1. Startseite
  2. Panorama

DruckenTeilen

Wissenschaftler der Harvard-Universität machen Fortschritte bei der Bekämpfung einer häufigen Krankheit. „Das geht schon in Richtung fundamentaler Meilenstein.“

Es beginnt schleichend und schreitet doch unaufhaltsam fort: Demenz betrifft laut Weltgesundheitsorganisation mehr als 55 Millionen Menschen weltweit. 2050 könnten es bereits 139 Millionen sein. Die häufigste Ursache ist die Alzheimer-Krankheit. Forschende sind bei der Prävention und Heilung dieser tückischen Krankheit durch eine Studie über Lithium deutlich vorangekommen.

Das Team um den Harvard-Neurologen Bruce Yankner untersuchte die Rolle von Lithium im Gehirn und fand bei Tests mit Mäusen heraus, dass ein Mangel des Spurenelements eine Rolle bei der Entstehung von Alzheimer spielen könnte. Ein spezielles Lithium-Mittel könnte frühzeitig gegen Alzheimer eingesetzt werden und Schäden verhindern, nicht nur verlangsamen.

Was Lithium und Demenz miteinander zu tun habenAmyloid-Plaques bei DemenzAmyloid-Plaques sind „Eiweißklumpen“ im Gehirn, die bei Alzheimer eine zentrale Rolle spielen. © Depositphotos

Michael Bauer ist Leiter der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden. Er beschäftigt sich mit Neurobiologie und der Behandlung bipolarer Störungen. „Lithium ist seit mehr als 60 Jahren der Goldstandard für die Behandlung der bipolaren Erkrankung. In der Therapie wird es als Lithiumcarbonat eingesetzt und schützt hier effektiv vor Rückfällen“, sagt Bauer BuzzFeed News Deutschland von Ippen.Media.

Vor etwa 20 Jahren hätten Wissenschaftler entdeckt, dass Lithium nicht nur vorbeugend bei Patienten mit bipolarer Störung wirke, sondern auch neuroprotektive Effekte habe – also eine schützende Wirkung für Nervenzellen. Daten aus dem medizinischen Register in Dänemark hätten es zum Beispiel ermöglicht, zu analysieren, ob es einen Zusammenhang zwischen Lithiumtherapie und Demenzentwicklung gibt – und tatsächlich: Langzeit-Lithiumbehandlungen scheinen einen schützenden Effekt zu haben.

„Wir haben auch gesehen, dass es in Regionen mit höherem Lithiumgehalt im Trinkwasser weniger Demenzfälle gibt“, sagt Bauer. Es gebe also bereits Hinweise, dass Lithium die Entwicklung von Demenzerkrankungen wie Alzheimer verlangsamen oder sogar verhindern könnte. Allerdings seien die bisherigen wenigen Therapiestudien mit Lithium meist negativ gewesen, weil sie bei fortgeschrittenen Alzheimer-Patienten durchgeführt worden seien. „Die Autoren der aktuellen Arbeit betonen, dass Lithium viel früher eingesetzt werden müsste, um wirksam zu sein“, sagt der Psychiater.

„Meilenstein“: Lithium-Experte ordnet neue Demenz-Studie ein

Die US-Forschenden um den Neurologen Yankner zeigten zum ersten Mal, welche wichtige Rolle Lithium im menschlichen Gehirn spielen könnte. Sie untersuchten Hirngewebe und Blutproben von Alzheimer-Patienten und verglichen sie mit denen von gesunden Menschen. Sie untersuchten 27 verschiedene Metalle und fanden heraus, dass nur die Lithium-Konzentration im Gehirn von Menschen mit bereits leichter kognitiver Beeinträchtigung deutlich niedriger war. Das Lithium war dort in den „Klumpen“ im Gehirn gebunden, die sich bei Alzheimer bilden. Dieser Lithium-Entzug „wurde schwerer, als die Krankheit fortschritt“, sagt Yankner der Fachzeitschrift Nature.

„Die neue Studie ist ein Meilenstein in der Erforschung der Lithiumfunktion im menschlichen Gehirn und der Rolle, die es möglicherweise in der Entstehung von Demenzerkrankungen hat. Das geht schon in die Richtung fundamentaler Meilenstein“, sagt Bauer.

Die Forschenden entfernten Lithium aus dem Futter von gesunden Mäusen und Mäusen mit Alzheimer. Das führte zu einem beschleunigten kognitiven Verfall, mehr Entzündungen und schädlichen Ablagerungen im Gehirn. Bisher gibt es nur Demenz-Therapien, die den kognitiven Abbau verlangsamen, aber „sie stoppen ihn nicht. Sie stellen die Funktion nicht wieder her“, sagt Yankner. Als die Wissenschaftler den Mäusen jedoch niedrige Dosen von Lithium-Orotat gaben, kehrte es krankheitsbedingte Gehirnschäden um und stellte das Gedächtnis der Tiere wieder her.

„Spottbilliges“ Medikament könnte Demenz verhindern

„Es braucht dringend Studien, die Lithium bei sehr frühen Stadien der Alzheimer-Erkrankung testen. Wir müssen schauen, ob Lithium die Vollausprägung von Demenz verhindern kann – besonders bei Menschen mit familiärem Risiko. Das wäre ein echter Durchbruch in der Prävention“, sagt Bauer. Für die Neuroprotektion brauche es viel niedrigere Lithium-Dosierungen als für die Prophylaxe von bipolaren Störungen. „Diese viel niedrigen Dosierungen haben auch kaum Nebenwirkungen“, so der Wissenschaftler von der Universität in Dresden.

Doch diese Studien müssen finanziert werden. Lithium ist ein Element, daher kann es nicht patentiert werden. „Kein Pharmaunternehmen wird Profit mit Lithium machen“, sagt Tomas Hajek, ein Psychiater an der Dalhousie University in Halifax, Kanada. „Lithium ist spottbillig. Und es könnte für Menschen enorm vorteilhaft sein.“