Die Sozialdemokraten im Landkreis München gehören gemeinhin nicht zu jenem Kreis, der sich stolz der Parlamentarischen Linken im Bundestag zurechnet – jenen Abgeordneten und Mitgliedern also, die einen strammen sozial-ökologischen Weg beschreiten wollen. Im Münchner Umland sehen sich die SPD-Mitglieder aber auch nicht als Verfechter des konservativen Seeheimer Kreises innerhalb der Partei, der industrie- und wirtschaftspolitische Schwerpunkte setzt. Und vielleicht ist es diese innere Zerrissenheit seiner Partei, die Kevin Meyer mit sich ringen und ihn mit Blick auf den Mitgliederentscheid über den Koalitionsvertrag mit der Union zu dem Schluss kommen lässt: „Ich werde wohl zähneknirschend zustimmen.“
Vor allem die Parteijugend der Sozialdemokraten, die vom Seeheimer Kreis so weit entfernt ist wie die Grünen momentan von einer Regierungsbeteiligung im Bund, begehrt derzeit gegen das Bündnis der SPD mit CDU und CSU auf. Immer mehr Landesverbände der Jungsozialisten (Jusos) sprechen sich eindeutig gegen die kleinste große Koalition der Geschichte aus. Auch Bayerns Jusos haben sich klar gegen den Koalitionsvertrag und eine Zusammenarbeit mit der Union gestellt. Deren Landesvorsitzender Benedict Lang begründet das so: „Bei einem Apfel mit fauligen Stellen kann man etwas wegschneiden. Wenn aber der Kern fault, dann muss man sagen: Nein, diesen Apfel esse ich nicht, auch wenn da saftige Bissen dabei sind.“
Auf einer Landeskonferenz haben die bayerischen Jusos unisono harte Kritik an den Ergebnissen der Koalitionsverhandlungen geübt. Die Jusos im Landkreis München beraten erst an diesem Mittwoch gemeinsam über den Koalitionsvertrag. Der Planegger Kevin Meyer, Vorsitzender der Jusos München-Land und Mitglied im Oberbayerischen Bezirksvorstand, kann die Haltung des Landesverbandes nachvollziehen, möchte den Genossen im eigenen Kreisverband dennoch nicht vorgreifen. „Ich kann die Unzufriedenheit verstehen“, sagt er. „Da steht viel Unschönes drin.“ Und bei dem etwas Schöneren wie dem Mindestlohn von 15 Euro oder „Steuerentlastungen für die Mitte“, wie er sagt, hält Meyer einen Rat für die Union und den wohl nächsten Bundeskanzler bereit: „Ich kann der Union nur empfehlen, jetzt nicht alle Einigungen, die nicht zu ihren Erfolgen gehören, schon wieder aufkündigen zu wollen. Und Friedrich Merz soll sich endlich wie ein Bundeskanzler verhalten.“
Mit seinen mittlerweile 36 Jahren ist Korbinian Rüger der SPD-Nachwuchsorganisation auf dem Papier gerade einmal entwachsen – Juso ist man bis zum Alter von 35. Der zweimalige Bundestagskandidat seiner Partei und Vorsitzender des Unterbezirks München-Land empfiehlt seinen Mitgliedern gemeinsam mit der Co-Vorsitzenden Christine Himmelberg, für die Koalition zu stimmen. „Wenn man als SPD-Mitglied gegen diesen Koalitionsvertrag stimmen will, muss man sich schon klar sein, was die Alternative sein soll und ob diese wirklich besser ist“, erklärt Rüger mit Blick auf die erstarkte AfD im Bundestag. Rüger lobt aber auch das im Koalitionsvertrag beschlossene Finanzpaket und die Reform der Schuldenbremse für Investitionen in die Sicherheit – gerade in einer Zeit, in der Europa „durch den Krieg in der Ukraine und durch die Trump-Präsidentschaft“ unter Druck stehe. Himmelberg betont, dass die SPD viele Themen in den Vertrag einbringen konnte, „sogar deutlich mehr als zu erwarten war“.
Für Juso Kevin Meyer spielt noch etwas eine Rolle: Die SPD habe immer staatspolitische Verantwortung getragen, wenn es nötig war, sagt er. „Es ist eine Abwägungssache. Wir müssen uns fragen: Was ist besser für das Land“, so Meyer. Deshalb wird er wohl für den „unperfekten Koalitionsvertrag“ stimmen.