Großbritannien schiebt vor Gericht verurteilte Ausländer aus 15 weiteren Staaten künftig bereits nach dem erstinstanzlichen Richterspruch ab. Wie das Innenministerium am Sonntag bekannt gab, soll die „deport now, appeal later“ (erst abschieben, später Einspruch erheben) genannte Vorgehensweise unter anderem auch bei Menschen aus Indien, Indonesien, dem Libanon und Malaysia angewendet worden – sowie bei Bürgern aus den EU-Staaten Lettland und Bulgarien.
Betroffen sind demnach auch die afrikanischen Länder Angola, Botswana, Guyana, Kenia, Sambia und Uganda, außerdem Australien, Brunei und Kanada. Bislang war die Abschiebung nach der erstinstanzlichen Verurteilung bereits für Menschen aus acht Staaten vorgesehen, darunter Estland, Finnland, Belize und Tansania. Künftig können somit Ausländer aus 23 Staaten mit diesem Verfahren abgeschoben werden.
Berufung per Videoschalte
Einspruch gegen ihre Verurteilung können die Betroffenen erst nach ihrer Abschiebung und aus ihrem Herkunftsland einlegen. Dies soll per Videoschalte möglich sein. Das Innenministerium teilte zur Ausweitung des Programms mit, damit stärke Großbritannien seine Möglichkeiten, „ausländische Straftäter schnellstmöglich außer Landes zu befördern“. Ausnahmen gibt es jedoch für Mörder und Terroristen, die eine lebenslange Freiheitsstrafe verbüßen müssen. Sie sitzen ihre Strafe in einem britischen Gefängnis ab.
Der Schritt ist Teil des verschärften Vorgehens der Regierung von Labour-Premierminister Keir Starmer gegen irreguläre Migration. Zusätzlich soll es das Gefängnissystem entlasten, das an seiner Kapazitätsgrenze ist.
Ex-Justizminister kritisiert vermeintliche Straflosigkeit
Innenministerin Yvette Cooper teilte mit, „viel zu lange“ hätten „ausländische Kriminelle“ das britische Einwanderungssystem ausgenutzt und seien „monate- oder jahrelang im Land geblieben, während ihre Berufungsverfahren sich in die Länge zogen“. Dass die Verfahren sich so in die Länge ziehen, liegt unter anderem an der Überlastung der Gerichte.
© Lea Dohle
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Der ehemalige Justizminister Alex Chalk von den Konservativen kritisierte die Ausweitung der „Erst abschieben“-Praxis gegenüber dem britischen Guardian. „Es muss ein gewisses Maß an Gerechtigkeit geben“, sagte er. „Wer in unser Land kommt und ein Verbrechen begeht, muss mit einer Strafe rechnen.“
Labour weitet Tory-Politik aus
Die Vorgehensweise war 2014 von der konservativen Regierung unter David Cameron eingeführt worden. Sie war bis 2023 ausgesetzt und dann für zunächst acht Herkunftsstaaten wieder eingeführt worden.
Nach Angaben der britischen Regierung wurden seit Starmers Amtsantritt im Juli 2024 rund 5.200 verurteilte Ausländer aus Großbritannien abgeschoben, dies seien 14 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.