Es ist noch kein Jahr her, da dürften am Berliner Moritzplatz die Sektkorken geknallt haben. Wie immer im Oktober wurde bekanntgegeben, wer mit dem Nobelpreis für Literatur geehrt wird – und das war 2024 die Südkoreanerin Han Kang. Und ihr Werk erscheint in deutscher Übersetzung im Berliner Aufbau Verlag.
Han Kang schreibt seit dreißig Jahren, bezeichnet sich selbst als Feministin und ist inzwischen weltberühmt. Das Potenzial einer solchen Autorin lange vor dem großen Erfolg zu erkennen und dann auch noch für einen Verlag fruchtbar zu machen, sind Bestandteile jenes Substrats, das Erfolg ausmacht.
Welterfolg mit Bestseller „Die Päpstin“
Der Aufbau Verlag hat in dieser Hinsicht mehrfach ein glückliches Händchen bewiesen. Man kann in diesem Zusammenhang auch an „Die Päpstin“ von Donna W. Cross denken – ebenfalls ein Welterfolg. Und längst nicht der einzige Meilenstein zu einer ganz speziell weiblichen Literaturgeschichte, die in dem Berliner Verlagshaus seit Jahrzehnten geschrieben wird.
Der Verlegerin Heide Kloth liegt viel daran, für das Verlagsprogramm auch weiterhin ostdeutsche Themen und Autoren zu entdecken. Zu denen, erklärt Kloth, gehört auch Gerti Tetzner. Sie sei Teil von Christa Wolfs sogenannter „Weiberrunde“ gewesen und habe 1974 mit ihrem Debütroman „Karen W.“ große Erfolge bei Presse und Publikum gefeiert.
Der Roman erschien ursprünglich im Mitteldeutschen Verlag. „Ihr zweiter Roman sollte dann aber aufgrund der DDR-Zensur nur noch im Westen erscheinen“, so Kloth. Von Tetzner seien noch zwei Kinderbücher erschienen, das literarische Schreiben habe sie aufgegeben – vorerst.
Gerti Tetzner in einer Reihe mit Elke Erb, Sarah Kirsch, Brigitte Reimann
Gerti Tetzners Roman reiht sich quasi nahtlos ein in die Bibliothek weiblicher Selbstermächtigung. Erinnert sei an die Debüts von Elke Erb, Helga Schütz und Helga Schubert. An Sarah Kirsch und Eva Strittmatter. An Christa Wolfs „Kindheitsmuster“. An den „Dienst“ von Angela Krauß.
Auch wenn viele der Autorinnen heute in anderen Verlagen erscheinen, so haben sie oft frühe Schritte im Aufbau Verlag gemacht. Nicht zu vergessen jene Autorinnen, denen der Verlag mit großen Nachwendepublikationen einen gebührenden Platz im Licht der Öffentlichkeit eingeräumt hat: Inge Müller und Brigitte Reimann.
Die Arbeit mit Gerti Tetzner schließt hier an. „Ich freue mich nämlich sehr, dass sie mit 88 Jahren wieder begonnen hat zu schreiben“, erklärt Kloth. Man werde alles daran setzen, Tetzners Büchern eine breite Öffentlichkeit zu verschaffen – und Tetzner selbst „den Platz in der Literaturgeschichte, den sie verdient“.
Weimar als zweiter Standort des Aufbau Verlags
Gegenwartsliteratur und Sachbuch, Exil- und Weltliteratur – das ist bis heute das, wofür das Programm des Berliner Aufbau Verlages steht. Hinzu kamen die berühmten Klassiker-Ausgaben für kleines Geld, die dem Verlag Weimar als zweiten Standort im Verlagsnamen einbrachten.