Regionalligist FC Gütersloh empfängt im DFB-Pokal Bundesligist Union Berlin. Es ist auch ein Duell zweier Lebensrealitäten.
Es war ein geschäftiger Tag für Julian Hesse. Nach der Arbeit passte der 36-Jährige auf seinen zweijährigen Sohn auf, ehe er gegen frühen Abend zum Fußballtraining musste. So weit, so normal. Denn so sehen die Tage vieler Hobbykicker wahrscheinlich aus.
Einen entscheidenden Unterschied gibt es dann aber doch, denn Hesse als Hobbykicker zu bezeichnen, wäre vermessen. Hesse trainiert nämlich den Regionalligisten FC Gütersloh. Und das Fußballtraining am Abend ist nichts anderes als die Vorbereitung auf das Spiel in der ersten Runde des DFB-Pokals am Freitag (18 Uhr) gegen den Bundesligisten Union Berlin.
Training an vier von fünf Wochentagen
Neben seinem Trainerjob arbeitete Hesse 30 Stunden pro Woche in der Marketing-Abteilung eines Gütersloher Unternehmens, jeden Tag von 8 bis 14 Uhr. „Danach möchte ich vor dem Training noch ein bisschen Zeit mit meinem Kleinen verbringen, weil mir das schon wichtig ist, auch der Papa-Rolle gerecht zu werden. Und dann geht es dann an vier von fünf Wochentagen zum Training.“
Er habe bewusst nach einem Job gesucht, der mit dem Fußball vereinbar ist, sagte Hesse im Gespräch mit dem WDR. „Man muss schon sagen, dass Regionalliga relativ aufwendig ist. Mehr als die Hälfte der Mannschaften haben Vollprofitum, also machen das Hauptberuflich. Bei uns ist das noch nicht der Fall.“
Nur zwei Spieler haben keinen Job
Denn nicht nur Hesse geht neben dem Fußball noch einer weiteren Arbeit nach. Nur zwei Spieler im Kader des FC Gütersloh konzentrieren sich nur auf den Fußball. Dass das aber kein Nachteil sein muss, hat die vergangenen Saison in der Regionalliga bewiesen, in der der FCG sensationell hinter dem großen Favoriten MSV Duisburg den zweiten Platz belegte.
„Am Ende des Tages ist es halt auch ein Fußballspiel, das 90 Minuten geht. Und ich glaube, auch wenn man noch einen anderen Job hat, kann man sich vernünftig auf ein Spiel vorbereiten“, sagte Hesse. „Wir haben zum Glück sehr ehrgeizige Jungs. Und wenn du ehrgeizig bist, richtest du sehr viel in deinem Leben nach dem Fußball aus, gerade was Ernährung und Schlaf angeht. Und dann kann man auf ein gutes Level an Leistungsfähigkeit kommen.“
Gütersloh und das „Faible für Berliner Bundesligisten“
Das sollen nach Möglichkeit am Freitag auch die gestandenen Vollprofis von Union Berlin zu spüren bekommen. Mit Pokalspielen gegen Berliner Bundesligisten kennen sich die Ostwestfalen zumindest aus. Nach einem 1:1 im Hinspiel gewannen die Ostwestfalen 1989 im Olympiastadion bei Hertha BSC sensationell mit 1:0 und zogen in die nächste Runde ein. Das reicht dem FCG immerhin, um auf der eigenen Homepage von einem „FCG-Pokal-Faible für Berliner Bundesligisten“ zu schreiben.
Für Hesse hat das aber heute keine Bedeutung mehr: „Es ist eine sehr schöne Geschichte, eine schöne Historie des Vereins. Aber wir sind dazu da, um eine eigene Geschichte zu schreiben.“
Hesse führte FCG in die Regionalliga zurück
Und bisher ist das Kapitel Hesse und der FC Gütersloh eine Erfolgsgeschichte. Hesse übernahm den FCG im März 2019 als Tabellenletzter der Oberliga. 2023 führte er den Verein nach 27 Jahren zurück in die Regionalliga und holte im selben Jahr auch den Westfalenpokal. Für einen Sieg im DFB-Pokal hat es damals aber nicht gereicht. Gütersloh hielt gegen Holstein Kiel zwar gut mit, unterlag aber mit 0:2.
Somit bleibt der Sieg bei Hertha BSC 1989 der bislang letzte Erfolg des FCG im DFB-Pokal. Kann sich das am Freitag gegen Union vielleicht ändern? Hesse ist realistisch, aber auch ehrgeizig: „Wir wissen, dass wir so ein Spiel wahrscheinlich nur in einem von 100 Fällen gewinnen werden, hoffen, aber, dass das am Freitag der Fall sein wird. Wir wissen auch, dass wir ein paar Mittel und Waffen haben, die für jede Fußballmannschaft unangenehm sein können, wenn sie nicht Bayern München oder Paris Saint-Germain heißt.“
Konkret meint Hesse damit lange Bälle auf die schnellen und wuchtigen Stürmer, sollte Union hoch pressen. Steht Union tief, will Hesse es spielerisch lösen. „Das sind die Überlegungen, aber es ist auch vollkommen klar, dass nicht wir den Rhythmus dauerhaft bestimmen werden. Viel hängt auch davon ab, was Union für einen Tag erwischt.“
Hesse: „Union ist ein geiler Verein“
Neben all den taktischen Überlegungen geht es Hesse aber auch darum, einfach den Tag zu genießen. „Wir kommen ins Stadion, es wird ausverkauft sein mit über 10.000 Leuten. Union ist ein geiler Verein, ein absoluter Traditionsverein. Von daher haben wir da wenig Druck. An so einem Tag kannst du ja viel mehr gewinnen als verlieren.“
Überhaupt im DFB-Pokal zu sein, sei ein „totales Privileg“, sagte Hesse. Das 0:2 gegen Kiel vor zwei Jahren war für ihn das erste Pokalspiel. „Das hat ein bisschen weh getan ein paar Tage, weil wir sie an dem Tag definitiv hätten knacken können. Vin daher hab ich bis jetzt nur positive Erinnerungen an den DFB-Pokal und hoffe, dass das so bleibt und wir wettbewerbsfähig sein können am Freitag.“
Drittliga-Aufstieg „nicht unmöglich“
Das Hauptaugenmerk des FC Gütersloh gilt der Regionalliga West. Und dort sieht es nach Rang zwei im Vorjahr schon wieder gut aus. Hesses Team startete mit zwei Siegen und scheiterte am dritten Spieltag gegen Fortuna Düsseldorf II (1:3) nur an der eigenen Chancenverwertung. „Es macht auf jeden Fall schon wieder Bock“, sagte Hesse.
Ist in diesem Jahr vielleicht sogar der Aufstieg drin? „Ich halte es nicht für realistisch, dass wir aufsteigen, aber ich halte es auch nicht für unmöglich“, sagte Hesse. Als Favoriten sieht er eher den 1. FC Bocholt oder Borussia Dortmund II. „Für uns ist es eher wichtig, dass wir wieder im oberen Drittel landen werden.“
Ein Drittliga-Aufstieg würde natürlich auch so einige Nachteile mit sich bringen – zumindest für einige Arbeitgeber in und um Gütersloh.
Unsere Quellen:
- Interview mit Julian Hesse