Applaus ist aufgebrandet im Bundeskanzleramt nach Ende des Telefonats mit Donald Trump. In der ukrainischen Delegation, die ihren Präsidenten nach Berlin begleitet hatte, herrschte deutschen Regierungskreisen zufolge, große Zufriedenheit, als die Vorbereitung des bevorstehenden Alaska-Gipfels zwischen dem US-Präsidenten und Kremlchef Wladimir Putin abgeschlossen war.
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Trotz der „positiven, vereinten Stimmung“, die Wolodymyr Selenskyj ausgemacht hat, will der aus Kiew angereiste Staatschef mit Blick auf den Freitag nicht zu viele Hoffnungen wecken. Zu oft hat sich Trump erst im Sinne der Europäer geäußert, um dann verbal doch wieder auf Putin zuzugehen, als dass Selenskyj schon vorab ein historisches Treffen beschwören möchte: „Ich will das so noch nicht sehen.“
Als Gastgeber ist Bundeskanzler Friedrich Merz weniger zurückhaltend. „Es gibt Hoffnung auf einen Frieden in der Ukraine“, sagt er im Anschluss an das Gespräch mit dem Amerikaner, dem er „Erfolg“ in Anchorage wünscht.
Trump droht Russland mit „sehr schweren Konsequenzen“
Mehr Grund zur Zuversicht herrscht aus europäisch-ukrainischer Sicht aber schon nach den drei Schaltkonferenzen des Tages. Auch von Erleichterung ist die Rede, weil die Sorge, dass am Freitag elementare Sicherheitsinteressen der Europäer für einen falschen Frieden in der Ukraine geopfert werden könnten, durch die Einlassungen Trumps deutlich verringert werden konnten.
So soll der US-Präsident in der Runde gesagt haben, dass ein ukrainischer Verzicht auf Gebiete nicht seine Entscheidung sein könne, wie Diplomaten im Anschluss berichteten.
Seit’ an Seit’ sitzen der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und Bundeskanzler Friedrich Merz in einer Video-Schaltkonferenz.
© AFP/JOHN MACDOUGALL
Der US-Präsident drohte Russland mit „sehr schweren Konsequenzen“, sollte Putin nicht zu Zugeständnissen bereit sein. Trump dämpfte bei einem Termin am Mittwochmittag (Ortszeit) im Kennedy Center in der US-Hauptstadt Erwartungen an das Treffen. Auf die Frage, ob er glaube, Putin von weiteren Angriffen auf ukrainische Zivilisten abbringen zu können, sagte Trump: „Nein, ich glaube nicht.“
Keine reine Symbolik: Selenskyj hat seinen Platz an der Seite der Europäer
Das Treffen in der Alaska kann aus Sicht der Bundesregierung ohnehin nur den Auftakt für einen Verhandlungsprozess bilden, in den die Ukraine dann gleichberechtigt eingebunden gehört. „Kiew“, sagte Merz, „muss mit am Tisch sitzen.“
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Dass Selenskyj extra nach Berlin gereist ist, um in einer Reihe von Videoschalten neben dem Kanzler sitzen zu können, geht über die reine Symbolik hinaus. Washington soll damit signalisiert werden, dass der Mann, der Anfang Februar im Weißen Haus vorgeführt wurde, seinen Platz an der Seite der Europäer hat und nicht einfach übergangen werden kann. Merz & Co. bestehen gegenüber Trump auch darauf, dass er über sein Treffen mit Putin zuerst dem ukrainischen Präsidenten Bericht erstattet.
Der Grundstein dafür wurde nicht nur in Vorgesprächen der vorangegangenen Tage gelegt. Das Mittagessen in der Kanzlerwohnung im achten Stock der Regierungszentrale dient Merz und Selenskyj ebenfalls der Vorbereitung. Man feilt an den Kernforderungen und Regierungskreisen zufolge an einem „Spielplan“ für die Runden am Nachmittag, „wie man sich die Bälle zuspielt“.
Merz und Selenskyj gehen auf fünf Punkte ein
Zuerst koordinieren sich die Europäer untereinander. „In dieser Runde sind die fünf Punkte vereinbart worden, die man gemeinsam dem amerikanischen Präsidenten übermittelt hat“, heißt es aus dem Umfeld des Kanzlers, „als europäischer Input für Alaska“. In den Vorgesprächen habe nicht zuletzt US-Vizepräsident JD Vance darauf gepocht, dass die Europäer ihre Anliegen genau ausbuchstabieren.
Auf die fünf Punkte ist Kanzler Merz auch in der kurzen Pressekonferenz mit Selenskyj eingegangen. Dazu gehört beispielsweise die generelle Bereitschaft, trotz aller verfassungsrechtlichen Probleme in der Ukraine über Gebietsfragen zu reden – aber ohne eine formelle Anerkennung. Als Voraussetzung dafür wird gesehen, dass Kiew eingebunden und die sogenannte Kontaktlinie der Ausgangspunkt ist. Russische Territorialansprüche, die über den aktuellen Frontverlauf hinausgehen, werden ganz grundsätzlich zurückgewiesen.
Wie auch bei der Forderung, dass ein bedingungsloser Waffenstillstand am Anfang jedes weitergehenden Verhandlungsprozesses stehen muss, hoffen die Europäer nach ihrer Unterhaltung mit dem US-Präsidenten, dass er sich wie zugesagt tatsächlich dafür einsetzen wird.
Kanzler Merz erinnert öffentlich daran, dass alle bisherigen Friedensanläufe mit Putin zu noch brutaleren, russischen Angriffen auf die ukrainische Zivilbevölkerung geführt haben. Die Hoffnung aber ist, dass die Aussicht für Russlands Wirtschaft, nun nicht nur europäischen, sondern auch amerikanischen Sanktionen ausgesetzt zu werden, diesmal tatsächlich etwas ändern könnte – und auch Trump uneingeschränkt an Bord ist.
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So sind die fünf europäischen Punkte, zu denen auch das Recht auf eine zur Selbstverteidigung fähige und mit Sicherheitsgarantien ausgestattete Ukraine zählt, Regierungskreisen zufolge von US-Seite „unwidersprochen“ geblieben. Einen Plan B für den Samstag, falls sich Trump doch wieder von Putin beeindrucken lassen sollte, gibt es zwar angeblich nicht. So oder so will sich die EU-Seite am Samstag aber sofort wieder zusammenschalten.
Unbeeindruckt soll Trump angeblich auch vom militärischen Geschehen in der Ukraine gewesen sein. Der angebliche Frontdurchbruch solle einen falschen Eindruck für die Gespräche in Alaska verbreiten, so Selenskyj: „Das ist ein Bluff.“