Gerade wässern Mitarbeiter des Grünflächenamts Bäume im Grüneburgpark. Sie befinden sich am Donnerstagvormittag hinter Bauzäunen, die in den nächsten zwei Wochen den Bäumen Schutz bieten sollen – während des „System Change Camps 2025“. „Die Bauzäune schützen also die Natur vor Naturschützern“, sagt schmunzelnd einer der Camp-Helfer, der gerade aus einem gemieteten Transporter   Bauteile für fast 50 Zelte auslädt. Darin wollen diverse Protestbewegungen Diskussions- und Weiterbildungsveranstaltungen abhalten.
Tatsächlich irritieren die Bauzäune, weil man nicht so genau übersieht, wer oder was hier vor wem geschützt werden soll.

Auch drei Spielplätze  sind abgeriegelt, was Eltern verwundert,  deren Kinder gerade die Rutschen und Klettergerüste erobern wollten. „Wir haben schon Beschwerden von Anwohnern mitbekommen und verstehen deren Ärger auch, weil sie die Bauzäune natürlich auf uns zurückführen“, sagt Paula Fuchs aus dem Presseteam der Camp-Organisatoren. Die Veranstalter hoffen darauf, im Austausch mit der Stadt noch manche Umzäunung aufheben lassen zu können, die die Nutzung des südlichen Teils des Parks bis zum 27. August stark beeinträchtigt.

Keine Genehmigung nötig

Den Grüneburgpark haben die Veranstalter wegen der Nähe zur Universität gewählt, nach Darstellung des Ordnungsamtes benötigten sie lediglich ein Anmeldung, weil es sich formal um eine Versammlung handele. Eine Genehmigung sei demnach anders als bei einer Veranstaltung rechtlich nicht nötig gewesen, die Stadt habe lediglich Lärmschutzauflagen erteilen können.

Die Organisatoren erwarten nach eigenen Angaben 1500 Klimaaktivisten aus verschiedenen  Gruppen. Außer Attac Deutschland ist beispielsweise auch die Gruppe Ende Gelände vertreten, die voriges Jahr vom Verfassungsschutz als linksextremistischer Verdachtsfall eingestuft wurde. 

FDP entsetzt, Zapf-Rodriguez distanziert sich

Die FDP im Stadtparlament zeigt sich entsetzt, dass die Stadt eine solche Veranstaltung klaglos zulasse. Sie verschickte eine Pressemitteilung mit der Überschrift „Der Grüneburgpark ist keine Bühne für Antisemitismus“. Fraktionschef Yanki Pürsün sieht das Camp als eine Bühne für ideologisch einseitige Meinungen.  „Zwei Wochen lang wird ein denkmalgeschützter Park weitgehend für ein ideologisch aufgeladenes Festival blockiert, während Familien, Kinder und die bürgerliche Mitte verdrängt werden“, sagt Pürsün.

Die Stadtratsfraktion von BFF/BIG brachte ebenfalls ihre Verwunderung zum Ausdruck, dass die Stadt den Grüne­burgpark klaglos zur Verfügung stelle.  

Umweltdezernentin Tina Zapf-Rodríguez (Die Grünen) reagierte am Donnerstag auf die Kritik und wies die Verantwortung  ihres Dezernats aber zurück.  „System Change Camp ist keine Veranstaltung, zu der es einer Genehmigung durch das Klima- und Umweltdezernat bedürfe. Die Veranstaltung sei im Ordnungsamt angemeldet und bearbeitet worden.  „Als Dezernentin für Klima, Umwelt und Frauen halte ich es grundsätzlich für problematisch, dass  unabhängig des politischen Anliegens ein zweiwöchiges Zeltcamp als Versammlung mitten im denkmalgeschützten Grüneburgpark stattfinden darf. Bei der Abwägung verschiedener Schutzgüter steht leider offensichtlich der Naturschutz hinter dem Versammlungsrecht zurück“, lässt sich die Dezernentin zitieren. Sie hätte es begrüßt, wenn die Veranstalter einen alternativ vorgeschlagenen Versammlungsort akzeptiert hätten. 

DSGVO Platzhalter Externe Inhalte aktivieren

Noch haben die Camp-Organisatoren Zeit für den Diskurs um Bauzäune und mehr, da das Programm des Camps erst am Montag beginnt. Dann wird es bis zum Sonntag bis zu 18 Veranstaltungen  gleichzeitig geben. Das Camp sei bewusst offen gestaltet, um allen Interessierten die Auseinandersetzung über Themen wie   Klimapolitik, Militarisierung oder Antidiskriminierung zu ermöglichen. Auch der Konflikt um Palästina werde in den Diskussionsveranstaltungen eine Rolle spielen, sagt Fuchs. Die Organisatoren wollten  Meinungsaustausch fördern, zögen aber dennoch klare „rote Linien“, auch aufgrund von Konflikten im Camp des vergangenen Jahres in Erfurt. Verherrlichung der Hamas oder antisemitische Äußerungen seien genauso unerwünscht wie antiislamische Beiträge. 

Das Camp sehe sich in der Tradition von Lützerath, wo 2022 monatelang mit einer Waldbesetzung gegen Braunkohletagebau protestiert wurde, sei aber kein Aktionscamp. Es seien also kein ziviler Ungehorsam zu erwarten. „Bei diesem Camp geht es um die Möglichkeit, dass sich Teilnehmer und Gruppen vernetzen und weiterbilden können“, sagt Fuchs. Zu dieser Weiterbildung gehöre auch die Auseinandersetzung mit der Geschichte von Protestbewegungen. Das sei ein Grund, das Camp in Frankfurt zu veranstalten, wo es seit Häuserkampfzeiten in den Siebzigerjahren, dem Protest gegen die Startbahn West oder der Blockupy-Bewegung eine lange „Bewegungsgeschichte“ gebe.