Jetzt nicht, dass es gleich wieder heißt: die Bayern und ihre indolente Wurschtigkeit. Gut, die Betreiber der Historischen Wurschtkuchl in Regensburg haben außerordentlich gelassen, ja fast gleichgültig reagiert auf den jüngsten Vorstoß aus Erfurt, wo zwei Historiker auf eine ganz neue allerälteste urkundliche Erwähnung eines mutmaßlichen Wurstbraters gestoßen sein wollen.
Vielleicht war es den Regensburgern so einerlei, weil es bloß Thüringen ist. Da hilft den nördlichen Nachbarn auch die Bezeichnung „Freistaat“ nichts, die sie ihrem Bundesland 1993 gegeben haben. Obwohl dieses deutsche Wort für Republik doch allein den Bayern zustehen und eigentlich eine geschützte geografische Angabe sein sollte, so wie „Schwäbische Maultaschen“ oder „Nürnberger Bratwürste“.
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Was diese Nürnberger Bratwürste betrifft, so hat sich die Historische Bratwurstküche „Zum gulden Stern“ in Nürnberg bereits vor 25 Jahren der Regensburger Wurstkuchl praktisch geschlagen geben müssen. Jener innerbayerische Bratwurststreit drehte sich auch schon um den Titel der ältesten Wurstbraterei der Welt und war noch mit einem Engagement geführt worden, der seiner Werbewirksamkeit angemessen war. Und wenn sich jetzt schon die Regensburger der plötzlichen Konkurrenz aus Thüringen nicht recht erwehren wollen, so greifen nun die Nürnberger noch mal ein.
Drinnen im gulden Stern ist recht historisch dekoriert. (Foto: privat)
So kündigt es jetzt jedenfalls Sophia Hilleprandt an, die den gulden Stern vor fünf Jahren von ihrem Vater geerbt hat. Sie wird bald 24 und hat also den Ausbruch des angeblichen und zu scheinbar ewigen Friedenszeiten noch bedenkenlos sogenannten Bratwurstkriegs gar nicht selbst miterlebt. Sehr wohl dann aber jenen Urteilsspruch des einstigen Münchner Wiesnwirts Wiggerl Hagn, der sich eigens als Richter kostümiert und den einträchtig-einträglichen Zwist nach zwei Jahren so beendet hat: „Die Regensburger sind die älteste Bratwurstküche auf der Welt. Und die Nürnberger haben die älteste Bratwurstküche auf der Welt.“
Denn die Regensburger verfügten mit einem Schriftstück von 1378 über die älteste urkundliche Erwähnung. Und die Nürnberger laut ihrer Urkunde von 1419 immerhin über das älteste Haus, weil die Wurstkuchl an der Steinernen Brücke irgendwann später mal abgerissen und ein paar Meter weiter neu gebaut wurde.
Die Historische Wurstkuchl in Regensburg ist als Gebäude offenbar nicht ganz so alt wie das Lokal in Nürnberg. Aber die erste urkundliche Erwähnung einer Gaststätte reicht dort weiter zurück. (Foto: Eberhard Thonfeld/Imago)
Und jetzt also diese Erfurter mit ihrer Urkunde von 1269, in der zwar Pachteinnahmen und eine Hütte und ein Bräter an der Krämerbrücke verzeichnet sind – in der aber weder ausdrücklich von Würsten die Rede ist noch ein konkretes Gebäude benannt wird.
Wegen so etwas werde man die Titel nicht kampflos hergeben, sagt Sophia Hilleprandt und kündigt für diesen Samstag eine Fahrt nach Thüringen an, um den Usurpatoren in aller Form den Kampf anzusagen und ihre Herausforderung direkt vor Ort zu platzieren. Gerne mit möglichst viel Aufsehen für die PR, wie sie selber zugibt.
Praktischerweise wird in Mühlhausen nämlich an diesem Samstag der „Internationale Tag der Bratwurst“ gefeiert. Und zwar beim angeblich „1. Deutschen Bratwurstmuseum“, das dort 2023 eröffnet wurde. Das Nürnberger Bratwurstmuseum am Trödelmarkt in der Bratwurstgasse 1 gibt es übrigens seit 2021.
Und jetzt nur, falls wer wegen all der Würste schon drauf warten sollte: Wieder drei Jahre zuvor hat der gegenwärtige bayerische Ministerpräsident sein Amt angetreten. Der wäre wenigstens Nürnberger, aber in diesen historischen Perspektiven ist er sonst bisher ganz einfach: egal.