„Typisch für eine solche Urbanisierung geringer Dichte sind gleichmäßig verteilte, nicht abgegrenzte halburbane Siedlungen, die von landwirtschaftlichen Flächen durchsetzt sind“, erklären Francisco Estrada-Belli von der Tulane University in News Orleans und seine Kollegen. Zwischen diesen weit verstreuten Stadtsiedlungen lagen dünn besiedelte Flächen mit nur kleinen, weitgehend von den Ballungsräumen isolierten Dörfern – so glaubte man.

Bis zu 60 Siedlungsspuren pro Quadratkilometer

Damit lag man falsch, wie nun Estrada-Belli und sein Team entdeckt haben. Für ihre Stude hatten sie staatliche und private LIDAR-Kartierungen kombiniert und ausgewertet, die zusammen ein rund 95.000 Quadratkilometer großes Gebiet im zentralen Maya-Tiefland abdecken. Anhand der in diesen Kartierungen neu entdeckten Besiedlungsspuren konnten sie erstmals für diese Region in Guatemala, dem Süden Mexikos und dem Westen von Belize abschätzen, wie viele Menschen dort in der klassischen Maya-Periode lebten.

Die Auswertungen enthüllten Überraschendes: Der vermeintlich kaum besiedelte Dschungel war von einem dichten Netz an Maya-Bauten durchzogen – von Tempeln und Plazas bis zu kleineren Siedlungen, Steinmauern und Feldern. Auch abseits der größeren Zentren wie Tikal, Chactun oder Calakmul zeigten sich in den Kartierungen Spuren der Besiedlung. Das Team identifizierte im zwischen 30 und 60 Siedlungsstrukturen pro Quadratkilometer, im Nordteil des Gebiets war die Dichte deutlich höher als im Südteil.
DichtekartenAus den LIDAR-Daten ermittelte Dichtekarten für Maya-Bauten (schwarz) und landwirtschaftliche Strukturen im Gebiet um Chactun, Tikal, Holmul und La Corona. © Estrada-Belli et al./ Journal of Archaeological Science: Reports, CC-by-nc-nd 4.0

Doppelt so hohe Bevölkerungsdichte

Daraus ergibt sich auch eine unerwartet hohe Bevölkerungsdichte der Tiefland-Maya: „Wir haben gegenüber früheren Schätzungen einen leichten Anstieg der Bevölkerungsdichte erwartet – aber ein Sprung um 45 Prozent war wirklich überraschend“, sagt Estrada-Belli. Demnach lebten im südlichen Teil des Studiengebiets 67 bis 113 Menschen pro Quadratkilometer. Im zuvor kaum untersuchten Nordteil fanden sich dagegen 154 bis 260 Menschen pro Quadratkilometer.

Insgesamt könnten demnach allein in den 95.000 Quadratkilometern des Maya-Tieflands 9,5 bis 16 Millionen Menschen gelebt haben – fast doppelt so viel wie zuvor geschätzt. „Die Maya hören nie auf, mich zu überraschen“, sagt Estrada-Belli. „Unsere neuen Daten enthüllen, wie dicht besiedelt und organisiert die Tiefland-Maya auf dem Höhepunkt ihrer Zeit waren.“ Gerade das nördliche Tiefland sei den neuen Daten zufolge alles andere als dünn besiedelt und ländlich gewesen.

Verblüffend geordnete, hierarchische Struktur

Doch das war nicht die einzige Überraschung: Die LIDAR-Kartierung enthüllte auch eine unerwartet einheitliche, hierarchische Struktur der Maya-Besiedlung. „Wir haben im gesamten Gebiet ein einheitliches Muster beobachtet: Wohnsiedlungen und landwirtschaftliche Nutzflächen gruppieren sich jeweils um Plazas mit den Wohnstätten der Eliten. Diese kleineren Plaza-Gruppen bilden wiederum Cluster um mittlere und größere urbane Zentren“, berichtet das Team.

Durch diese gestaffelte Struktur war kaum eine Maya-Wohnstätte oder Siedlung weiter als fünf Kilometer von der nächsten Plazagruppe entfernt, wie Estrada-Belli und seine Kollegen erklären. Diese flächendeckende Vernetzung könnte eines der Erfolgsgeheimnisse der Maya-Kultur gewesen sein: Die hierarchische Siedlungsstruktur ermöglichte es selbst im Dschungel, Ressourcen, Güter und Informationen effektiv zu verteilen.

Komplexer Urbanismus

„Zusammengenommen sprechen unsere Ergebnisse dafür, dass der Urbanismus der Maya ausgedehnter, komplexer, strukturierter und einheitlicher war als zuvor angenommen“, sagt Estrada-Belli. „Wir haben nun weitere eindeutige Belege dafür, dass die Maya-Gesellschaft sowohl in den Städten wie den ländlichen Gebieten hochgradig strukturiert war – und weit fortgeschritten in ihrer sozialen und wirtschaftlichen Organisation.“ (Journal of Archaeological Science: Reports, 2025; doi: 10.1016/j.jasrep.2025.105288)

Quelle: Tulane University







13. August 2025

– Nadja Podbregar