Was genau im Kopf der Angeklagten vorging, als sie an Heiligabend 2024 in der Psychiatrie des Klinikums Bremen-Ost ihre Zimmermitbewohnerin umbrachte, könne man natürlich nicht sagen, betont die medizinische Sachverständige am Mittwoch im Gerichtssaal. Aber Diagnosen zum Krankheitsbild der 42-Jährigen erstellen, das könne man natürlich schon. In diesem Fall sogar gleich zwei: Die Frau leide zum einen unter einer Borderline-Erkrankung, zum anderen unter einer posttraumatischen Belastungsstörung. Und in noch einer Sache legt sich die Psychologin fest: Bei der psychischen Erkrankung handele es um ein „anhaltendes Störungsbild“. Dann folgt der Satz, der entscheidend sein dürfte für das Urteil in diesem Prozess: Ähnliche Straftaten seien mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit wieder zu erwarten.
Am 24. Dezember hatte die Angeklagte im Klinikum Bremen-Ost eine 62-Jährige getötet, mit der sie ein Zimmer teilte. Zunächst, indem sie versuchte, sie mit einem Kissen zu ersticken. Dann, als dies an der Gegenwehr des Opfers scheiterte, indem sie sie erwürgte.
Seit Mitte Juni steht die 42-Jährige vor Gericht, in dieser Woche könnte der Prozess enden. Aller Wahrscheinlichkeit nach mit einer Unterbringung in der forensischen Psychiatrie. Schon die Anklage ging davon aus, dass die wegen Totschlags angeklagte Frau im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit handelte und zur Tatzeit unter einer akuten psychotischen Störung litt.
Unkontrollierbarer Hass
Das psychologische Gutachten über die Frau bestätige dies. Darin wird sie als „emotional instabil“ beschrieben. Es gebe zwar auch stabile Phasen. Dann aber wieder Momente höchster affektiver Anspannung, in denen die Angeklagte Wut und Hass nicht kontrollieren könne. Und es sei schwer für sie, aus diesem Zustand wieder herauszufinden. Dies gelänge, indem sie sich selbst „wirklich heftige Schmerzen“ zufüge. Oder, wie in diesem Fall, die Aggressivität gegen andere richte.
Als Begleitsymptom könnten während dieser Phasen paranoide Gedanken auftreten. So habe die Angeklagte unmittelbar nach der Tat erzählt, dass die Stimme ihrer verstorbenen Mutter ihr befohlen habe, die Tat zu begehen. Was die 42-Jährige allerdings später, als sie sich wieder beruhigt hatte, als Lüge bezeichnet habe.
Die Tat vom 24. Dezember bezeichnete die Sachverständige als Endpunkt einer emotionalen Anspannung, die sich wahrscheinlich aufgrund kleinerer Unstimmigkeiten mit ihrer Mitbewohnerin über mehrere Tage hinweg entwickelt hatte. Von außen seien dieses Hochfahren, die Impulsivität und der Hass schwer zu erkennen. Dazu passe auch, dass sie sich – obschon innerlich immer noch hochgradig erregt – nach der Tat völlig ruhig an die Stationsschwester wandte und dann erst mal eine Zigarette rauchen gegangen sei.
Tat bei der Polizei angekündigt
Zum Krankheitsbild der Angeklagten beigetragen habe auch die ständige Erfahrung an, dass man ihr nicht glaube und sie nicht ernst nehme. Besonders fatal in diesem Fall: Die 42-Jährige hatte in der Klinik angekündigt, jemanden umbringen zu wollen – „ich spüre diesen Drang in mir“ – und deshalb sogar die Polizei angerufen. Und wieder sei ihr nicht geglaubt worden, konstatiert die Sachverständige. Auch das habe zu ihrem Spannungszustand geführt, der sich schließlich in der Tötung ihrer Mitbewohnerin entlud.
Der Prozess wird am 14. August fortgesetzt.