Einen Torwartwechsel zwischen Liga und Pokal hatte Steffen Baumgart eigentlich ausgeschlossen. Zu Beginn der zweiten Hälfte des DFB-Pokalspiels beim FC Gütersloh aber hatte der Trainer des 1. FC Union Berlin keine andere Wahl: Frederik Rönnow, seine Nummer eins, saß plötzlich ohne voherige Fremdeinwirkung weit vor dem eigenen Strafraum am Boden, zeigte an, dass ihm schwindelig sei und er wohl nicht weiterspielen könne. Beim Stand von 3:0 für die Eisernen war das am Freitagabend kein Problem, aber für Matheo Raab zumindest mal die Chance, sich erstmals in einem Pflichtspiel seines seit diesen Sommer neuen Klubs zu zeigen. Wie Rönnow blieb auch er ohne Gegentor und konnte durch den 5:0 (3:0)-Erfolg gegen den Regionalligisten den Einzug in die zweite Runde feiern.

Steffen Baumgart überrascht seinen Trainerkollegen

Für Außenstehende überraschend, aber vom Trainer wohl überlegt, hatte es bereits vor dem Spiel eine andere personelle Veränderung gegeben. Punktuell hatte er diese Formation in den Vorbereitungsspielen hin und wieder mal aufgeboten. Dennoch war im Vorfeld der Partie in Gütersloh nicht davon auszugehen, dass Steffen Baumgart so offensiv aufstellen würde. Der Trainer des 1. FC Union Berlin schickte gegen den Regionalligisten also Andrej Ilic, Ilyas Ansah sowie Oliver Burke im ersten Pflichtspiel der Saison auf den Platz und überraschte damit den gegnerischen Trainer. „Wir mussten unser System gerade noch einmal anpassen, weil Steffen Baumgart auf drei Spitzen umgestellt und einen zentralen Spieler geopfert hat“, sagte Julian Hesse vor dem Anpfiff am TV-Mikrofon von Sky. Kleinere Anpassungen habe er deshalb vorgenommen, denn nach den Eindrücken, der beiden Vorbereitungsspiele, die er sich in Vorbereitung auf das Duell mit den Eisernen angeschaut hatte, war nicht von dieser offensiven Herangehensweise auszugehen.

Schon gar nicht in Anbetracht der Tatsache, dass die Köpenicker zuletzt in vier Vorbereitungsspielen am Stück jeweils als 0:1-Verlierer vom Platz gegangen und damit ohne Torerfolg geblieben waren. Wenig überraschend nach den Eindrücken der vergangenen Tage war hingegen, dass Diogo Leite gar nicht erst zum Kader gehörte. Offiziell begründete Baumgart das vor Partie mit seiner aus gesundheitlichen Gründen geringen Teilnahme am Training, inoffiziell aber will man wohl weiterhin kein Verletzungsrisiko eingehen, um einen Verkauf des Portugiesen in diesem Sommer nicht zu gefährden. Der deutet sich auch weiterhin bei László Bénes an, der ebenfalls nicht zum Kader gehörte.

Ansonsten bot sich den mitgereisten 4000 Union-Fans unter den insgesamt 9236 Zuschauern, mal abgesehen vom Offensivtrio, aber keine Überraschung. Hinten sollte die Dreierkette bestehend aus Danilho Doekhi, Leopold Querfeld und Tom Rothe vor Torwart Frederik Rönnow für Stabilität sorgen, Christopher Trimmel auf der rechten und Robert Skov auf der linken Schiene sollten Defensive unterstützen, gegen den Regionalligisten aber primär die Offensive mit Flanken füttern.

Die mitgereisten 4000 Fans des 1. FC Union Berlin machten beim FC Gütersloh nicht nur mit ihren Gesängen, sondern auch mit diesem riesigen Banner über den kompletten Block auf sich aufmerksam.

Die mitgereisten 4000 Fans des 1. FC Union Berlin machten beim FC Gütersloh nicht nur mit ihren Gesängen, sondern auch mit diesem riesigen Banner über den kompletten Block auf sich aufmerksam.Moritz Eden/City-Press

Doch dieser Plan ging erst einmal nicht so recht auf. Die Eisernen hatten zwar mehr Ballbesitz, aber ließen noch die notwendige Präzission vermissen. Mal wurde ein Pass bei der Annahme verstolpert, mal geriet der Pass zu lang oder die Flanke zu ungenau. Doch der 1. FC Union Berlin verfügt ja seit seiner Bundesligazugehörigkeit über ein probates Mittel zur Torerzielung, das sich eigentlich auch bis nach Gütersloh herumgesprochen hatte und wovor Julian Hesse auf der Pressekonferenz, aber auch kurz vor Spielbeginn im TV-Interview noch einmal warnte: die Gefährlichkeit bei Standardsituationen.

Scheinbar aber war für Güterslohs Torwart Tim Matuschewsky die auf den Tag genau halbjährige Pflichtspielpause von Robert Skov zu lange gewesen, so dass er die Schusskraft des Dänen offensichtlich vergessen hatte. Der 29-jährige Linksfuß der Unioner zeigte in der 19. Minute jedenfalls sein Können und verwandelte einen Freistoß kurz vor dem Strafraum aus zentraler Position in das Torwarteck zur 1:0-Führung für die Mannschaft von Steffen Baumgart. Matuschewsky hatte wohl eher mit einem Schuss über die Mauer gerechnet und sich deshalb düpieren lassen.

Und die drei Angreifer der Unioner? Burke, der über die rechte Seite kam, blieb weitgehend unauffällig, Ilic setzte einen Schussversuch nach einer Ecke von Trimmel weit über das Tor und Ansah war stets anspielbereit und holte, auch wenn man über den Pfiff streiten konnte, immerhin den Freistoß vor dem Treffer von Skov heraus. Ansonsten aber wurde das Trio noch immer nicht richtig in Szene gesetzt, die Passquote der Unioner lag kurz vor der Halbzeit bei unter 70 Prozent.

Zwei Ecken von Christopher Trimmel für zu zwei Toren

Und doch kam vor der Pause noch etwas mehr Ruhe ins Spiel. Weil Kapitän Trimmel mal wieder eine Ecke gefährlich in den Strafraum brachte und sein östereichischer Landsmann Querfeld aus kurzer Distanz mit dem rechten Fuß auf 2:0 erhöhte (35.). Für noch klarere Verhältnisse und für so etwas wie die gern beschrieben Vorentscheidung sorgte Doekhi in der 43. Minute. Wieder war es eine Standardsituation, wieder ein Eckball von Trimmel, den die Gütersloher nicht klären konnten und den diesmal Doekhi, also ein weiterer Innenverteidiger, mit einem Schuss zum 3:0 im Tor der Gastgeber unterbringen konnte. Abgefälscht war der Ball zwar noch von Rani Khedira, der Treffer aber wurde dem Niederländer angerechnet.

Die zweite Hälfte begann mit dem anfänglich beschriebenen Wechsel zwischen den eigenen Pfosten. Dort hatte Rönnow-Ersatz Raab sogar gleich zu Beginn mehr Aktionen als die Nummer eins der Unioner, aber mit den Halbchancen der Gastgeber auch keine Probleme. Ansonsten aber bot der zweite Durchgang ziemlich viel Leerlauf. Der FC Gütersloh probierte es in Ansätzen häufiger als in Hälfte eins mit dem Weg nach vorne, wurde dabei aber kaum gefährlich. Steffen Baumgart konnte noch ein paar geplante Wechsel vornehmen und endlich auch mal wieder einen Stürmer beim Torerfolg sehen. Nach einer Hereingabe des eingewechselten Janik Haberer traf Ilic aus kurzer Distanz zum 4:0 (78.).

Den Schlusspunkt aber setzte Wooyeong Jeong. Auf Pass von Ilic traf der Südkoreaner in der vierten Minute der siebenminütigen Nachspielzeit praktisch von der identischen Stelle wie der Vorlagengeber zum 5:0-Endstand. Glanzlos, aber, viel wichtiger, problemlos setzte der 1. FC Union Berlin deutlich in Gütersloh durch und beseitigte erst einmal auch alle Zweifel an der Form vor dem Saisonstart.