Kritik an YouTuber

Video aus Frankfurts Bahnhofsviertel entfacht Debatte

  • Oscar Fuchs

14.08.2025 – 16:38 UhrLesedauer: 3 Min.

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Taunusstraße im Bahnhofsviertel (Archivfoto): Die Gegend ist immer wieder Gegenstand von reißerischen Dokumentationen. (Quelle: imago stock&people)

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Ein bekannter Reiseblogger dreht ein aufsehenerregendes Video im Frankfurter Bahnhofsviertel. Es erreicht Millionen Menschen – weckt aber Kritik.

Eine Flasche fliegt auf den Mann, der sich beim Gang durch die Moselstraße im Frankfurter Bahnhofsviertel filmt, und zerplatzt neben ihm am Boden. Verschiedene Männer, möglicherweise aus dem Dealermilieu, sagen ihm in klaren Worten, dass er sie nicht filmen soll. Auch auf Drogenabhängige hält er mehrfach die Kamera, obwohl sie das ablehnen.

Knapp dreieinhalb Millionen Aufrufe in weniger als einer Woche erhält der Reise-YouTuber Kurt Caz mit seinem Video aus dem Frankfurter Viertel. Eine Gegend, bekannt durch Rotlicht und die offene Drogenszene. Der Südafrikaner ist auch sonst häufig in Gebieten unterwegs, die besonders gefährlich sein sollen. In einem der beliebtesten Videos zeigt er sich etwa im „gefährlichsten Ghetto der Dominikanischen Republik“, wie er es nennt. In einem anderen zeigt er sich in einer Favela, also einem Armutsviertel in Rio de Janeiro. Ähnlich dramatisch ist auch die Aufmachung des Frankfurt-Videos, das er als Deutschlands „Zombie-Hood“ (also Zombie-Ghetto) bezeichnet, in Anlehnung an einen aufsehenerregenden Artikel eines englischen Boulevardblatts.

Bei seinem Spaziergang durch das Bahnhofviertel hat Caz neben einer Kamera auch einen Bodyguard dabei. Er habe gehört, dass die Menschen hier nicht gerne gefilmt werden und aggressiv reagieren könnten. Genau diese Reaktionen fängt der Reise-YouTuber dann auch ein, als eine geworfene Glasflasche neben ihm am Boden zerschellt.

Schließlich weisen Streifenpolizisten ihn darauf hin, dass er die Menschen besser nicht filmen sollte. Ein Junkie habe sich darüber beschwert, sagt der Polizist aus dem Fenster des Streifenwagens. Dass in Deutschland jeder selbst entscheiden kann, ob er aufgenommen wird, sieht Caz nicht ganz ein. „Aber auf der Straße Drogen nehmen und verkaufen ist in Ordnung“, kommentiert er.

Mehrfach äußert sich Caz in dem Video zudem rassistisch. Es seien kaum Deutsche zu sehen, kommentiert er, meint damit aber offensichtlich Menschen mit weißer Hautfarbe. Die Missstände im Viertel interpretiert er als reine Folge der Migrationspolitik. Auf einem Foto in sozialen Medien posiert Caz auch mit der hessischen AfD-Landtagsabgeordneten Anna Nguyen – „unterwegs im Bahnhofsviertel“.

Unter anderem auf der Frankfurt-Seite des Webforums Reddit wird das Video kritisch diskutiert. Ein Nutzer schreibt: „Diese Menschen sind nicht Kulisse, sondern in extremen Notlagen – und es ist einfach respektlos und herablassend, sie auf diese Weise zur Schau zu stellen.“ Das Bahnhofsviertel werde für Klicks genutzt, schreibt er weiter; es sei eine „abartige Respektlosigkeit“.

Nicht alle teilen die Einschätzung: Ein Nutzer kommentiert: „Abartig sind eigentlich nur die Verhältnisse im Bahnhofsviertel. Ein Video, das diese Verhältnisse zeigt, ist ganz sicher kein Problem.“

Kritik an dieser Art von Videos gibt es bereits länger vom städtischen Sozial- und Gesundheitsdezernat, das auch für Drogenhilfe und Sozialarbeit zuständig ist. „Wir sehen vermehrt Influencer, die mit dem Leid anderer Klickzahlen generieren wollen“, sagte ein Sprecher des Dezernats t-online. Sozialdezernentin Elke Voitl (Grüne) hatte sich bereits kritisch über derartige Videoformate geäußert: Mitarbeiter in der Sucht- und Drogenhilfe sähen es skeptisch, die Lebenssituation der Suchtkranken in Social-Media-Kanälen zu präsentieren. So könne ein abfälliger Voyeurismus bedient werden, und Suchtkranke würden teils abfälligen Kommentaren ausgesetzt.

Der Webvideoproduzent „Klengan“ sieht Kurt Caz als einen Teil einer Reise-YouTuber-Nische, die sich den Schockmoment zum Geschäftsmodell gemacht hat: Millionen Menschen bekämen ein „komisches Bild von anderen Nationen und Kulturen“; ein Bild, das darauf ausgelegt sei, möglichst stark zu schockieren. „Die Einzigen, die davon richtig profitieren, sind diese YouTuber, die damit Millionen Klicks und richtig, richtig viel Geld machen.“