Zwei Tage nach der Kollision zwischen den Teams Holcim-PRB und Allagrande Mapei Racing, hat das Ocean Race Europe die Verhandlung der von beiden Rennställen eingereichten Proteste für den Zwischenstopp in Cartagena angekündigt. Weil nicht klar war, ob und wann die Teams nach den auf Hochtouren laufenden Protesten den ersten Etappenhafen Portsmouth erreichen werden, entschied man sich, den Fall erst im spanischen Zielhafen der zweiten Etappe von Portsmouth via Porto-Fly-by nach Cartagena zu verhandeln.

Ocean Race Europe: Wiedergutmachung nach Crash möglich

Der komplexe Fall der Ocean-Race-Europe-Kollision, die sich keine zwei Minuten nach dem Kiel-Start ins 2. Ocean Race Europe ereignet hatte, geht vor die Internationale Jury, die von World Sailing ernannt und sanktioniert wurde. Die Jury bilden International Judges (IJ) und International Umpires (IU): Andrés Pérez (IJ und IU, Vorsitzender, Spanien), Miguel Allen (IJ & IU, Portugal), Chris Atkins (IJ & IU, Großbritannien), Corinne Aulnette (IJ, Frankreich), María Toriijo (IJ & IU, Spanien) und Sofia Truchanowicz (IJ & IU, Polen).

Rennleiter Phil Lawrence nannte gleich mehrere Gründe für den auf den ersten Blick spät wirkenden Zeitpunkt der Anhörung: „Erstens konzentrieren sich die betroffenen Teams derzeit auf die Reparatur der Schäden und tun alles, um wieder ins Rennen zurückzukehren. Sollten sie in den nächsten Tagen wieder aufs Wasser zurückkehren können, bleibt ihnen in Portsmouth wahrscheinlich nicht genug Zeit, um sich angemessen auf die Anhörung vorzubereiten.”

Zweitens, so Lawrence, könne das Ergebnis der Anhörung sein, dass einem Team von der Jury eine Wiedergutmachung zugesprochen wird. Die Wiedergutmachung könne in diesem Fall darin bestehen, dass dem Team auf der Grundlage seiner bisherigen Rennleistung durchschnittliche Punkte für die verpasste Etappe zugesprochen werden. “Das wäre in Portsmouth nicht möglich”, so Lawrence. Beide Teams arbeiten weiterhin intensiv am Comeback, während die verbliebene Flotte der fünf Boote dem ersten Etappenhafen Portsmouth entgegenstrebt. Zum Live-Tracker geht es hier.

Positionspoker im Ärmelkanal

Auch nach der dritten Nacht verteidigte Paul Meilhats Team Biotherm die Führung. Die am Dienstag angeschwollenen Rückstände der Verfolger sind wieder geschrumpft. Zuletzt jagten “Paprec Arkéa” und “Malizia – Seaexplorer” der französische Spitzenreiterin mit rund 18 und 31 Seemeilen Rückstand hinterher. Die führende Gruppe näherte sich am Mittwochvormittag der Einfahrt in den Englischen Kanal, die etwa zehn Kilometer östlich der Linie zwischen Dover und Calais liegt.

Zwei historische Landmarken – der Leuchtturm Phare de Walde auf der französischen Seite und der Leathercoat Point auf der englischen Seite – bilden die Ostgrenze des Ärmelkanals zur Nordsee. Die Ocean-Race-Europe-Flotte wird nach der Kanalpassage am Donnerstag in Portsmouth erwartet. Zuvor müssen die Crews aber trotz zunehmender Müdigkeit noch eine weitere Zone mit nervenaufreibenden Strömungen und unzähligen Manövern meistern.

Weniger als 120 Seemeilen waren es am Donnerstagmorgen noch bis ins Ziel. Es liegt aber alles andere als ein einfacher Schlussspurt voraus. „Die gesamte Strecke entlang der englischen Küste wird uns schwer zu schaffen machen; sie kann sehr unberechenbar sein“, weiß Boris Herrmanns britischer Co-Skipper Will Harris nur zu gut. Am Vortag hatten die Crews in der Nordsee mit leichten Winden am Rand eines Hochdruckgebiets zu kämpfen.

Ocean Race Europe: keine halbe Stunde ohne Manöver

Während Yoann Richomme (Paprec Arkéa) sich darüber freute, „schneller als erwartet durchgekommen” zu sein, räumte Will Harris ein, dass das Team Malizia „dort viel mehr Zeit verloren hat, als wir gedacht hatten. Es fühlte sich an, als würden wir feststecken, das war frustrierend.“ Dabei war Team Malizia zwischenzeitlich bis auf zweieinhalb Meilen an “Paprec Arkéa” herangekommen, musste dann aber den Abstand wieder wachsen sehen.

Nach zwischenzeitlichen Traumbedingungen hatten die Crews dann ab Dienstagabend in der Nacht zum Mittwoch noch einmal in einer flauen Zone zu kämpfen. „Ein weiterer Faktor, der die Sache kompliziert macht, ist die Strömung“, erklärte Paul Meilhat. Und auch dies: „In der Nacht sind wir sogar rückwärts gefahren!“

Leichter wird es auch an diesem Mittwoch nicht. „Wir werden den größten Teil des Tages keinen Wind haben“, sagt Yoann Richomme. „Wir müssen versuchen, einen Weg durch den Süden zu finden, aber das wird angesichts der Strömung, der Sandbänke und der Sperrzonen (TSS) nicht einfach werden. Wir werden den ganzen Tag kämpfen, um voranzukommen!“ Das deckt sich mit der Einschätzung von Will Harris.

Auf Schlängelkurs nach Portsmouth

Die Flotte wird sich zwischen der englischen Küste und der Schifffahrtsstraße hindurchzuschlängeln. „Wir werden den ganzen Tag lang wenden und zwischen den beiden hin- und herpendeln“, beschrieb Paul Meilhat die aktuelle Aufgabe. „Bis zum Ende des Rennens werden wir keine halbe Stunde ohne Manöver haben!“

Gemeines Rückwärtsfahren erlebte auch Team Malizia dann am Mittwochmorgen, wie Boris Herrmann von See berichtet: “Wir waren gerade erst einmal wieder froh vorwärts zu kommen – nach drei Stunden rückwärts. Dann sehen wir mal, was jetzt geht.”

Nordsee-Bilder von “Malizia – Seaexplorer: