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Im Awo-Prozess vor dem Landgericht Frankfurt kommen der Insolvenzverwalter und der jetzige Awo-Vorsitzende zu Wort – mit teils verheerenden Aussagen.
Frankfurt – „Das war entweder extrem ungeschickt, oder …“ Insolvenzverwalter Frank Mößle lässt den Satz unvollendet, um dann doch noch ein klares Urteil abzugeben: „Die Protect wurde im Grunde ausgeplündert.“ Diverse Verträge, die der damalige, nun angeklagte Geschäftsführer der Awo Protect, Klaus R., abgeschlossen hatte, seien für das Unternehmen „sehr ungünstig“ gewesen, viele von ihnen kamen im Prozess vor der 24. Wirtschaftsstrafkammer des Frankfurter Landgerichts auch bereits zur Sprache.
Der Hauptsitz der Frankfurter Arbeiterwohlfahrt (Awo) in der Henschelstraße im Osten der Stadt. © Arne Dedert/dpa
So etwa der Kauf extrem überteuerter Arbeitskleidung, der Schreibtisch, der von der Protect bezahlt, aber in die Kanzlei von R.s Kumpel Panagiotis T. geliefert wurde, hohe Maklergebühren an R.‘s Kumpel Christian M., der der Protect Räume im gleichen Gebäude „vermittelte“, hohe Beratungsgebühren an R.‘s Kumpel Menahem E., unter anderem für eine Israel-Reise des Ehepaars Richter. „An verschiedenen Punkten ist ganz klar herausgekommen, dass sich Leute bereichert haben“, sagt Mößle.
Insolvenzverwalter sagt im Awo-Prozess vor dem Landgericht Frankfurt aus
Die Protect war 2017 als Tochterfirma der Awo Frankfurt gegründet worden, um die Geflüchteten in deren zwei Unterkünften kultursensibel zu betreuen und zu beschützen. Anfang 2020 musste das Unternehmen Insolvenz anmelden, R. wird unter anderem Insolvenzverschleppung vorgeworfen. Außerdem soll er Scheinarbeitsverträge geschlossen und überhöhte Rechnungen gestellt haben. Auch seine ehemalige Verwaltungsleiterin ist angeklagt.
Mehr als 20 Gläubiger warteten noch auf ihr Geld, sagte Mößle, darunter Finanzamt, Sozialkasse – und natürlich der Kreisverband Frankfurt, der der Protect Darlehen über Hunderttausende von Euro gewährt hatte, das letzte zwei Monate vor deren Insolvenzantrag. Wie viel Geld für die Gläubiger schlussendlich herausspringen werde, sei noch nicht klar, so der Insolvenzverwalter weiter, da er zunächst den Ausgang eines Rechtsstreits zwischen ihm und R. abwarten müsse.
Aussagen von Awo-Vorstandsvorsitzendem vor Gericht ähnlich verheerend
Auch in diesem Verfahren lautet der Hauptvorwurf Insolvenzverschleppung. Wird Klaus R. in diesem Verfahren nachgewiesen, dass er seine Pflichten als Geschäftsführer verletzt hat, droht ihm eine Rückzahlung in Höhe von mehr als zwei Millionen Euro. Ein erstes Vergleichsangebot R.s sei laut Mößle „nicht diskutabel“ gewesen, sobald ein ernsthaftes Angebot vorliege, werde er es der Gläubigerversammlung vorlegen. Normalerweise bevorzugten diese den Spatz in der Hand, „da in diesem Fall aber die Emotionen hochkochen, kann es sein, dass die Gläubiger sagen: Wir wollen das bis zur letzten Instanz durchfechten.“ Dann könnte das Insolvenzverfahren noch Jahre dauern.
Nach Mößle betritt Steffen Krollmann, der aktuelle Vorstandsvorsitzende des Awo-Kreisverbands, den Zeugenstand – und seine Aussagen sind ähnlich verheerend. „Spätestens mit dem Jahresabschluss 2018 hätte allen klar sein müssen, dass eine Überschuldung der Protect vorliegt“, sagt er. „Und wenn ein Geschäftsführer das weiß, und keine positive Fortführungsprognose hat, kann er nicht hingehen und sagen: Ich brauche ein Darlehen.“ Ein einziges Mal, beim Gespräch über die sofortige Auflösung des Arbeitsverhältnisses von R., habe er mit diesem über das Thema gesprochen. „Da war er felsenfest sicher, dass alles so richtig war, wie er es gemacht hat.“
Doch auch die damalige Awo-Führung sei nicht unschuldig: So hätte Panagiotis T. – R.s Kumpel mit dem Schreibtisch, der damals zum Awo-Vorstand gehörte und fast alle Darlehenstranchen freigegeben hat – diese mit seinem Wissen als Jurist keinesfalls genehmigen dürfen. „Das war sehr kumpelhaft und wenig professionell.“ Niemand aus der Führungsriege habe sein Vorgehen geprüft. Der Prozess wird am Montag fortgesetzt, das Urteil soll Ende September fallen.