Eltern töten Inass (4), aber ein Prozess ist bisher nicht geplantPetition fordert endlich Gerechtigkeit für die „Märtyrerin der A10“
Dieses Plakat mit der schlichten Frage „Wer ist sie?” und den wenigen bekannten Informationen wurde in ganz Frankreich ausgehängt.
Handout13. August 2025 um 10:00 Uhr
Wer ist sie?
Diese drei Worte über dem Foto dieses toten Mädchens haben Frankreich drei Jahrzehnte lang nicht losgelassen. So lange dauert es, bis die Leiche der kleinen Inass identifiziert ist. Schuld am Tod der „kleinen Märtyrerin der A10“, wie sie in den Medien genannt wurde? Wohl ihre Eltern. Wann wird ihnen endlich der Prozess gemacht? Das fragen sich viele Menschen. Und versuchen jetzt mit einer Petition, ihrer Justiz Beine zu machen, wie der Sender BFMTV berichtet.
„Ihr Körper wies die Spuren jahrelanger Folter auf”
Rückblende: am 11. August 1987 wird in einem Graben an der Autobahn 10 in der Nähe der Stadt Blois an der Loire die Leiche eines Kindes gefunden. Sie ist bekleidet, liegt unter einer Decke. Das Mädchen wurde vor seinem Tod schwer misshandelt. „Ihr Körper wies die Spuren jahrelanger Folter auf: Knochenbrüche in verschiedenen Stadien, menschliche Bisse, Verbrennungen durch Eisen, eine mit Zähnen abgerissene Brustwarze, ein geschwollenes Gesicht“, schreibt der Kinderschutzverein „Mouv’enfants“. Die Identität kann nicht geklärt werden.
Obwohl der Mord eine der laut des britischen Senders BBC „größten Ermittlungen in der Geschichte Frankreichs“ auslöst, kann er nicht geklärt werden. Zwei Zahlen verdeutlichen, wie sehr sich die Ermittler bemühen: Sie besuchen dem Bericht zufolge rund 65.000 Schulen und kontaktieren 6.000 Ärzte oder Tagesmütter, um den Namen des Opfers herauszufinden. 1997 wird der Fall für ungelöst erklärt. Die Leiche wird in einem anonymen Grab beigesetzt.
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Kommissar Zufall bringt die Ermittler auf die richtige Spur
Dennoch gibt die Polizei nicht auf. Sie druckt Plakate, veröffentlicht Aufrufe. Unter der Frage „Wer ist sie?“ steht das bisschen, was die Ermittler wissen. Wo sie gefunden wurde, dass ihr kurzes und trauriges Leben nur etwa drei bis fünf Jahre dauerte. „Kleine Märtyrerin der A10“ taufen französische Medien das Kind, in Anlehnung an seinen Fundort und angesichts der schlimmen Verletzungen.
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Im Jahr 2016 nimmt die Polizei einen Mann wegen eines Gewaltdelikts fest. Ein Zufallstreffer. Der DNA-Abgleich identifiziert ihn als Bruder des Mädchens, das 29 Jahre vorher unbekannt getötet und an der Autobahn 10 abgelegt wurde. Diese Spur führt die Ermittler zu den Eltern des Kindes. Das aus Marokko stammende Ehepaar, beide älter als 60, ist längst getrennt. Vater und Mutter werden an unterschiedlichen Orten, in der Nähe von Paris und im Nordosten des Landes, festgenommen. Sieben Kinder haben die beiden, eines davon ist seit Jahrzehnten tot: Inass. Sie wurde nur vier Jahre alt.
„Haben Eltern das Recht, über Leben und Tod ihrer Kinder zu entscheiden?”
31 Jahre nach dem traurigen Fund der Leiche an der Autobahn hat die kleine Märtyrerin endlich einen Namen. Die Eltern stehen unter Verdacht, ihr Töchterchen so schwer misshandelt zu haben, dass es starb. Seitdem ist nicht mehr viel passiert, zumindest nichts, von dem die Öffentlichkeit wüsste.
„1987 Mord an Inass, 2018 DNA-Identifizierung, 2025 noch immer kein Prozess”, fasst der Kinderschutzverein „Mouv’enfants“ zusammen.
mesopinions.com
Das will „Mouv’enfants“ jetzt ändern. Der Verein ruft eine Online-Petition mit dem Ziel ins Leben, dass endlich rechtliche Schritte eingeleitet werden. Den Eltern müsse der Prozess gemacht werden, fordert der Verein. „Ihre Eltern haben 30 Jahre lang damit gelebt, ohne etwas zu sagen. Heute sind sie frei. Wie kommt es, dass es keinen Prozess gibt? Haben Eltern das Recht, über Leben und Tod ihrer Kinder zu entscheiden?“, echauffiert sich Mouv’enfants-Päsident Arnaud Gallais laut BFMTV.
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Bislang scheitert der Prozess dem Bericht zufolge daran, dass es angeblich in ganz Frankreich keinen geeigneten Gerichtssaal dafür gebe. „Inakzeptabel“, tobt Gallais in der Petition. „Wem wollen sie etwas vormachen?“, fragt er mit Blick auf die Begründung des fehlenden Raums. Es folgt der persönliche Appell an Justizminister Gérald Darmanin.
„Was für eine Schande für Frankreich!“
Er müsse sich öffentlich äußern und aktiv für die Suche nach einem geeigneten Saal für die Anhörung einsetzen, fordert der Kinderschützer. Polizei und Justiz hätten schließlich in diesem „so außergewöhnlichen Strafverfahren“ nie aufgegeben. „Es geht um ein vierjähriges Kind, das jahrelang von der Person gefoltert wurde, die es eigentlich beschützen sollte. Was für eine Schande für Frankreich!“, heißt es weiter.
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Mit seinem Appell spricht der Verein seinen Landsleuten offenbar aus der Seele. Am 7. August wurde die Petition auf der Plattform mesopinions.com veröffentlicht, nur fünf Tage später haben schon fast 12.000 Menschen den Aufruf unterzeichnet, der sich direkt an Frankreichs Staatspräsidenten Emmanuel Macron richtet. Sorgt diese Aktion dafür, dass die kleine Inass fast 40 Jahre nach ihrem Tod doch noch Gerechtigkeit erfährt?