Die Berliner Polizei hat einen 29-Jährigen wegen des Verdachts einer schweren staatsgefährdenden Straftat festgenommen. Wie Polizei und Staatsanwaltschaft am Dienstag mitteilten, soll der Mann mehrfach in den Libanon gereist sein, um sich von der militanten islamistischen Hisbollah an Schuss- und Kriegswaffen ausbilden zu lassen.

Nach Tagesspiegel-Informationen gehört der 29-Jährige der Großfamilie C. an, einem Clan aus dem Hisbollah-Umfeld. Angehörige sind im Ruhrgebiet und Berlin mit Gewalttaten und Drogendelikten aufgefallen. Die Familie ist exzellent im Libanon vernetzt, tritt dort als Hisbollah-Unterstützer auf.

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Nach dem Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 soll der Festgenommene sich dazu entschieden haben, auf Seiten der Hisbollah zu kämpfen. Dazu reiste er zunächst Ende 2023 in den Libanon, wo er die Ausbildung an Schuss- und Kriegswaffen plante, bevor er nach Deutschland zurückkehrte.

Die High-Deck-Siedlung in Neukölln. Hier fand die Wohnungsdurchsuchung am Dienstagmorgen statt.

© Madlen Haarbach

Anfang 2024 soll der 29-Jährige mit deutscher Staatsbürgerschaft dann erneut in den Libanon gereist und am Training der Hisbollah teilgenommen haben. Ziel der Ausbildung sei es gewesen, Gewalttaten wie Mord, Totschlag, erpresserischen Menschenraub und Geiselnahmen zur Vernichtung des Staates Israel ausführen zu können.

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Wann der mutmaßliche Hisbollah-Anhänger dann wieder nach Deutschland einreiste, ist laut Staatsanwaltschaft noch unklar. Pläne für einen möglichen Terroranschlag in Deutschland hätten nicht bestanden. Grundlage der Festnahme seien die Vorbereitung und die Teilnahme an der Ausbildung durch die als Terrororganisation eingestufte Hisbollah im Libanon gewesen, teilte Sebastian Büchner, Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, mit.

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Gegen den Mann bestand bereits vor der Durchsuchung ein Haftbefehl, zu dessen Verkündung er im Laufe des Tages einem Ermittlungsrichter vorgeführt werden sollte.

Mithilfe des Spezialeinsatzkommandos (SEK) durchsuchten Polizeikräfte ab Dienstagmorgen mehrere Stunden lang die Wohnung in der High-Deck-Siedlung auf dem südlichen Teil der Sonnenallee. Sie beschlagnahmten Mobiltelefone, die nun ausgewertet werden sollen. 

Bezirksbürgermeister: „Hass auf Jüdinnen und Juden ist groß“

Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) danke den Sicherheitskräften. „Der Einsatz zeigt wieder einmal: Die islamistische Gefahr ist real, der Hass auf Jüdinnen und Juden groß“, schrieb er auf der Plattform X.

Auch Stephan Weh, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, äußerte sich zur Festnahme des 29-Jährigen. „Der Verdacht, dass ein deutscher Staatsbürger sich radikalisiert, in ein Kriegsgebiet ausreist und dort eine Ausbildung zur Durchführung schwerster Gewalttaten erhalten haben soll, erschüttert – und bestätigt leider, wie real die Bedrohung durch islamistisch motivierten Terrorismus auch in unserer Stadt ist“, teilte er mit.

Anwohnerin: „Kann gar nicht so viele Schlösser anbringen“

In der Siedlung, wo am Morgen noch Spezialkräfte der Polizei mit Maschinenpistolen anrückten, hat sich der Trubel am Nachmittag gelegt. Ein einzelnes Polizeiauto steht noch neben dem Gehweg.

Eine Gruppe Jugendlicher wehrt im Gespräch mit dem Tagesspiegel ab. „Verbreiten Sie keine Lügen, die sind unschuldig“, ruft einer im Vorbeigehen. Ein anderer bleibt kurz stehen. „Ich kenne die, das sind ganz normale Leute“, sagt er.

Eine ältere Frau hat von dem Vorfall selbst nichts mitbekommen. Überrascht ist sie nicht. „Das ist alles irre hier“, sagt sie im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Sie fühle sich immer unsicherer in der Siedlung, ständig fahre die Polizei vorbei. Im Nachbaraufgang würden immer wieder die Türen eingetreten, berichtet sie. „Ich kann gar nicht so viele Schlösser anbringen, dass ich mich hier noch sicher fühle“.

An den Hausfluren und an einigen Türen im Gebäude sind Pro-Palästina-Zeichnungen angebracht. Ein Bewohner wirft eine brennende Zigarette in den offen stehenden Aufzug, sagen will er zu dem Vorfall nichts.

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Im Erdgeschoss befindet sich eine Apotheke. „Wir haben nur gesehen, dass heute Morgen sehr viel Polizei vor dem Haus stand und hatten Angst, dass etwas mit der Apotheke ist“, sagt eine der beiden Apothekerinnen. Als die Polizei das verneint habe, hätten sie einfach normal mit der Arbeit angefangen. Was genau passiert war, wussten sie bislang nicht. „Bestimmt was mit Drogen“, sagt die andere.