Der Start des Ocean Race Europe war spektakulär. Die sieben Imoca-Yachten rasten los in Richtung des ersten Wertungs-Gates und zeigten, welches Speedpotenzial sie haben. Doch bereits nach einer Meile kam es zum Super-GAU. Zwei der sieben Rennyachten rauschten mit heftigem Schaden ineinander. float hat berichtet – mit spektakulären Videoaufnahmen, die eine unübersichtliche Situation zeigten.
Die Top-Teams kämpften zum Start um die Top-Position. © Lloyd Images / The Ocean Race Europe 2025
Es war ein Unglück mit Ansage: In einem Interview vorm Start zeigte sich Malizia-Skipper Boris Herrmann besorgt über die kurze Distanz zum ersten Wertungsgate. Das hat die Teams gezwungen, direkt nach dem Start auf volles Tempo und damit volles Risiko zu gehen. um die möglichen zwei Zusatz-Wertungspunkte zu bekommen.
Mit einer relativ kurzen Startlinie und einem Halbwind-Kurs zum ersten Gate hieß es also „Straßenbahn-Fahren“ zur ersten Bahnmarke. Alle haben den gleichen Kurs, es geht um reinen Speed und eine möglichst geringe Abdeckung durch andere Boote. Die Luftbilder zeigen, wie eng es in der foilenden Flotte bei Geschwindigkeiten über 20 Knoten zuging.
Der Supergau
Bereits auf der ersten Meile kam es zu einer Verkettung unglücklicher Umstände, die zum Crash führten. Holcim PRB legte sich knapp hinter Paprec Arkéa auf die Seite und fuhr einen Sonnenschuss. Sie waren zu diesem Zeitpunkt mit vollem Großsegel und Fractional-0-Gennaker unterwegs.
Bei Betrachtung der Videos des Vorfalls aus verschiedenen Perspektiven sieht man, dass zum Zeitpunkt des Vorfalls der Kiel nicht nach Luv geschwenkt war. Das wäre aber auf so einem Kurs notwendig und normal. Die Kiele der Imocas können bis zu 35 Grad nach Backbord oder Steuerbord geschwenkt werden. Damit wird das Boot aufrechter gehalten, und man kann mit einem besseren Hebel dem Segeldruck entgegenwirken. Gerade bei den Bedingungen, die beim Start auf der Kieler Förde herrschten, ist das absolut notwendig, um stabil zu segeln und zu foilen.
Bleibt bei diesen Bedingungen am Starttag der Yacht-Kiel aber in der Mitte oder ist sogar nach Lee geschwenkt, fehlt aufrichtendes Moment. Das Boot legt sich auf die Seite, verliert Anströmung am Ruderblatt und dreht den Bug Richtung Wind. Genau das ist bei Holcim passiert. Das Vorsegel hatte noch voll Druck, das Großsegel war schon komplett aufgefiert und hatte einen Gegenbauch gebildet. Das Boot lag komplett auf der Seite. Der leewärtige Outrigger war im Wasser und der Kiel nicht nach Luv geschwenkt.
Der Kiel steht falsch
Das ist das zwar äußerst unglücklich, wäre aber nicht weiter tragisch. Außer man ist in einem so engen Kampf mit anderen Booten. Es ist eine Situation, die auf dem Niveau von Weltklasseseglern eigentlich nicht passieren sollte, aber halt mal passieren kann. Warum der Kiel nicht in Luv war, darüber kann man nur spekulieren. Es kann ein technischer Defekt an Bord sein, aber auch einfach eine Fehlbedienung der Kielsteuerung im Eifer des Gefechts.
Gerade als die Holcim PRB dann auch den Fractional-Gennaker aufschmeißt, damit aller Segeldruck aus dem Boot ist und es anfängt sich wieder aufzurichten, kommt von hinten Allagrande Mapei angeschossen. Sie kommen mit einem J0 und vollem Großsegel von achteraus. Dabei fahren sie augenscheinlich leicht tiefer und kollidieren mit der ausgebremsten Holcim-Yacht.
Holcim wirft sich auf die Seite. Es scheint, als stehe die Kielbombe nicht in Luv. © Kerstin Zillmer
Das Foil von Holcim durchschneidet dabei das Vorsegel und die Spitze bohrt sich noch durch den untersten Bereich des Großsegels. Der leewärtige Outrigger – die Decksaling – von Mapei reißt hinterm vorderen Ende Holcim-Cockpits ein großes Loch in deren Rumpf. Beide Boote brechen die erste Etappe ab, um zu Reparaturen zurück in den Hafen zu fahren.
Mapei reagiert nicht
Wieso hat man bei Allagrande Mapei nicht reagiert, und wie steht es mit der Vorfahrt? Alle sieben Boote fuhren auf nahezu derselben Linie von der kurzen Startlinie zum ersten Gate und hatten dadurch nur wenig Querabstand zueinander. Parallel bewegten sich die Boote mit Geschwindigkeiten über 20 Knoten – mit vier Seglern und einem Onboard-Reporter an Bord.
Auf Mapei sitzt der Skipper Ambrogio Beccaria mit der Pinne in Luv. Er steuert das Boot, während Thomas Ruyant ebenfalls an Deck die Umgebung und die Segel im Auge behält. Die anderen beiden Teammitglieder bedienen unter Deck Winschen und Grinder. Der Reporter scheint ebenfalls die Action unter Deck einzufangen.
Kurz vor dem Crash wirft Thomas Ruyant noch einen Blick nach Lee – auf die Umgebung, auf das Vorsegel. Ob er die Holcim PRB zu diesem Zeitpunkt sieht, ist unklar. Holcim liegt noch leicht voraus und ist möglicherweise verdeckt durch das große Vorsegel.
Vorheriger Artikel:
Kollision vor Kiel: Drama-Start beim Ocean Race Europe