denn bislang wirken Herthas Auftritte alarmierend ratlos. Es ist nicht klar, welcher Spielstil die Berliner in der laufenden Saison auszeichnen soll.
Vielmehr wirkt es so, als ob sich die Mannschaft noch finden müsste. Doch ist genau dieser Zustand angesichts der Qualität und langen gemeinsamen Vorbereitung eigentlich inakzeptabel. Es fehlen schlichtweg die Ausreden dafür, warum Hertha nicht so weit wie andere Teams der 2. Bundesliga sein soll und noch nach seiner Identität sucht. Dass nach zwei Spieltagen noch nicht alles perfekt ineinandergreifen muss, ist logisch, doch Herthas Entwicklungsstand wirft tiefgreifende Fragen auf.
Die Mannschaft sieht derzeit sogar schlechter als aus in der vergangenen Rückrunde unter Leitl – und damals spielte sie gegen den Abstieg. In jenem Zustand zu stagnieren wäre bereits problematisch gewesen – denn schon damals plagten Hertha spielerisch große Defizite. Aber die Berliner waren immerhin schwer zu schlagen und schafften es stringent, Unterschiedsspieler Reese in Szene zu setzen. So entstand eine wenig glänzende, aber sehr stabile Serie von sieben ungeschlagenen Spielen in Folge – inklusive 3:1-Sieg über den KSC.
Doch Hertha stagniert nicht einmal, die Blau-Weißen sind in ihrer Entwicklung derzeit sogar rückläufig. Viele individuelle Fehler, im ersten Auftritt große defensive Unsicherheiten und nach zwei Spielen keine klar erkennbare Idee mit Ball sind ein besorgniserregendes Zwischenzeugnis.
So kann der Punktgewinn gegen den KSC künftig nur als Erfolg gewertet werden, sollte er der Mannschaft die nötige Sicherheit gegeben haben, um in den kommenden Wochen weitere Entwicklungsschritte zu gehen und so einen Fuß in die Saison zu bekommen. Immerhin sind die ersten Tabellenplätze jetzt schon fünf Punkte entfernt. So mag ein Aufstiegsrennen zwar ein Marathon sein, doch selbst in diesem braucht es einen gehörigen Sprint, um nach einem Stolperstart aufzuholen. Hertha muss nun rennen.
Sendung: rbb24 Abendschau, 10.08.2025, 19:30 Uhr
Beitrag von Marc Schwitzky