Ein Mitarbeiter des Steuerzahlerbundes hantiert an der Bremer Schuldenuhr (Archivbild)

Bremen war nicht immer so arm wie heute.

Bild: dpa | Sina Schuldt

Bei der Verschuldung ist Bremen im Bundesländer-Vergleich pro Einwohner spitze. Was steckt dahinter? Wer leiht Bremen Geld? Und kann das immer so weitergehen?

Es gibt erste Plätze, die niemand haben will. Einen davon hat das Land Bremen seit Jahren inne. Denn in Sachen Verschuldung macht kein anderes Bundesland der Hansestadt etwas vor. Wie es dazu kam und was das für das kleinste Bundesland bedeutet, beantworten wir hier anhand vier zentraler Aspekte von Bremens Schuldenmisere.

1 Wie hoch sind Bremens Schulden im Ländervergleich?

Schon in absoluten Zahlen war Bremens Schuldenberg von rund 23,8 Milliarden Euro Ende 2024 höher als in Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern, dem Saarland, Thüringen und Brandenburg. Und auch der Stadtstaat Hamburg lag mit 32,6 Milliarden Euro zumindest in Sichtweite – obwohl er knapp dreimal so viele Einwohner zählt.

Noch deutlicher wird das Ausmaß der öffentlichen Verschuldung Bremens, wenn sie ins Verhältnis zur Größe des kleinsten Bundeslandes gesetzt wird. So liegt die Hansestadt bei der Pro-Kopf-Verschuldung im Bundesländer-Vergleich mit großem Abstand vorne (siehe Grafik).

Pro-Kopf-Verschuldung der Bundesländer seit 2010

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Pro Bürgerin und Bürger, inklusive der beiden Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven, erreicht Bremen fast den doppelten Verschuldungsgrad wie Berlin und Hamburg – und ein Vielfaches der Flächenländer.

2 Warum ist Bremens Schuldenstand so hoch?

Bremen war nicht immer so arm wie heute. Tatsächlich war das Land nach dem Zweiten Weltkrieg in den 1950er zunächst so gut wie schuldenfrei. Bis 1967 lag die Landesverschuldung noch bei umgerechnet rund 360 Millionen Euro. Bis 1969 zählte Bremen sogar zu den regelmäßigen Nettozahlern im Länderfinanzausgleich – während zum Beispiel Bayern noch von 1950 bis 1986 in jedem Jahr Zahlungen aus dem Ländertopf erhielt.

Finanzreform und Werftenkrise führten Bremen ins Minus

Die Wende kam mit einer Finanzreform, die Bund und Länder 1969 verabschiedeten. Danach wurden Einkommenssteuern nicht mehr am Arbeitsort, sondern am Wohnort gezahlt. Für Bremen mit seiner zunehmenden Zahl an Pendlern aus dem niedersächsischen Umland stellte sich das als Minusgeschäft heraus. Seit 1970 wurde die Hansestadt so im Länderfinanzausgleich zum Nehmerland – und begann, geringere Steuereinnahmen durch Schulden auszugleichen.

Ein Mann steht mit zwei Kanistern vor den Zapfsäulen einer geschlossenen Tankstelle zut Zeit der Ölkrise im November 1973

Die Ölkrise im Jahr 1973 war einer der Auslöser für eine stark kreditfinanzierte WIrtschaftspolitik, die Bremens Schulden in die Höhe schnellen ließ.

Bild: dpa | akg-images

Darüber hinaus wurde die Hansestadt seit 1973 von der Ölkrise und Werftenkrise getroffen. Zum einen vervierfachte das Kartell der erdölproduzierenden Länder in Nahost die Ölpreise – und damit die Kosten für Benzin, Diesel und Heizöl. Parallel löste der globale Preiskampf japanischer und koreanischer Großwerften Geschäftseinbrüche für Bremer Werften wie AG Weser und Bremer Vulkan aus. Bremen versuchte Arbeitsplätze durch Konjunkturprogramme und neu geschaffene Stellen im Öffentlichen Dienst zu sichern. Das verschärfte die Haushaltsschieflage jedoch – und erhöhte die Schulden weiter.

Nach der zweiten Ölkrise ab 1979 litt Bremen in den 1980er Jahren an hoher Arbeitslosigkeit, was den Haushalt weiter belastete. Mitte der 1980er Jahre kletterte die Verschuldung erstmals über umgerechnet fünf Milliarden Euro.

Sanierungshilfen vom Bund brachten keine Wende

Urteile des Bundesverfassungsgerichts in den Jahren 1986 und 1992, die Bremen – wie auch Berlin und dem Saarland – Sanierungshilfen des Bundes einbrachten, entlasteten den Stadtstaat zwar bei der notwendigen Neuverschuldung. Am angehäuften Schuldensockel und der hohen Zinslast änderte dies jedoch nichts.

So übertraf die Schuldenlast 2003 erstmals die 10-Milliarden-Euro-Marke. Zehn Jahre später, im Jahr 2013, hatte das kleinste Bundesland dann erstmals mehr als 20 Milliarden Euro Schulden angehäuft. Da wendete Bremen schon gut 1.000 Euro pro Einwohner für Zinsausgaben auf – etwa das vierfache im Vergleich zum Durchschnitt anderer Länder und Kommunen.

Mitarbeiter der Bremer Vulkan-Werft verlassen am 21.2.1996 das Werftgelände in Bremen-Nord zu einem Demonstrationsmarsch.

Die auch infolge der Werftenkrise hohe Arbeitslosigkeit versuchte Bremen durch weitere Schulden abzufedern.

Bild: dpa | Kay Nietfeld

Die Vorbereitung auf die Umsetzung der in der Verfassung verankerten Schuldenbremse auf Länderebene ab 2020 führte zu einer vorübergehenden Stabilisierung der Bremer Schulden. Denn das Land musste auf einen ausgeglichenen Haushalt ohne Kredite hinarbeiten, wofür im Gegenzug Finanzhilfen des Bundes flossen.

Unmittelbar nach der Einführung der Schuldenbremse auf Länderebene im Jahr 2020 folgte jedoch erst die Corona-Pandemie und dann im Frühjahr 2022 der russische Angriff auf die Ukraine. Aufgrund von finanziellen Ausnahmeregelungen sind Bremens Schulden seither erneut deutlich angestiegen – auf aktuell rund 23,8 Milliarden Euro.

3 Bei wem leiht sich Bremen Geld?

Bremen leiht sich sein Geld bei unterschiedlichen Gläubigern. Am häufigsten holt sich das Land Geld über Anleihen, den sogenannten Landesschatzanweisungen. Das sind Kapitalanlagen, die frei an der Börse gehandelt werden. Sie können von jedem gekauft werden.

Wo und wie Bremen sich verschuldet

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Ein Beispiel: Die jüngste Landesschatzanweisung mit einem Volumen von 500 Millionen Euro wurde vom Land Bremen Ende März 2025 ausgegeben. Sie hat eine Laufzeit von zwei Jahren und bringt Anlegerinnen und Investoren 2,375 Prozent Zinsen pro Jahr aus der Hansestadt ein. Dafür müssen die Anleger für einen gewissen Zeitraum mindestens 1.000 Euro für einen Anteil an Bremens Schulden zahlen. Die Laufzeiten solcher Schatzanweisungen sind dabei sehr unterschiedlich – sie reichen in manchen Fällen bis ins Jahr 2051.

Bulle und Bär auf dem Börsenplatz vor der Börse in Frankfurt am Main

Bremer Schatzanweisungen werden an der Börse in Frankfurt gehandelt. Anleger können sie kaufen, bekommen dafür Zinsen und erhalten am Ende der Laufzeit ihr Geld zurück.

Bild: Imago | Imagebroker/Rupert Oberhäuser

Das Papier aus unserem Beispiel läuft zwei Jahre bis Ende März 2027. Spätestens dann bekommen die Anleger, also die Gläubiger, ihr an Bremen verliehenes Geld zurückgezahlt – sollten sie ihre Schatzanweisung nicht schon vorher an der Börse an andere Investoren weiterverkauft haben.

Neben dem 78-prozentigen Anleihe-Anteil finanziert Bremen seine Schulden zu 19 Prozent über sogenannte Schuldscheindarlehen. Dabei handelt es sich um anleiheähnliche Produkte. Sie werden aber nur außerbörslich und in größeren Stückelungen gehandelt, die vor allem für Großinvestoren interessant sind.

Banken und Versicherungen greifen zu

Ende 2024 befanden sich rund die Hälfte der Schuldscheindarlehen im Besitz von inländischen Kreditinstituten. Die andere Hälfte wurde von institutionelle Investoren wie Versicherungen und Pensionskassen gehalten.

Den mit drei Prozent kleinsten Posten „Sonstige“ machen schließlich Kredite bei Förderbanken wie der KfW oder bei Geschäftsbanken aus.

4 Gibt es Grenzen der Verschuldung?

Im Prinzip ja. Denn erstens muss sich Bremen weiterhin an die in Grundgesetz und Landesverfassung verankerte Schuldenbremse halten. Was das praktisch bedeutet, zeigt eine von der Bremer CDU eingereichte Klage gegen das im Sommer 2024 verabschiedete Bremer Haushaltsgesetz.

Der Senat hatte darin zusätzliche Schulden mit einer „Notsituation“ aufgrund von Klimakrise, Ukrainekrieg und hohen Energiepreisen begründet. Sollten die Richter am Staatsgerichtshof der Linie der CDU folgen, müsste die Schuldenaufnahme zurückgedreht und stattdessen gespart werden.

Ein zweiter begrenzender Faktor für eine Schuldenaufnahme ist zudem das Vertrauen der Gläubiger. Sollten diese dem Land Bremen nicht mehr zutrauen, Zinsen zu bedienen oder Anleihen zurückzuzahlen, würden sie der Hansestadt kein Geld mehr leihen – oder nur zu sehr hohen Zinsen, die das Risiko eines Zahlungsausfalls widerspiegeln.

Das droht Bremen allerdings, trotz Rekordschulden, aktuell nicht. Ende November 2024, praktisch zeitgleich zur Klage der Bremer CDU gegen das Haushaltsgesetz, legte die Rating-Agentur Fitch, die weltweit die Bonität von Schuldnern prüft, ihren Bericht für das Land Bremen vor. Das Ergebnis der Finanzanalysten: die bestmögliche Bewertung „AAA“.

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Dieses Thema im Programm:
Bremen Eins, Nachrichten, 29. Juli 2025, 15 Uhr