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Zusammenstoß: Die Rennyachten vom Team Holcim und Mapei Racing kollidieren auf der Kieler Förde. © Marcus Brandt/dpa
Eine spektakuläre Kollision beim Start des Ocean Race Europe macht die zunehmende Gefahr des Hochseesegelns deutlich.
Die Vogelperspektive glich anfangs einer Segleridylle: Sieben Hochseeboote auf dem Wasser und zehntausende Fans an Land produzierten zum Start des Ocean Race Europe genau die Bilder, die sich eine zunehmend an Popularität gewinnende Sportart und die Segel-Hochburg Kiel gewünscht hatten. Nur: Rasch schipperte das erste Hightechboot mit völlig zerfetzten Segeln wieder Richtung Küste – und die vielen in Ufernähe ankernden Zuschauerboote mussten Platz machen. In zwei Minuten war die heile Welt zerrissen.
Das Schweizer Team Holcim-PRB mit Skipperin Rosalin Kuiper kollidierte mit dem von hinten kommenden italienischen Team Allagrande Mapei Racing mit Skipper Ambrogio Beccaria dramatisch. Das Gute: Kein Mensch kam zu Schaden, wohl aber einiges Material.
Auf der italienischen Rennyacht waren das Vor- und Großsegel von der Schweizer Konkurrenz zerfetzt worden, bei der wiederum Löcher in der Bordwand klafften, weil ein Ausleger des Mastes wie ein Dolch hineingestoßen war. Man mag sich nicht vorstellen, was in einem solch unkontrollierbaren Moment – wenn ebenso majestätisch wie monströs anmutenden Boote wie Pfeile durchs Wasser schießen – noch hätte passieren können.
Notdürftig sind die Löcher in der Bordwand der Schweizer Yacht verhängt. © IMAGO/Martin VahlbruchKurze Startlinie
Die Organisation „The Ocean Race“ hat zum Auftakt große Aufmerksamkeit geniert, aber das Segeln am Limit kritisierte der Italiener Beccaria unter diesen Bedingungen deutlich: „Die Startlinie war sehr kurz. Das ist sehr gefährlich. Wir sind ja nicht beim Sail GP. Wir brauchen viel mehr Platz. Die nahen Zuschauerboote waren gefährlich.“
Ihm habe es nach der Rückkehr in den Hafen das Herz gebrochen. Seine Yacht war erst auf den letzten Drücker in Kiel angekommen, weil sie kurz zuvor nach Schäden aus einer vorangegangenen Regatta noch in Lorient repariert werden musste. Seine Schelte erinnerte an die wiederkehrenden Debatten im Ski- und Motorsport – und die Kardinalfrage: Wie viel Sicherheit darf das Spektakel kosten?
Das Schweizer Team reichte noch am Sonntagabend „einen formellen Protest“ ein. Rennleiter Phil Lawrence sagte, der Vorfall werde „zu einem noch festzulegenden Zeitpunkt“ von der Internationalen Jury behandelt. NDR-Segelexperte Tim Kröger hatte in der Live-Übertragung die Italiener als „ausweichpflichtig“ bezeichnet. Doch nach Ansicht weiterer Perspektiven war die Schuldfrage auch für den Admiral’s-Cup-Sieger aus Hamburg nicht mehr so klar.
Die niederländische Skipperin auf dem Schweizer Boot hätte vermutlich die Kontrolle verloren: „Der Kiel war nicht komplett nach Luv geklappt, die Segel, die gewählt wurden, waren vielleicht auch etwas zu groß für den Wind. Holcim ist in den Wind gedreht und Mapei kam von hinten angenagelt und ist in sie reingefahren.“
Deutschlands Segelstar Boris Herrmann umging das nervöse Treiben der hochgezüchteten Boote. Als letztes hatte sein Team Malizia Fahrt aufgenommen, denn der 44-Jährige hatte eine Vorahnung, als er die Herausforderung in der Kieler Förde beschrieb: „Wir müssen mit Geschwindigkeit über die Startlinie kommen, ohne mit jemanden zu kollidieren, das ist super tricky.“
Schlussendlich bleibt ja auch viel Zeit, volle Fahrt aufzunehmen: Das Rennen geht über 8000 Kilometer und führt über fünf Etappen von Kiel nach Portsmouth, Cartagena, Nizza und Genua bis zum Ziel in die Bucht von Kotor in Montenegro.
Skipperin Kuiper legt formellen Protest ein. © Marcus Brandt/dpa