Wenn US-Präsident Donald Trump und der russische Präsident Wladimir Putin am Freitag in Alaska aufeinandertreffen, können sich beide auf nationale Traditionen berufen. Denn Alaska war bis 1867 Teil des russischen Zarenreiches, bevor es an die Vereinigten Staaten veräußert wurde. Der Verkauf war der zweitgrößte Immobilientransfer in der amerikanischen Geschichte, nachdem die Vereinigten Staaten im Jahr 1803 im Rahmen des sogenannten Louisiana-Kaufs große Teile des Mittleren Westens westlich des Mississippi von Frankreich erworben hatten.
Russland verkaufte das Gebiet, das bis dahin als „Russisch-Amerika“ bekannt war, für weniger als zwei Cent pro Acre, ein Acre entspricht ungefähr 4040 Quadratmetern. Die gesamte Kaufsumme belief sich auf 7,2 Millionen Dollar – in heutiger Kaufkraft entspricht das Schätzungen zufolge etwa 150 Millionen Dollar.
Das Zarenreich war damals politisch und finanziell in einer prekären Lage. Es hatte den Krimkrieg (1853–1856) gegen ein Bündnis aus England, Frankreich und dem Osmanischen Reich verloren. Zar Alexander II. strebte nach der als Schmach empfundenen Niederlage eine innere Modernisierung und geostrategische Neuausrichtung nach Osten an, was den Ausbau von Handel und Besiedlung an der nordamerikanischen Pazifikküste beendete.
„Keine profitable Kolonie“
Schon im Jahr 1725, als Zar Peter der Große den Entdecker Vitus Bering entsandte, zeigte Russland Interesse an dieser dünn besiedelten, ressourcenreichen Region. Im frühen 19. Jahrhundert gerieten die Vereinigten Staaten als sich nach Westen ausbreitende Nation in Konkurrenz zu russischen Entdeckern und Händlern. Sankt Petersburg fehlten jedoch die Mittel, größere Siedlungen oder militärische Präsenzen in Alaska zu unterhalten – die Zahl der russischen Siedler überschritt nie 1000.
Blick auf eine russisch-orthodoxe Kirche in Unalaska, Alaska.Picture Alliance
„Russisch-Amerika war keine besonders profitable Kolonie – im Gegenteil, mit der Zeit wurde sie immer weniger ertragreich und schwieriger zu halten“, sagt Lee Farrow, Geschichtsprofessorin an der Auburn University in Montgomery. Das Hauptgeschäft war der Pelzhandel, insbesondere die Jagd auf Seeotter, deren Fell besonders begehrt war – die Bestände wurden nahezu ausgerottet.
Neben der mangelnden Wirtschaftlichkeit spielten geostrategische Überlegungen eine Rolle: Russland befürchtete, dass England Russisch-Amerika im Handstreich aneignen könnte. Ein Verkauf an die jungen, aufstrebenden USA schien somit das kleinere Übel – zugleich hielt man England so in Schach.
Er erwog sogar den Kauf von Grönland und Island
Historikerin Farrow betont zudem eine Zeit guter Beziehungen zwischen Russland und den USA: Man sah sich als große Nationen mit Gemeinsamkeiten. Das Attentat auf Zar Alexander II. 1866, kurz nach Lincolns Ermordung 1865, wurde als gemeinsame Erfahrung empfunden. Während des Bürgerkriegs hatte Russland Kriegsschiffe nach San Francisco und New York geschickt – als Unterstützung des Nordens interpretiert. Alexanders Sohn Alexis besuchte 1871 die USA über drei Monate, traf Präsident Grant, besichtigte die Niagarafälle und jagte Büffel mit Buffalo Bill – die Reise wurde als Ausdruck der guten Beziehungen interpretiert.
F.A.Z., Foto AP
Der Wunsch Russlands, die entlegene Kolonie zu verkaufen, tauchte schon in den 1850er-Jahren auf. Der amerikanische Außenminister William Seward, ein glühender Expansionist, zeigte Interesse. Er erwog sogar den Kauf von Grönland und Island, um Kanada einzukreisen und eventuell zu annektieren. Der Bürgerkrieg stoppte Verhandlungen zunächst, doch im Jahr 1867 erneuerte der russische Diplomat Eduard de Stoeckl das Angebot, und Seward setzte die Entscheidung im Senat knapp und mit aller Entschlossenheit durch; Gerüchte über Bestechungen kursierten.
In der amerikanischen Öffentlichkeit war die Meinung gespalten: Einige Journalisten nannten den Deal abwertend „Seward’s Icebox“ oder „Seward’s Folly“ (Sewards Torheit). Historikerin Farrow sieht den Erwerb jedoch als großartigen Deal für die USA an. Mit der Zeit, als Gold, Eisenerze und später Öl entdeckt wurden, habe sich Alaska als sehr profitabel erwiesen. Dazu komme die spektakuläre Natur.
Kritik verstummte jedoch nie vollständig: Alaska gehört zu den Bundesstaaten, die besonders auf finanzielle Zuwendungen aus Washington angewiesen sind. Abgeordnete schaffen es immer wieder, Sonderzuwendungen für Alaska durchzusetzen, das übrigens erst seit dem Jahr 1959 ein Bundesstaat ist.