Zwei große Bücherstapel verdecken junge Frau

AUDIO: Jürgen Deppe zur NDR Kultur Longlist zum Deutschen Buchpreis (5 Min)

Stand: 14.08.2025 14:58 Uhr

Am 19. August veröffentlicht der Börsenverein des Deutschen Buchhandels seine Longlist für den Deutschen Buchpreis. Die Literaturredaktion von NDR Kultur hat ihre eigene 20 Titel umfassende Favoritenliste zusammengestellt.

Vielleicht schafft es ja das eine oder andere Werk auf die Longlist des Deutschen Buchpreises? Die Favoriten der Literaturredaktion von NDR Kultur in alphabetischer Reihenfolge:

Henning Ahrens: „Jahre zwischen Hund und Wolf“

Cover: Henning Ahrens: "Jahre zwischen Hund und Wolf"

Henning Ahrens: „Jahre zwischen Hund und Wolf“, Klett-Cotta, 16. August 2025

Am Strand tritt der Zeichner Hardy Espen auf die Erkennungsmarke eines Soldaten und findet sich in Gesellschaft eines gleichermaßen unverhofften wie treuen Erbes. Seine Partnerin Aîné, studierte Kunsthistorikerin und nun Blumenhändlerin, will ihren Eltern ein letztes Mal entgegentreten. Héloïse, Viehwirtin und Hardys Nachbarin, sieht in ihrem Hof die Gelegenheit aufblitzen, noch einmal neu anzufangen, und ein schürzenjagender Gendarm sucht sich angesichts des drohenden Endes seines Berufslebens neue Aufgaben. Alle stellen sie fest, dass das Leben einem die Konsequenzen der eigenen Vergangenheit vorhält, dass es niemals stillsteht – und man also besser gelassen bleibt und Schritt hält.

Daniela Dröscher: „Junge Frau mit Katze“

Cover: Daniela Dröscher, "Junge Frau mit Katze"

Daniela Dröscher: „Junge Frau mit Katze“, Kiepenheuer & Witsch, 14. August 2025

Mit ihrem autofiktionalen Roman „Lügen über meine Mutter“ war Daniela Dröscher vor drei Jahren für den Deutschen Buchpreis nominiert. Jetzt legt sie einen Nachfolgeband vor, der ebenfalls höchste Ehren verdient: Darin erzählt sie witzig und feinfühlig von einer jungen Frau, die um Eigenständigkeit und Autonomie ringt – der aber immer wieder der rebellierende Körper im Wege steht.

Die Schriftstellerin Daniela Dröscher im Portrait

Daniela Dröscher schreibt in ihrem neuen Buch von Ela, die ihr Leben in die Hand nimmt und endlich dem Glück begegnet.

Leo Engler: „Botanik des Wahnsinns“

Cover: Leo Engler: "Botanik des Wahnsinns"

Leo Engler: „Botanik des Wahnsinns“, DuMont, 12. August 2025

Als bei der Zwangsräumung der Wohnung seiner Mutter durch eine Verwechslung alles von Wert in die Müllverbrennungsanlage wandert, bleibt dem Erzähler wortwörtlich nur der Abfall der eigenen Familiengeschichte. Wie hat es so weit kommen können? Der Erzähler blickt auf die Biografie seiner Familie: ein Stammbaum des Wahnsinns. Die Großmutter bipolar, zwölf Suizidversuche, der Großvater Stammkunde in Steinhof, die Mutter Alkoholikerin, der Vater depressiv. Und er blickt auf seinen eigenen Weg: Eine Kindheit im Münchner Arbeiterviertel.

Nina George: „Die Passantin“

Eigentlich hätte die Filmikone Jeanne Partou in dem Flugzeug sitzen sollen, das 2015 in den französischen Alpen zum Absturz gebracht wird. Doch sie betrachtet die Trauer um sich aus einem Café in Barcelona und klärt das Missverständnis nicht auf. Stattdessen kehrt sie in die Rolle zurück, die ihr Mann ihr vor Jahrzehnten genommen hat: Sie selbst zu sein. Weltbestsellerin Nina George einmal ganz anders: Feministisch, poetisch, drastisch!

Cover: Nina George, "Die Passantin"

Die Autorin entwirft ein faszinierendes Gedankenexperiment. Ein Roman über Verlust, Neubeginn und weibliche Stärke.

Dirk Gieselmann: „Zeit ihres Lebens“

Wilhelm Genazino hat einen würdigen Nachfolger: Dem Sportjournalisten Dirk Gieselmann gelingt es wie einst dem Büchnerpreisträger, Alltag in pure Poesie zu verwandeln. In „Zeit ihres Lebens“ begegnen sich Mitte der 1980er-Jahre der verheiratete Handelsvertreter Georg und die ledige Grundschullehrerin Frieda und beginnen eine (un)heimliche Liebe ohne gestern und morgen. Betörend schön!

Cover: Dirk Gieselmann: "Zeit ihres Lebens"

Dirk Gieselmann erzählt in seinem melancholischen Liebesroman von der Magie eines schicksalhaften Augenblicks.

Wolf Haas: „Wackelkontakt“

Während er auf einen Elektriker wartet, liest der puzzlesüchtige Franz Escher ein Buch über einen Mafioso, der in seiner Zelle ein Buch über den puzzlesüchtigen Franz Escher liest … Völlig verrückt? Ja, oder eben einfach Wolf Haas, wie er schreibt und lebt. Ein Wackelkontakt, der herumwirbelt und heftig unter Strom setzt! Ein literarischer Riesenspaß, der einem fast den Verstand rauben kann!

Cover: Wolf Haas, "Wackelkontakt"

„Wackelkontakt“ ist ähnlich skurril und amüsant wie Wolf Haas‘ „Brenner“-Romane, aber erzählerisch deutlich verwickelter.

Katharina Hagena: „Flusslinien“

Ihr Roman sei eine Liebeserklärung an die Elbe, sagt Katharina Hagena. Jedes der zwölf Kapitel beginnt deshalb mit einem kurzen Gang an den Fluss, der immer in anderem Lichte erscheint. Im Mittelpunkt des Buchs stehen die 102-jährige Margrit, ihre Enkelin, die traumatisierte Luzie, und der mysteriöse Arthur, der Margrit jeden Tag in den „Römischen Garten“ nach Blankenese fährt. Ein Roman über das Alter und die Liebe – und noch vieles mehr.

Cover: Katharina Hagena, "Flusslinien“

Der vierte Roman der Hamburgerin birgt viele Geschichten: Das Altern, der Tod und die Liebe sind die großen Themen.

Katharina Hartwell: „Große Lieben“

Cover: Katharina Hartwell, "Große Lieben2

Katharina Hartwell: „Große Lieben“, Berlin Verlag, 27. Februar 2025

Sehr lustig, sehr traurig, sehr identifikationsstiftend: Katharina Hartwell erzählt in Zehnjahresschritten, wie ein Mädchen zur Frau wird, mit allen Abgründen, Wirrungen und Lieben – wobei die „großen Lieben“ nicht unbedingt das sind, woran man zunächst denkt. Männer kommen hier eigentlich kaum vor, man vermisst sie auch nicht. Ein großer Roman!

Christoph Hein: „Das Narrenschiff“

Die große DDR-Saga. Christoph Hein hat ein dickes Buch über Aufstieg und Fall eines Staates geschrieben. In diesem Gesellschaftspanorama treten sie alle auf, die Überzeugten und die Skeptischen, die Ehrgeizigen und die Mitläufer, ehemalige Nazis, Kellner und Hausangestellte. Christoph Hein blickt in alle Köpfe und Seelenlagen und entfacht dabei einen beachtlichen Lese-Sog. Eine Geschichtsstunde und ein großes Lesevergnügen. 

Cover: Christoph Hein, "Das Narrenschiff“

Hein schreibt über die Elite im Arbeiter- und Bauernstaat, über Funktionäre in gehobenen Positionen – und über ihre Familien.

Anja Kampmann: „Die Wut ist ein heller Stern“

Cover: Anja Kampmann: "Die Wut ist ein heller Stern"

Anja Kampmann: „Die Wut ist ein heller Stern“, Hanser, 19. August 2025

Dieser Roman wird es weit bringen: „Babylon Berlin“ meets St. Pauli! Die junge Hedda schlägt sich als Artistin im Varieté durch. Auf den Straßen ist es gefährlich: Linke werden gnadenlos verfolgt, landen im Knast oder ihnen passiert Schlimmes. Die Nazis prägen zunehmend das Bild. Und Hedda ist mittendrin. Anja Kampmann erzählt das in „Die Wut ist ein heller Stern“ extrem bildreich – als Leser*in meint man den Moder der Arme-Leute-Wohnungen und den Brackwasser-Gestank des Hamburger Hafens förmlich zu riechen.

Anja Kampmann

Die Lyrik- und Prosaautorin gewährt zum Antritt ihrer Liliencron-Dozentur für Lyrik in Kiel Einblick in ihr Schreiben.

Jina Khayyer: „Im Herzen der Katze“

Cover: Jina Khayyer: "Im Herzen der Katze"

Jina Khayyer: „Im Herzen der Katze“, Suhrkamp, 21. Juli 2025

Ein aufregendes Romandebüt: Der Iran, eine ferne Welt und so aktuell. Die Journalistin, Schriftstellerin und Malerin Jina Khayyer nimmt uns mit auf eine Reise in dieses faszinierende Land mit seiner gewaltigen Geschichte und dramatischen Gegenwart. Anknüpfend an die Ermordung von Jina Mahsa Amini, ihrer Namensvetterin, erinnert sie sich an ihre eigene Begegnung mit der Heimat ihrer Eltern, die Gastfreundschaft der Menschen und an ihre Reisen durch dieses Land voller Naturschönheit und Poesie.

Christopher Kloeble: „Durch das Raue zu den Sternen“

Cover: Christopher Kloeble: "Durch das Raue zu den Sternen"

Christopher Kloeble: „Durch das Raue zu den Sternen“, Klett-Cotta, 12. Juli 2025

Arkadia will in einem Knabenchor singen, und das um jeden Preis. Atmosphärisch, tief bewegend und auf tragikomische Weise erzählt Christopher Kloeble in „Durch das Raue zu den Sternen“ von der großen Liebe eines Mädchens zu ihren Eltern und der Musik. Und dem unbändigen Willen, der Welt zu beweisen, wer man sein kann, wenn man sich den Regeln der Gesellschaft nicht beugt.

Steffen Kopetzky: „Atom“

Wer die Waffe mit der größten Vernichtungskraft besitzt, gewinnt den Krieg: In seiner atemberaubenden Spionagegeschichte stellt Kopetzky den fiktiven britischen Agenten Simon Batley ins historische Weltgeschehen. Es geht um das internationale Interesse an deutscher Raketentechnik der 1930er-Jahre, mit folgendem Wettlauf um die ultimative atomare Zerstörungswaffe. Eine Liebesgeschichte würzt diesen Plot, der zudem SS-General Hans Kammler in den Fokus rückt: Kammlers Verschwinden von der Bildfläche nach dem Krieg befeuert bis heute Spekulationen. Steffen Kopetzky schreibt erneut einen historisch fundierten Pageturner von hoher Aktualität, vollendet ganz nebenbei eine umfangreiche Pentalogie – und hätte längst einen großen Literaturpreis verdient. 

Cover: Steffen Kopetzky, "Atom“

Steffen Kopetzky vermittelt Weltgeschichte in packenden Romanen. So auch in seinem neuen Buch „Atom“, das zur Zeit des Zweiten Weltkrieges spielt.

Hannah Lühmann: „Heimat“

Cover: Hannah Lühmann: "Heimat"

Hannah Lühmann: „Heimat“, Hanser blau, 19. August 2025

Wer (vor allem als Frau) durch die „sozialen Medien“ scrollt, ist „Tradwives“ sicher schon einmal begegnet. Frauen, die sich für ein traditionelles Rollenbild entschieden haben und ohne Erwerbstätigkeit als Hausfrau und Mutter leben. Nun hat es das „Tradwife“-Phänomen auch in die Literatur geschafft. Hannah Lühmann erzählt in ihrem Roman „Heimat“ von Jana und Karolin und von weiblichen Lebensentwürfen. Ein Buch, das ganz im hier und heute angesiedelt ist und sich mit Fragen wie Zugehörigkeit und Halt beschäftigt.

Thomas Melle: „Haus zur Sonne“

Cover: Thomas Melle: "Haus zur Sonne"

Thomas Melle: „Haus zur Sonne“, Kiepenheuer & Witsch, 14. August 2025

Wie viel Selbstbestimmung ist möglich, wenn das Leben von einer psychischen Krankheit fremdgesteuert ist? Wonach sehnt sich einer, der nichts mehr zu verlieren hat? Und wie könnte es aussehen, das letzte Glück? Willkommen im „Haus zur Sonne“, einer Institution, die zugleich Wunscherfüllungsmaschine wie Abschaffungsapparat ist. Lebensmüde und todkranke Menschen liefern sich in diese vom Staat finanzierten Klinik ein, um jeden nur erdenklichen Wunsch in Erfüllung gehen zu lassen und dann – ohne großes Aufsehen – aus dem Leben zu scheiden. Aber will, wer nicht mehr leben will, wirklich sterben?

Susanne Schädlich: „Kabarett der Namenlosen“

Die großen Theatermacher, Schauspielerinnen, Autoren der 1920er-Jahre: von einer Sekunde auf die nächste zählten sie nichts mehr in Deutschland. Wer Glück hatte, konnte sich in die USA retten. Aber künstlerisch noch einmal neu anfangen? Wahnsinnig schwierig. Susanne Schädlichs großer dokumentarischer Roman erzählt davon präzise und bewegend.

Cover Susanne Schädlich, "Kabarett der Namenlosen“

Susanne Schädlich ist nach jahrelanger intensiver Recherche ein sehr dicht gewebter dokumentarischer Roman gelungen.

Julia Schoch: „Wild nach einem wilden Traum“

Der spektakuläre Abschluss von Julia Schochs autofiktionaler Trilogie „Biographie einer Frau“: Die Erinnerung an eine eigentlich unbedeutende Affäre vor über 20 Jahren setzt in der Protagonistin ein wildes, lustiges, melancholisches, mitreißendes Gedankenkarussell in Gang – und gehaltvolle Assoziationen über das Seufzen wie auch den eigentlichen Sinn dieses seltsamen Lebens.

Cover: Julia Schoch, "Wild nach einem wilden Traum"

Die Erzählerin erinnert sich im letzten Teil der „Biografie einer Frau“ an eine Episode, in der die Liebe wild aufflackerte.

Thomas Strässle: „Fluchtnovelle“

Cover: Thomas Strässle: "Fluchtnovelle"

Thomas Strässle: „Fluchtnovelle“, Suhrkamp, 18. Januar 2025

Eine große Liebe, zwei Systeme. 1965 lernen sich eine Studentin aus der DDR und ein Student aus der Schweiz kennen. Auf legale Weise können sie nicht zusammenkommen. Wie dann? Wenn es bei der Ausreise nicht geht, dann eben bei der Einreise – die Route führt über Prag, aber dann läuft nichts wie geplant. Der Schweizer Literaturwissenschaftler und Flötist Thomas Strässle erzählt die unglaubliche, aber wahre Geschichte seiner Eltern.

Henrik Szántó: „Treppe aus Papier“

Cover: Henrik Szántó: "Treppe aus Papier"

Henrik Szántó: „Treppe aus Papier“, Blessing, 20. August 2025

Welche Geschichten könnte ein Haus über seine Bewohner erzählen? Dieser Frage geht der in Hannover lebende Autor und Spoken-Word-Künstler Henrik Szántó in seinem Roman nach. Da trifft z.B. das Mädchen Nele auf die alte Nachbarin Irma. Gemeinsam schauen sie in die Vergangenheit zurück. Dazwischen geistern – im wahrsten Wortsinn – die ehemaligen Bewohner des Hauses durch die Handlung. Unglaublich originell, vielschichtig erzählt und sprachlich temporeich. Eine echte Entdeckung.

Jan Costin Wagner: „Eden“

Cover: Jan Costin Wagner: "Eden"

Jan Costin Wagner: „Eden“, Galiani, 14. August 2025

Jan Costin Wagner, bekannt geworden mit seiner erstklassigen Krimireihe um den finnischen Ermittler Kimmo Joentaa, erzählt vom Schlimmsten, was Eltern passieren kann: Sie verlieren ihr Kind. Sofie, der lebensfrohe Teenager, fällt einem Terroranschlag zum Opfer. In tiefster Verzweiflung fassen die Eltern den Entschluss weiterzuleben. Das alles wird karg und ungekünstelt erzählt und dadurch besonders greifbar und lebensnah.

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