Die Stadt Wiesbaden wird in diesem Jahr insgesamt rund 2,8 Millionen Euro investieren, um mit neuartigen mobilen Sperren ihre Großveranstaltungen gegen mögliche Amokfahrer zu schützen. Bei einem Rundgang über das Festgelände der Rheingauer Weinwoche auf dem Schlossplatz hat Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende (SPD) gemeinsam mit drei weiteren Stadträten die beiden Poller-Varianten vorgestellt, die an den zahlreichen Zufahrtsstraßen nun anstelle der würfelförmigen Betonklötze zum Einsatz kommen.
Hersteller der beiden Sperrvorrichtungen der Marke Armis ist das Schweizer Unternehmen Consel, das mit der 750 Kilogramm schweren Variante One schon mehrere deutsche Großstädte beliefert hat. Diese stählerne Sperre sitzt auf einer flachen Vollgummirampe, die von Passanten mit Fahrrädern, Rollstühlen, Rollatoren und Kinderwagen bequem passiert werden kann. Für die Durchfahrt berechtigter Fahrzeuge kann die Stahlklappe mit wenigen Handgriffen flach abgesenkt werden. Eine Straßenzufahrt von sechs Meter Breite lasse sich so in rund 15 Minuten absperren, verspricht der Hersteller.
Zertifizierte Sicherheit und schneller Einsatz
Die Gummirampen gleichen leichte Straßenneigungen und Unebenheiten aus. Durch das rutschfeste Gummi sollen die Überfahrgeräusche auf ein Minimum reduziert werden. Anders als die Betonklötze sind diese stählernen Sperren zertifiziert und genügen damit den vor wenigen Monaten noch einmal verschärften Anforderungen des Landes Hessen an die Sicherung von Großveranstaltungen.
Laut Hersteller ist die Voraussetzung für das Zertifikat, dass ein 7,5 Tonnen schwerer Lastwagen mit einem Tempo von 48 Stundenkilometern unmittelbar gestoppt wird. Beim Aufprall eines Fahrzeugs graben sich Ankerkrallen in den Untergrund und leiten so die Energie des Fahrzeugs in den Boden. Crash-Videos im Internet zeigen, wie das Fahrerhaus von Lastwagen beim Aufprall auf die Sperre stark beschädigt und ein Weiterrollen unmittelbar unterbunden wird. Als maximale „Eindringtiefe“ eines möglichen Amokfahrers in das Areal hinter der Sperre werden 8,30 Meter genannt. In diesem Abstand zur Sperre können somit die ersten Buden oder Weinstände aufgebaut werden.
Amokfahrer kämen nicht weit
Als erste deutsche Stadt hatte Wiesbaden zudem Zugriff auf die zweite Sperrenvariante Go, die überall dort zum Einsatz kommt, wo eine Durchfahrt von Fahrzeugen nicht geplant ist. Die Sperre ist mit gut 600 Kilogramm etwas leichter und lässt eine „Eindringtiefe“ von gut zwölf Metern zu. Insgesamt hat Wiesbaden 60 Armis One und 150 Armis Go bestellt, die auch bei Stadtteilfesten flexibel zum Einsatz kommen werden. Weil noch nicht alle Sperren ausgeliefert wurden, ist ein Teil gemietet. Spätestens zum Stadtfest Ende September will Wiesbaden aber die Zufahrtssicherheit aus eigener Kraft gewährleisten können. Für die neuen Sperren werden eigens Lagerräume benötigt.
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Die mit dem schon im Jahr 2018 aufgestellten Zehn-Punkte-Plan „Gemeinsam Sicheres Wiesbaden“ vorgesehenen versenkbaren Poller an neuralgischen Punkten in der Innenstadt sind damit aber noch nicht vom Tisch. Ein System von rund 30 versenkbaren Pollern ist laut Baudezernent Andreas Kowol (Die Grünen) aber teurer als ursprünglich gedacht. Vor sieben Jahren war die Stadt noch von Kosten in Höhe von zehn bis 15 Millionen Euro für eine umfassende Poller-Lösung ausgegangen. Inzwischen kalkuliert Kowol eher mit 25 bis 30 Millionen Euro und einer allenfalls schrittweisen Einführung.
Versenkbare Poller bleiben Option
Als schwierig erweist es sich auch, an manchen Stellen ausreichend Platz im Boden für die Installation der Poller zu finden, weil dort Leitungen oder Kanäle liegen. Am Eingang zur Fußgängerzone Wellritzstraße will die Stadt aber Erfahrungen sammeln, auch mit der Steuerung und der Gewährung von einmaligen oder temporären Zufahrtsberechtigungen. Weiterhin geplant sind versenkbare Poller unter anderem in der Nähe des Landtags.
Der Oberbürgermeister nennt die mobilen Poller eine „rundum gelungene Lösung“ für Wiesbaden. Die Verantwortlichen hätten sich bis zu dieser Lösung mit der Sicherheit intensiv beschäftigt und „schlaflose Nächte“ verbracht. Mende erinnert daran, dass zu Jahresbeginn der Fastnachtsumzug noch „auf der Kippe gestanden“ habe wegen der verschärften Vorgaben des Landes. In vielen Sitzungen sei es dann gelungen, einen „verhältnismäßigen“ Anforderungskatalog an die Kommunen zu erreichen.
„Wir tun alles, was möglich und nötig ist“, versicherte Bürgermeisterin Christiane Hinninger (Die Grünen). Im Gegensatz zu anderen Kommunen im Land habe in Wiesbaden bisher keine Veranstaltung wegen der Sicherheitsanforderungen abgesagt werden müssen. „Nur wer sich sicher fühlt, der kann auch ausgelassen feiern.“