Stand: 11.08.2025 05:09 Uhr
Die Grundausbildungskapazitäten an der Marinetechnikschule (MTS) bei Stralsund sind derzeit nicht ausgelastet. Einige Rekruten leisten dort einen freiwilligen Wehrdienst ab – und befürworten die Rückkehr zur Wehrpflicht.
In einem Waldstück bei Parow: Hinter 18 Rekruten der Marinetechnikschule Parow (MTS) bei Stralsund liegt eine kurze Nacht. Seit dem Vortag, 8 Uhr, sind sie im Gelände unterwegs: simulierte Angriffe durch einen Feind, Wache schieben, das Leben im Feld kennenlernen. Eine Gefechtsübung und der lange Abschlussmarsch ihrer Grundausbildung mit insgesamt 32 Kilogramm Ausrüstung am Körper und Gepäck auf dem Rücken liegen noch vor ihnen. Angst vor dem Marsch habe sie nicht, sagt Laura Kunert – „aber Respekt“.
„Wenn jeder wegsieht, haben wir ein Problem“
Vor knapp drei Monaten trat die 20-jährige Magdeburgerin ihren freiwilligen Wehrdienst in der MTS an. Die Bundeswehr kenne sie aus der Familie. „Das ist schon sehr cool, was man da von Kameradschaft hört und das sie ihren Teil für Deutschland leisten.“ Sie sei sich darüber im Klaren, dass es auch darum gehe, „im Ernstfall dann vorne mitwirken zu können“. Ähnlich argumentiert auch ihr Kamerad Magnus Hefenbrock: „Wenn jeder wegsieht, haben wir das nächste Problem“, sagt der 21-Jährige. Er will nach der Grundausbildung zur Marineinfanterie und hat sich als Soldat auf Zeit für zwei Jahre verpflichtet.
Nur Hälfte des Bedarfs an Rekruten gedeckt
Die 1996 eröffnete MTS in Parow ist die größte Ausbildungseinrichtung der Deutschen Marine. Neben der Rekruten-Ausbildung werden hier auch Trainingslehrgänge für Marineangehörige durchgeführt. Allein für die Grundausbildung ist die MTS für mehr als 600 Rekruten pro Quartal ausgelegt. Aktuell liege der geforderte Bedarf bei 400, so der Lehrkommandeur, Fregattenkapitän Sebastian Vahl. Doch tatsächlich seien es durchschnittlich nur 200, die alle drei Monate ihre Grundausbildung antreten. Es ist also noch Luft nach oben.
Pistorius: Kriegstüchtig werden bis 2029
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) will angesichts der angespannten geopolitischen Lage Deutschland bis 2029 kriegstüchtig machen. Mehr Material, mehr Geld und mehr Personal, so seine Aussage. Ende August soll das Bundeskabinett über einen Gesetzentwurf für einen neuen Wehrdienst abstimmen, der möglichst Anfang 2026 in Kraft treten soll. Er setzt auf Freiwilligkeit und einen attraktiven Dienst mit höherem Sold, um mehr junge Leute für den freiwilligen Dienst in der Bundeswehr zu interessieren. Ziel ist es, bis zu 15.000 neue Wehrdienstleistende pro Jahr zu gewinnen. Ab 2027 soll außerdem zumindest eine Musterung verpflichtend werden.
Werbung um Rekruten „ein zähes Ringen“
Verstärkte Werbekampagnen für den freiwilligen Wehrdienst gab es auch in Parow, beispielsweise am Tag der Bundeswehr im Juli. Es sei ein zähes Ringen, sagt Vahl. Trotz der Anstrengungen der vergangenen Monate seien die Auslastungszahlen nur leicht nach oben gegangen. Man müsse sich mit den Angeboten absetzen – auch gegenüber Zoll und Bundespolizei. Mit der Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011, aber auch rückläufigen Geburtenzahlen sind die Rekrutenzahlen in der gesamten Marine deutlich gesunken: Laut Marinekommando von 3.600 im Jahr 2010 auf einen Tiefpunkt im Jahr 2023 mit 1.500 Rekruten. Immerhin: 2024 gab es einen leichten Zuwachs auf 1.700. Etwa die Hälfte der Rekruten bildet die Marine in Parow aus.
Über die Wehrpflicht entscheidet die Politik
Ob das Prinzip Freiwilligkeit ausreicht, um den Bedarf in den kommenden Jahren zu decken, das wird auch innerhalb der MTS diskutiert. Der Kommandeur der MTS Parow, Matthias Braband, betont, das Thema Wehrpflicht sei eine politische Entscheidung, die in Berlin getroffen werde. Aber er stellt auch fest: „Die bisherigen Anstrengungen in der Gewinnung von neuen Soldatinnen und Soldaten sind noch nicht so, wie ich sie mir wünsche.“ Nur „ein Bruchteil“ der zur Verfügung stehenden Kapazitäten sei ausgenutzt.
Rekruten befürworten Wehrpflicht
Die beiden Rekruten Laura Kunert und Magnus Hefenbrock befürworten eine Rückkehr zur Wehrpflicht. „Wir sind in einer Krisensituation. Wenn es nicht freiwillig passiert, dass Deutschland sich da aufrüstet, dann muss halt die Wehrpflicht kommen, meiner Meinung nach“, sagt Hefenbrock. Mit dieser Auffassung gehören die Beiden in ihrer Altersgruppe jedoch zur Minderheit. Laut einer repräsentativen Forsa-Umfrage von Anfang August sind 61 Prozent der befragten 18- bis 29-Jährigen gegen die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht. Bezogen auf alle Altersgruppen ist der Trend ein anderer: Insgesamt spricht sich eine Mehrheit von 61 Prozent für einen verpflichtenden Wehrdienst aus, wenn auf freiwilliger Basis nicht genug Soldaten gefunden werden sollten.
Das Vorhaben des Verteidigungsministers zur Sicherung des Bundeswehrpersonals wird in Mecklenburg-Vorpommern nur von CDU und SPD unterstützt.
Während die Debatte um die Wiedereinführung der Wehrpflicht läuft, entscheiden sich mehr Menschen – auch in MV – für die Bundeswehr als Arbeitgeber.