Die Bosch-Tochtergesellschaft Bosch Engineering GmbH schreibt ihren Mitarbeitern vor, künftig mindestens 60 Prozent ihrer individuellen Wochenarbeitszeit an ihren Arbeitsplätzen präsent zu sein. Sie ergreift damit besonders einschneidende Maßnahmen, um das Home-Office, also die Arbeit von zu Hause aus, wieder zu begrenzen.
Eine Bosch-Sprecherin bestätigte Informationen unserer Zeitung über die neue Regelung, die am 1. September in Kraft treten wird und für rund 2200 Beschäftigte an den deutschen Standorten gilt. Die Vorgabe solle „gezielt die Innovationskraft stärken sowie den persönlichen Austausch und die Zusammenarbeit fördern“.
Stefan Hartung führt den Bosch-Konzern. Die Lage der Autobranche macht dem Unternehmen schwer zu schaffen. Foto: IMAGO/Xinhua
Seit Jahren versucht die Bosch-Geschäftsführung, die infolge der Corona-Pandemie sprunghaft gestiegene Home-Office-Quote wieder zurückzuführen. Der Versuch, die Präsenzarbeit durch Appelle an die Beschäftigten substanziell zu erhöhen, brachte jedoch nicht den gewünschten Erfolg.
Druck wurde bereits sanft erhöht
Bereits Ende vergangenen Jahres hatte die Geschäftsführung des Konzerns nach Informationen unserer Zeitung den Druck erhöht und die Beschäftigten in einem internen Rundschreiben aufgerufen, wieder häufiger ins Büro zu kommen. Sie erklärte zugleich, es sei ihr „großer Wunsch“, dass die Beschäftigten wieder mindestens 60 Prozent ihrer Arbeitszeit im Büro verbringen. Dabei zählen auch Auswärtstermine und Arbeiten an anderen Standorten des Unternehmens als Präsenztage. Bei Bosch reisen viele Beschäftigte zu internen Terminen zwischen Standorten wie Feuerbach, Schwieberdingen und Abstatt hin und her.
Tochter für anspruchsvolle Entwicklungsaufgaben
Die Tochtergesellschaft Bosch Engineering mit Sitz in Abstatt (Kreis Heilbronn) geht bei der Präsenzarbeit nun einen Schritt weiter als der Konzern und versucht, dieses Ziel durch eine verbindliche Vorgabe zu erreichen. Die Firma, die außer in Abstatt auch in Holzkirchen bei München einen wichtigen Standort hat, übernimmt anspruchsvolle technische Entwicklungsaufgaben, insbesondere im Bereich der Mobilität.
Was Bosch zu schaffen macht
- Lahmende E-Mobilität: Autobauer und auch Bosch selbst haben hohe Summen ins E-Auto investiert – nun liegen die Investitionen teilweise brach. Stattdessen muss verstärkt in Verbrenner- und Hybridtechnologie investiert werden.
- Weltkonjunktur: Die Autokonjunktur lahmt – ein globaler Zulieferer wie Bosch kann sich dem nicht entziehen. Die US-Zölle können sich als weiter Bremsfaktor erweisen.
- Konkurrenz aus China: In China wird mit extremem Tempo an sehr kostengünstigen Technologien gearbeitet. Das setzt die Bosch-Kunden und auch Bosch selbst unter Druck.
Ähnlich wie die Muttergesellschaft leidet auch die Engineering-Tochter massiv unter der Verschiebung von Entwicklungsprojekten durch wichtige Kunden aus der Autoindustrie, die angesichts der wirtschaftlichen Flaute, der US-Zölle und der unerwartet schleppenden Entwicklung der E-Mobilität vorsichtig geworden sind. Vor einigen Wochen kündigte das Unternehmen an, weltweit 460 Arbeitsplätze abzubauen, davon 360 am Hauptsitz in Abstatt. Auch die wöchentliche Arbeitszeit wurde deutlich verkürzt – mit Einbußen beim Gehalt.
Vor der Pandemie hatte Bosch einen anderen Weg verfolgt und jahrelang versucht, die Beschäftigten zu einem geringeren Präsenzanteil ihrer Arbeit zu bewegen. „Wir wollen weg von der Präsenz- und hin zu einer Ergebniskultur“, sagte der einstige Personalchef Christoph Kübel im Jahr 2013. Während der Pandemie warb Bosch besonders intensiv für mobiles Arbeiten, um trotz strenger Kontaktregeln die Arbeit aufrecht erhalten zu können. Kübels Nachfolgerin Filiz Albrecht startete die Initiative „smart work“, die ebenfalls eine Modernisierung der Arbeitskultur zum Ziel hatte.
Nach Pandemie blieben viele Büros leer
Als sich nach der Pandemie die Büros kaum wieder füllten, sah Bosch sich veranlasst, eine Erhöhung der Präsenz anzustreben – ohne allerdings das Home-Office auszuschließen. Das Unternehmen betont, dass sich daran nichts geändert habe. Es sei das Ziel, „beide Welten optimal zu verbinden, um effizientes Arbeiten sowohl im Büro als auch mobil zu unterstützen“. Es gelte aber auch, Kreativität, Teamgeist, Informationsaustausch und Identifikation mit dem Unternehmen zu fördern.
Laut Daten des Statistischen Bundesamtes (Destatis) ist die Heimarbeit während der Pandemie sprunghaft gestiegen und hält sich seither auf hohem Niveau. 2019, im Jahr vor der Pandemie, arbeiteten noch 12,9 Prozent der Erwerbstätigen im Home Office, ein Jahr später waren es bereits 21 Prozent. Es gebe „keinerlei Hinweise darauf, dass das Homeoffice auf dem Rückzug ist“, sagt Wirtschaftsforscher Jean-Victor Alipour vom Ifo-Institut. „Homeoffice hat sich fest etabliert, einzelne Initiativen von Unternehmen, ihre Beschäftigten ins Büro zurückzuholen, bilden keinen statistisch ablesbaren Trend.“