Die Berliner Polizei hat im ersten Halbjahr 2025 insgesamt 615 mutmaßlich antisemitische Straftaten registriert. Das erklärte die Senatsinnenverwaltung auf eine Anfrage des SPD-Abgeordneten und Rechtsexperten Sebastian Schlüsselburg. Die Zahl antisemitisch motivierten Taten ist seit dem Angriff der islamistischen Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 rasant gestiegen. 2022 waren es noch 380 solcher Fälle, 2023 dann schon 901 und im vergangenen Jahr 1823.

Nach der Halbjahresbilanz könnte die Zahl 2025 wieder sinken. Doch das ist angesichts der weiterhin hohen Zahl propalästinensischer und israelfeindlicher Demonstrationen ungewiss. Wie schon 2024 waren die meisten der im ersten Halbjahr erfassten 615 Taten Propagandadelikte – nämlich mehr als die Hälfte. 330 zählte die Polizei. Bei einem Fünftel aller Taten ging es um Volksverhetzung, bei einem Sechstel um Sachbeschädigung. Erfasst wurden auch neun Gewaltdelikte.

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Laut Innenverwaltung sind sieben Menschen verletzt worden, mindestens eine Person schwer. Hinzu kommen fünf Fälle von Bedrohung. In einem Fall geht es um Bildung einer terroristischen Vereinigung. Auch ein Tötungsdelikt gab es – den Messerangriff eines 19-jährigen Syrers auf einen Spanier am Holocaust-Mahnmal im Februar. Ende Juli erhob die Bundesanwaltschaft Anklage wegen versuchten Mordes.

Jüdinnen und Juden müssen sich gerade in Berlin, der Stadt, in der das Menschheitsverbrechen der Shoah geplant wurde, sicher fühlen.

Sebastian Schlüsselburg, Mitglied der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus.

Fast ein Drittel aller antisemitischen Taten sind im ersten Halbjahr in Tempelhof-Schöneberg (181) begangen worden, gefolgt von Mitte (123), Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg (je 92) und Charlottenburg-Wilmersdorf (39). Viele Taten werden bei propalästinensischer Demonstrationen erfasst, das spiegelt sich in den Bezirkszahlen wider.

Mehr Straftaten durch Pro-Palästina-Szene und Israelhasser

Antisemitische Straftaten werden nicht mehr vorrangig von Rechtsextremisten begangen. Verantwortlich für den rasanten Anstieg der Taten sind Israelhasser und die Pro-Palästina-Szene. Israel und jüdisches Leben seien erklärte „Feindbilder jihadistischer Gruppierungen und militanter oder terroristischer Akteure und somit direktes operatives und propagandistisches Ziel“, erklärt die Innenverwaltung. Die islamistische Szene habe den Hamas-Angriff benutzt, verbreite Propaganda und rufe zur Unterstützung auf. Die Folge seien ein Anstieg religiös motivierter, antisemitischer Taten sowie „die Verschärfung der Sicherheitslage in Berlin“.

2020 registrierte die Polizei 373 antisemitische Straftaten, davon zehn Gewaltdelikte. Davon wurden 341 Taten und neun Gewalttaten als rechtsextremistisch eingestuft. 27 waren in den Kategorien ausländische Ideologie oder religiöse Ideologie, zumeist Islamismus, eingestuft.

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Das Hamas-Massaker änderte alles. Die Zahl antisemitischer Straftaten, die rechtsextremistisch motiviert waren, sank leicht. 2024 waren es 302, davon sieben Gewaltdelikte. 1038 Straftaten waren in die Kategorie ausländische Ideologie und 338 Fälle bei religiöser Ideologie eingeordnet. In beide Kategorien fallen auch 55 antisemitische Gewaltdelikte. Im ersten Halbjahr 2025 setze sich der Trend fort: 99 Fälle waren rechtsextrem motiviert, bei ausländischer Ideologie waren es 356 Fälle und bei religiöser Ideologie 146 Fälle.

„Unser Ziel muss sein: Jüdinnen und Juden müssen sich gerade in Berlin, der Stadt, in der das Menschheitsverbrechen der Shoah geplant wurde, sicher fühlen. Nichts rechtfertigt Gewalt, Volksverhetzung und geistige Brandstiftung“, sagte SPD-Politiker Schlüsselburg. „Wer die Regierung Netanjahu aus meiner Sicht zu Recht für die humanitäre Katastrophe in Gaza kritisieren möchte, muss das im Rahmen unserer Versammlungs- und Meinungsfreiheit friedlich tun.“