Destabilisierung der Stadt

In Pokrowsk wendet Russland eine neue Taktik an

14.08.2025 – 10:50 UhrLesedauer: 2 Min.

Ein russischer Soldat in der Nähe von Pokrowsk: In der Stadt an der Frontlinie wenden die Invasoren eine neue Taktik an.Vergrößern des Bildes

Ein russischer Soldat in der Nähe von Pokrowsk: In der Stadt an der Frontlinie wenden die Invasoren eine neue Taktik an. (Quelle: IMAGO/Evgeny Biyatov)

Kaum eine ukrainische Stadt ist derzeit so umkämpft wie Pokrowsk. Eine neue Taktik der Russen soll nun die Zivilbevölkerung einschüchtern.

Seit Wochen kommt es im ostukrainischen Pokrowsk zu heftigen Gefechten. Die Stadt in der Region Donezk gilt als strategischer Knotenpunkt. Nun berichtet das ukrainische Militär von einer neuen Taktik der russischen Streitkräfte: Soldaten sollen sich als Zivilisten tarnen und gezielt in die Stadt einsickern.

Wie der britische „Telegraph“ unter Berufung auf den ukrainischen Offizier Illia Petryna schreibt, seien mehrere russische Soldaten in kleinen Gruppen in die Stadt vorgedrungen – getarnt in Alltagskleidung oder sogar in Uniformen der ukrainischen Postbeamten. Ziel sei es, Versorgungslinien zu stören, Informationen zu sammeln und Verunsicherung unter der Bevölkerung zu verbreiten.

Laut Petryna, dem stellvertretenden Kommandeur der 25. Separaten Luftlandebrigade, seien die Saboteure insbesondere seit Mitte Juli ein Problem, als schlechtes Wetter den Einsatz ukrainischer Drohnen erschwerte. In dieser Phase sollen mehrere russische Soldatengruppen durch schwach gesicherte Frontabschnitte nach Pokrowsk gelangt sein.

Einige der Soldaten hätten in verlassenen Häusern Unterschlupf gesucht und Kleidung der Bevölkerung getragen. In einem Fall sei ein Überlebender in einem T-Shirt des ukrainischen Postdienstes Ukrposhta aufgegriffen worden.

Die ukrainischen Streitkräfte reagierten mit gezielten Kontrollmaßnahmen. In einem neuntägigen Filtrationsprozess wurden entlang vermuteter Infiltrationsrouten Gebäude überprüft und Anwohner befragt. Dabei sei es auch zu direkten Konfrontationen gekommen: Laut Petryna seien in einem Keller russische Soldaten aufgespürt und getötet worden.

Die Anwesenheit russischer Saboteure in Zivil stellt die ukrainischen Verteidiger vor zusätzliche Herausforderungen. Da die Stadt nicht evakuiert wurde, leben weiterhin zahlreiche Zivilisten in Pokrowsk. Das erschwert die Unterscheidung zwischen Unbeteiligten und getarnten Angreifern.

Um keine unbeteiligten Zivilisten zu töten, müssen die ukrainischen Verteidiger laut Bericht des „Telegraph“ ihre Taktik anpassen. Artilleriebeschuss sei keine Option, da die Möglichkeit, dabei unbeteiligte ukrainische Zivilisten zu töten, zu groß sei.

Petryna berichtet, um der Lage Herr zu werden, seien zusätzliche Einheiten nach Pokrowsk verlegt worden. Ziel sei es, die Saboteure aufzuspüren und mögliche Lücken in der Verteidigung zu schließen. Zugleich würden russische Einheiten versuchen, weitere Gebiete in der Region Donezk unter ihre Kontrolle zu bringen.

Der „Telegraph“ zitiert Funksprüche, in denen russische Soldaten ihren Auftrag offenbar selbst infrage stellen. „Warum sind wir hier?“, soll es in einem abgehörten Gespräch geheißen haben. Dies deute darauf hin, dass es sich bei den eingesetzten Kräften nicht um Spezialeinheiten, sondern um reguläre Infanterie handelt, die teilweise als „Kanonenfutter“ vorgeschickt werde.