Nach der Einigung zwischen der EU und den USA im Zollstreit erwarten die deutschen Unternehmen künftig mehrheitlich weitere Beeinträchtigungen im transatlantischen Handel. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Blitzumfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) unter mehr als 3.300 Betrieben aus dem gesamten Bundesgebiet, darunter rund 360 aus Baden-Württemberg. Unter ihnen befinden sich auch Vertreter aus Ostwürttemberg. Die US-Handelspolitik hat spürbare und teils gravierende Folgen für die exportorientierten Unternehmen in Deutschland und der Region.

In der Umfrage berichten 86 Prozent der befragten Unternehmen in Baden-Württemberg von negativen Auswirkungen der bisherigen US-Handelspolitik und damit deutlich mehr als bundesweit (72 Prozent). Ein ähnliches Bild zeigt sich in Ostwürttemberg. „Wir sind eine stark vom Exportgeschäft abhängige Region. Mehr als 50 Prozent unserer produktiven Wertschöpfung des Industriesektors geht in den Export. Am stärksten betroffen sind die Bereiche der Zulieferer für die Automobilbranche, aber auch der Maschinen- und der Anlagenbau. Wir haben in diesen Branchen laut einer Studie zur Transformationsstrategie rund elf Prozent unserer Wertschöpfung und neun Prozent der Mitarbeiter. Zusätzliche Zölle kann man in dieser Situation nicht gebrauchen“, erklärt IHK-Hauptgeschäftsführer Thilo Rentschler zu der Umfrage und Situation in Ostwürttemberg. Die Automobilbranche hat zudem das Problem, dass die Zölle nur schwer über höhere Preise an die Verbraucher in den USA weitergegeben werden können.

Der neue Normalzustand im US-Geschäft sorgt in den Betrieben weiter für hohe Kosten und Belastungen. Als größte Belastung nennen die betroffenen Unternehmen im Land mit einer überwältigenden Mehrheit von 80 Prozent die Unsicherheit und mangelnde Zuverlässigkeit der US-Zollpolitik. „Es bleibt zu hoffen, dass durch die Vereinbarung mit der Trump-Administration nun eine gewisse Planbarkeit und Berechenbarkeit kommt“, sagt Thilo Rentschler. Weitere zentrale Probleme sind laut Umfrage die Höhe des „Basiszollsatzes“ von 15 Prozent, die kostenintensiven und bürokratischen Zollverfahren und die geringere Wettbewerbsfähigkeit auf dem US-Markt.

Die handelspolitischen Unsicherheiten hinterlassen auch in der globalen Marktstrategie deutscher Unternehmen deutliche Spuren: 54 Prozent der befragten Unternehmen mit direktem US-Geschäft geben an, weniger mit den Vereinigten Staaten handeln zu wollen. In Ostwürttemberg waren es 64 Prozent der Befragten. 26 Prozent reduzieren deutschlandweit ihre US-Investitionen oder legen sie auf Eis – mit 43 Prozent liegt dieser Wert bei Firmen aus der Region höher.

Angesichts der aktuellen Herausforderungen im US-Geschäft nehmen knapp zwei Drittel der deutschen Unternehmen verstärkt neue Märkte in den Blick. Für 46 Prozent aller Befragten in Deutschland gewinnt der europäische Binnenmarkt als stabiler und berechenbarer Wirtschaftsraum an Bedeutung. Der Wert lag in Ostwürttemberg bei sehr hohen 64 Prozent, in Baden-Württemberg bei 50 Prozent. Auch der asiatisch-pazifische Raum rückt stärker in den Fokus, ebenso wie weitere europäische Länder außerhalb der EU, mit denen Handelsabkommen bestehen, wie beispielsweise das Vereinigte Königreich. Darüber hinaus gewinnen Märkte wie Mexiko und Kanada an Attraktivität.

Thilo Rentschler ordnet den Zollstreit für die regionalen Unternehmen ein. „Diese Drohungen und irrationalen Entscheidungen, die von Donald Trump kommen, sind Gift für Unternehmensplanungen. Unternehmer brauchen vor allem Planungssicherheit, wenn sie Entscheidungen treffen wollen über Investitionen, über die Erweiterung von Kapazitäten, aber auch im Alltag, wenn es um das ganz normale Tagesgeschäft geht. Drohen, schimpfen, beleidigen: Das kennt man bislang nur von Despoten und Diktatoren. Dass sich der Repräsentant einer demokratischen Weltmacht so verhält, ist neu. Dabei schadet Trump vor allem seiner Volkswirtschaft. Immerhin ist Europa der größte Binnenmarkt der Welt“, sagt der IHK-Hauptgeschäftsführer.