Im ersten Halbjahr dieses Jahres hat es einen Boom bei den Neuzulassungen von Elektroautos gegeben. Auch im Bremer Südosten nutzen immer mehr Menschen und Betriebe die surrenden, effizienten Fahrzeuge. Das sind die Gründe.
Nach Angaben des Kraftfahrzeugbundesamts (KBA) sind zwischen Januar und Juni annähernd 248.000 reine Elektroautos in Deutschland neu zugelassen worden. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ein Plus von 35 Prozent. In Bremen waren von 7.950 neu zugelassenen Autos im ersten Halbjahr des Jahres 1.500 reine Elektroautos. Das entspricht einem Anteil von annähernd 19 Prozent.
Carsharing setzt auf Elektro
Der Carsharing-Anbieter Cambio setzt auf den Elektroantrieb. Bis 2035 will der Anbieter seinen Fuhrpark nach und nach auf Elektroautos umstellen. „Wir kaufen immer mehr Elektroautos und erhöhen sukzessive den Anteil“, so Tim Bischoff von Cambio. Cambio betreibt im Bremer Südosten 17 Standorte mit insgesamt 37 Fahrzeugen. Sieben davon seien mit einem Elektroantrieb ausgestattet. Ganz neu im Bremer Südosten: An der Station Suhrfeld in Hastedt stehen seit dieser Woche zwei zusätzliche elektrische Opel Corsa zur Leihe zur Verfügung.
Damit Elektroautos flächendeckend an den Stationen eingesetzt werden, müsse die Infrastruktur gegeben sein, so Bischoff. Für Cambio bedeutet das, dass die Stationen mit Ladesäulen ausgestattet sein müssen. „Die Idee ist, dass wir überall, wo wir Autos anbieten, auch Ladesäulen haben.“ Cambio garantiere, dass Kunden immer ein Auto mit entsprechendem Ladestand bekämen. An der Stelle ein kleiner Haken. „Die Mieter müssen nach dem Fahren das Ladekabel anschließen. Das ist für manche noch ungewohnt.“ Letztlich sei das aber im Grunde nicht anders als ein Handyladekabel anzuschließen. Überhaupt dauere es etwas, bis sich die Menschen an die Technik gewöhnten. „Aber es gibt Leute, die sind total begeistert und wollen nur noch Elektroautos ausleihen.“
Während der Umbau der Flotte bei den Klein- und Mittelklassewagen bereits läuft, wird es bei den Transportern und Minibussen noch etwas dauern. „Das sind spezielle Modelle, die nicht viel gefahren werden“, so Bischoff. Sprich: Eine höhere Investition zahlt sich deutlich später aus als bei einem vielgenutzten Kleinwagen. „Aber wir sind dran und sprechen mit den Herstellern.“
Leasing gefragter als Kauf
Eine steigende Nachfrage auch bei gewerblichen Kunden spürt Tanja Woltmann-Knigge vom Autohaus Woltmann in der Föhrenstraße in Hemelingen. „Bei großen Betrieben mit einem größeren Fuhrpark ist die Nachfrage größer als bei kleineren Betrieben“, hat sie beobachtet. Die Hersteller hätten inzwischen eine breite Palette an Fahrzeugen für Unternehmen und Handwerksbetriebe auf den Markt gebracht. „Mit Ford haben wir beispielsweise einen Anbieter mit einem großen Angebot.“ Ausschlaggebend sei eine gute Beratung, um die Handwerksbetriebe ins Boot zu holen. Insgesamt würden Fahrzeuge eher nicht mehr gekauft, sondern vorrangig geleast. Besonders gefragt sei derzeit der vollelektrische Ford Transit, nennt sie als Beispiel für ein Handwerksauto.
Insgesamt erlebt Woltmann-Knigge die Kunden aufgeschlossener, was das Thema Elektromobilität angeht. „Die Stimmung ist offener, aber man muss natürlich auch immer schauen, wie der individuelle Bedarf ist.“ Sprich: Nicht jedes Auto ist für jeden geeignet. Auch im Autohaus beobachte man den Effekt, dass derjenige, der einmal ein Elektroauto gefahren ist, auch dabei bleiben möchte. „Die Fahreigenschaften sind einfach toll, es fährt sich unheimlich gut, viel direkter“, hebt Woltmann-Knigge den Spaßfaktor hervor. „Die, die besonders über E-Autos schimpfen, sind in der Regel noch keines gefahren.“
Von eher verhaltener Nachfrage spricht Kris Stubbe vom Autohaus Wandscher, das in der Steubenstraße eine Filiale unterhält. „Wir sind noch nicht auf dem Niveau, als es noch die Förderung gab.“ Bei Firmenwagen hänge das Interesse von den Konditionen der Hersteller ab. Auch Stubbe sieht den Beratungsbedarf bei den Kunden. „Es sind die Klassiker: Infrastruktur, Ladegeschwindigkeit und Reichweite.“ Dabei sei beispielsweise die Reichweite seitens der Hersteller im Prinzip ausreichend. Dennoch: Die Nachfrage nach Plugin-Hybriden sei größer. Diese haben einen Elektroantrieb, einen eher kleinen Akku und zusätzlich einen Benzinmotor. Die Idee: Auf kurzen Strecken treibt der Elektromotor an, ist die Batterie alle der Benzinmotor. Die Realität sieht allerdings häufig so aus, dass die Batterie selten geladen wird und die Autos als reine Verbrenner mit durch Batterie und zwei Motoren höherem Gewicht und damit höherem Verbrauch betrieben werden. „Sie ist ein Zwischenschritt“, schätzt Stubbe die Technik ein.
Deutschland fährt hinterher
Das Elektroautos praxistauglich sind, beweisen andere europäische Länder: In Norwegen liegt der Anteil von Elektroautos bei den Neuzulassungen bei annähernd 90 Prozent, in Dänemark lag der Anteil 2024 bei etwa 50 Prozent, für 2025 wird mit annähernd 70 Prozent gerechnet. Schweden und die Niederlande lagen zuletzt bei fast 30 Prozent. Das Autobauerland Deutschland fährt mit einem Anteil von 13,5 Prozent bei den Neuzulassungen hinterher.
Argumente für das Elektroauto sieht die Branche auch in Sachen Klimaschutz. Laut einer Studie des International Council on Clean Transportation (ICCT) verursacht ein Elektroauto über seinen Lebenszyklus 73 Prozent weniger CO2 als Verbrenner. Gleichzeitig hätten Verbrenner inzwischen nur noch einen geringen Preisvorteil gegenüber Elektroautos: Insbesondere, wer zuhause laden kann, fahre in der Regel günstiger als mit Benzin.